Donnerstag, 29. September 2016

Der letzte Sommerabend

Ich komme im Moment nicht zum schreiben, weil jeden Abend letzter Sommerabend ist. Tagsüber bekomme ich Nachrichten, ob ich nicht früher Feierabend machen kann, es ist bestimmt der letzte, der allerletzte warme Tag, das müsse man ausnutzen, ganz herrlich sei es, ich solle mich beeilen. 

Immer wenn ich ankomme, ist die Sonne schon hinter den Häusern verschwunden, vor ein paar Wochen haben wir genau hier noch in glühender Hitze gesessen, aber so ist es ja auch schön. Dann frieren wir ein bisschen, aber das macht nichts, es ist ganz bestimmt der letzte Sommerabend.



Am nächsten Tag "Komm so schnell es geht, es ist so warm, du glaubst es nicht." Drei meiner Freundinnen sind Freiberufler und die kommen nicht mehr dazu, ihren Beruf frei auszuüben, weil sie in der Sonne sitzen müssen, tagein, tagaus. 

Ich möchte auch Freiberuflerin werden, deshalb haben wir einen Lottoschein ausgefüllt und am Freitag gewinnen wir 75 Millionen, wovon ich mir erst mal ein Gestüt kaufen werde, dann werde ich jeden Tag reiten, das ist dann mein Beruf.

Mittlerweile glaube ich, dieser Sommer wird nie zu einem Ende kommen, er ist der BER unter den Sommern; mir soll's recht sein. 

Heute war ja nun wirklich der letzte warme Tag, ich eilte ausnahmsweise direkt nach Hause und klingelte meine Nachbarn raus, ab in den Garten, da saßen wir dann bei Kerzenschein, das Laub fiel uns auf den Kopf, schnell war's auch stockduster, da wurde verkündet, morgen wird es doch noch mal 24 Grad und Samstag 23 Grad, erst am Sonntag, dann aber wirklich, 16 Grad und Regen, seliges Grinsen machte sich breit. Ach nein, das war die Wetter App für München, in Berlin schon ab morgen 18 Grad und Regen. 

Wer's glaubt, wird selig.

Sonntag, 25. September 2016

Im Wedding

Wenn ich was hasse, dann sind es Bierbänke. Ein Verbrechen an der Menschheit. Ein gewichtiger Grund, weshalb es beim Oktoberfest nur für ein kurzes Gastspiel gereicht hat. Leute sitzen zu eng neben und zu nah vor mir. Das möchte ich nicht.

Ich war also nicht begeistert, als die Beste eine Kneipe im Wedding auserkor und in derem lauschigen, äußerst sparsam beleuchtetem Vorgarten Bierbänke standen. Ich atmete schwer und dachte nicht schon wieder!

Außerdem war es total leer. Der Wirt hatte Zeit und bediente uns brüsk-charmant. Das halte ich für eine gute Mischung. Normalerweise ist man von Service-Robotern umgeben, die vollautomatisch ihren Dienst versehen. Dieser Wirt hat einen guten Blick für Menschen und kümmert sich unaufdringlich und selbstbewusst.

Als ich mal reinging, war ich entzückt. Plüsch as Plüsch can. Meine entzündeten Nerven beruhigten sich augenblicklich, denn im hinteren Bereich lauter Sofas und Sessel plus Aschenbechern. Ich könnte also bequem sitzen, wenn ich wollte, manchmal reicht das schon. Vorne eine kleine Bühne und überall schwerer Fall von Deko-Wahn; hier schaltet und waltet ein Meister der geschmackbefreiten Inneraumbeleuchtung. Überall Glühwürmchen, die gütiges Licht verströmen. Ein hübscher Kontrast zum wirken und Habitus des Wirtes. 

Da es eine Raucherkneipe ist, gibt es nur ein Gericht: Currywurst mit selbstgemachten Ketchup, angeblich Geheimrezepept von Omma. War gut. 

Später beim bezahlen kamen wir ins Gespräch. So leer sei es noch nie gewesen, obwohl sich inzwischen Leute auf den Sofas breitmachten. Sonntags Live-Musik, Dienstags Karaoke mit einem, der so beschissen singt, dass sich anschließend alle trauen und auf dem Klo der Hinweis, dass am 6.12. Martin Dean auftritt, man weiß nur nicht, in welchem Jahr.


 

Hingehen:  Ufer-Café

P.S: Der Wedding ist zeitlos. Cäpt'n Nuss (die Berliner Ausgabe von Robert Fleming aus High Fidelity) gibt es immer noch. Natürlich ohne Website.