Mittwoch, 21. Februar 2018

Dünnbrettbohrerin

Das bloggen lehrt mich einiges. Ich bin nicht die, die ich dachte zu sein. Ich nahm immer an, dass ich Dinge zum Ende bringe, dran bleibe, wenn ich mal was angefangen habe. Langer, ruhiger Fluss und so.

Stimmt nicht. Ich habe ja offenbar immer nur Phasen. Sportliche Phasen, in denen ich morgens um 7 Uhr im Wald laufe und jede feie Minute im Freibad schwimme. Hausfrauliche Phasen, in denen ich Brot backe und Marmelade einkoche. Phasen, in denen ich versuche, reiten zu lernen. Phasen, in denen ich Berlin grundsätzlich nur mit dem Rad durchquere, so lange, bis mir kein Berg mehr etwas ausmacht. Ich bin dann ganztägig beglückt und kann mir nicht vorstellen, jemals wieder etwas anderes zu machen.

Bis ich damit wieder aufhöre. Das Brot wieder kaufe, für 100 Meter das Auto benutze und den Wald nur im Vorbeifahren sehe. Ob ich ADHS habe?

Jetzt habe ich schon eine ziemlich lange Phase, in der ich mir vornehme, demnächst wieder zu laufen, zu schwimmen und voller Selbstfürsorge als zweites Frühstück nur Paprika mit Quark zu essen. Ich denke oft daran, wie gut mir das tun würde. Und hoffe inbrünstig, dass diese Phase des Vornehmes einen harmonischen Übergang in eine brandneue Aktivität findet.


Das Fernseh-Sonderangebot ist es schon mal nicht. Zwei Abende binge watching und schwups ist diese Phase auch schon wieder vorbei. Ich bin überfordert mit dieser Angebotsfülle. Und dann hatte ich auch vergessen, dass ich per se selten vor der Glotze liege. Ich mach lieber andere sinnlose Sachen.


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Das einzige Hobby, dessen ich nicht müde werde, ist: vorauszusehen, wer sich weshalb demnächst trennen wird oder wer zusammenbleibt, wer seine Kinder in den Wahnsinn treibt, wer seinen Job verlieren wird, wer falsche oder richtige Entscheidungen getroffen haben wird, wer weshalb unglücklich ist und was er tun könnte, um dem abzuhelfen; ich meine sogar zu wissen, weshalb manche Chefs so ekelhaft sind, wie sie sind. Ich seh sie förmlich vor mir als kleine Jungs, die unter klapsköpfigen Müttern und Vätern leiden, weshalb sie dann zu empathielosen Monstern heranwachsen. Natürlich behalte ich das alles für mich, außer ich werde gefragt.

Ich kann mich in so gut wie jede menschliche Regung hineindenken und im Grunde damit die Weltherrschaft übernehmen. Aber wie jeder guter Prophet im eigenen Lande habe ich bei mir selbst nicht viel zu melden.

Was mich betrifft bin ich stocktaub und blind wie ein Maulwurf. Und außerdem vergesslich, denn alles, was mir schon mal geraten wurde, kann man mir ein Jahr später erneut raten; ich werde es mit derselben Begeisterung aufnehmen, als hätte ich noch nie so etwas Kluges gehört. 

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Mein alter Biologielehrer hat sich mal dazu hinreißen lassen, jedem einzelnen von uns auf den Kopf zuzusagen, was er von ihm hält. Mir sagte er, ich sei eine Dünnbrettbohrerin. Ich werde mich in meinem ganzen Leben niemals für etwas richtig anstrengen. Nie dahin gehen, wo es richtig schwer wird. Damals, mit dreizehn Jahren konnte ich mit seiner Aussage nichts anfangen. Ich war bekümmert, dass er so wenig von mir hält. Heute denke ich, er war ein Arschloch, der den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Ein Arschloch deshalb, weil ich schon dort war, wo es richtig schwer ist. Ich hatte wirklich keine Kapazitäten für Photosynthese. 


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Nee, ich suche wirklich selten Herausforderungen. Aber die Herausforderungen suchen mich. Die restliche Zeit investiere ich ins vornehmen.

7 Kommentare:

  1. "Ich werde mich in meinem ganzen Leben niemals für etwas richtig anstrengen."

    Sehr ökönomisch. Sich minimal anstrengen um ein Ziel zu erreichen. Sparsam mit den Ressourcen umgehen.

    Ganz ehrlich... schützt vor Selbstausbeutung. Ist zumindest meine Meinung.

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  2. Simmadochmaehrlich ...

    wir Dünnbrettbohrer sind die letzten Bastionen im Kampf gegen das Peter-Prinzip!

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  3. Großartig. I love you!

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  4. "Du willst den lieben Gott zum Lachen bringen? Dann erzähl ihm von deinen Plänen." (mexik. Sprichwort bzw. aus dem Jiddischen wird aber auch d. Mathematiker Blaise Pascal 17. Jhd. zugesprochen)

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