Freitag, 26. Mai 2017

Samtige Nächte

Eine Freundin sprach in den letzten zwei Jahren dauernd davon, nach Australien auszuwandern, zusammen mit ihrem Pferd, auf eine Ranch. Insgeheim prangerte ich das an, da schon meine Beste den Kontinent verlassen hat und diese Art von Exodus schmeckt mir nicht. 

Umso erfreuter war ich, als sie mitteilte, dass sie kurzerhand zu ihrem Pferd zieht, ins Brandenburgische. Da muss ich wenigstens nicht hinfliegen und zu ihr zu fahren dauert nicht länger als der Weg ins Büro. Außerdem... das Brandenburgische an sich hat seine Momente. So eine Aussicht aus dem Klofenster - was will man mehr?




Sie lud zum Grillen. Eine Stunde vorher bat sie darum, dass jemand Grillkohle mitbringt. Als wir ankamen, war der Grill noch nicht zusammengebaut (sie könnte nie im australischen Busch überleben). Und sie wollte - vor allem anderen -  noch den Reiterhof zeigen (den ich längst kenne). Nun schaue ich gerne Pferde, aber nach gegrilltem Schafskäse wäre mir wohler gewesen. 

Später bauten die Männer den Grill zusammen. Dem einen ging alles leicht von der Hand; ein Pferd hatte sich nämlich in ihn verliebt und mit den Fotos, die ich von den beiden gemacht habe, ließe sich eine Pferde-Fetischisten-Seite füllen, falls es derlei gäbe. 

Kurz vor dem ersten Kuss
Ein Mann wird schwach

Wir saßen auf der Terrasse, bis es Abend wurde und in der Dämmerung schnappte ich mir den Hund und ging mit ihm über die Felder, bis es dunkel wurde.


Das Schöne an einem Hund ist, dass man anfängt, sich bei Dunkelheit draußen aufzuhalten. Mache ich sonst nie. Käme ein Kettensägen-Mörder um die Ecke, hätte er nicht viel zu lachen. Ich schlenderte über die Felder, in der Ferne rauschte ein ICE durch die Landschaft, ein brennender Misthaufen sorgte für die olfaktorische Untermalung und ich überlegte, ob ich auch auf diesen Hof ziehen sollte. Als es so gut wie stockdunkel war, ging ich zurück.


Unterdessen hatte sich die Veranstaltung nach innen verlagert. Das war mir nichts, ich ging raus auf die Terrasse und sah in einen perfekten Sternenhimmel, unten wieherten leise die Pferde, aber ehrlich gesagt sehr selten, denn sie wollen nachts keine unnötige Aufmerksamkeit erregen. Ihnen ist nicht auszureden, dass sie jederzeit gefressen werden könnten. Ich kann das verstehen, mir selbst ist es auch nicht auszureden. Wann immer ich mir den Hund ausleihe, liebe ich vor allem den letzten Gang, den ich völlig angstfrei in der Nähe des Waldes absolviere. Ohne ihn würde ich nicht mal zu meinen Nachbarn rüber gehen, außer im Notfall.

Als ich nach Hause fuhr, nach Mitternacht, kam mir in einer besonders einsamen Gegend auf einer Brücke ein junges Mädchen entgegen, in Laufklamotten joggte sie durch die Nacht. Ich fragte mich, was mich reiten müsste, nachts die Wohnung zu verlassen, um im nächsten einsamen Wald mein Sportprogramm zu absolvieren. Mir fiel nur ein Grund ein: Angstfreiheit Tollkühnheit Lebensmüdigkeit. Ich überlegte kurz, anzuhalten und sie zu ihrem Therapeuten zu fahren.

Zuhause angekommen, blieb ich noch eine Weile auf der Straße stehen, schaute in die Sterne und fand, dass alles um mich herum eine zerbrechliche Anmutung hatte. Es war totenstill, nicht mal die Nachtigall zwitscherte. Erstaunlich, wie sicher ich mich drinnen fühle und wie schutzlos das Haus von außen aussieht, wenn kein einziges Licht mehr an ist.

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