Von Chinesen kann man lernen. Ingwer und eine Birne in zwei Liter Wasser schnippeln, eine Stunde leise köcheln lassen, über den Tag verteilt trinken, danach ist man geheilt. Sagt meine Nichte, die ich beim Familienfrühstück sehe.
Die "Erste Abwehr" hat mir zwei Tage Halsschmerzen erspart, wofür ich mich in aller Form bedanke bei der Pharmaindustrie, weil die zwei Halsschmerztage und -nächte immer am schlimmsten sind.
Ich kauf mir die Wundermittel, lass es köcheln, trink es und bin nach einer Stunde vollständig genesen. Keine Gliederschmerzen, keine Mattigkeit. Ich bin begeistert.
Begeisterung kennt keine Grenzen, als ich noch schnell zu Video World fahr und "House of Cards" Staffel 2 zu haben ist. Ich will mich damit von Krankheit und Siechtum ablenken, was nach dem Zaubertrank nicht mehr nötig ist, aber das konnte ich nicht wissen, um so besser, Kevin Spacey bei bester Gesundheit. Dachte ich.
Schieb die DVD rein, loading, loading, loading. "Bad Disc". Bring die zurück, tausch sie um, dasselbe Spiel. Versuche andere DVDs. Alle "Bad Disc". Im Arsch das Ding. Da nehm ich mir einmal eine Grippe induzierte DVD Nacht vor und das Ding streikt. In der Folge nur konsequent, ich war ja geheilt, wenn auch genervt. Für alles kann das Universum nicht sorgen.
Wache um 2 Uhr bei laufender Glotze und Festbeleuchtung auf, taumel ins Bett und bin das nächste Mal um 5 Uhr wach. Mein erster Gang ist immer auf den Balkon. Vogelgezwitscher, Sonne, taufrische Kälte. Alles schläft. Kommt in dem Moment mein Nachbar auf dem Fahrrad nach Hause.
"Wo kommst du denn her?"
"Ich komm nach Hause und du stehst auf dem Balkon? Ist ja irre."
"Ein Zeichen. Oder senile Bettflucht, such dir was aus."
Er steigt vom Rad ab und lehnt sich erschöpft an den Zaun.
"Alles okay bei dir?"
"Noch. Ich hab mich verfahren. Komme aus Großbeeren, Fußball geguckt, hab mich verirrt, Handy Akku alle, dachte, ich finde nie wieder aus dem Wald, der Horror, war ja dunkel."
"Herrje, aber ich bin nicht diejenige, der du diese Geschichte verkaufen musst. Viel Glück dabei."
Er lacht und zieht eine Grimasse. Ich geh frühstücken und leg mich wieder ins Bett. Dann höre ich, wie jemand einen Koffer über den Waschbeton zieht. Zurück kommt, ein zweiter Koffer verlässt das Haus. Oh jee...Offenbar hat sie ihm nicht geglaubt. Männern, die zu gut aussehen und zu charmant sind, glaubt man das nicht. Das ist ihr Schicksal.
Noch
vor dem Frühstück ins Freibad, um eine Stunde zu schwimmen. Auf der
Fahrt beschlossen, dass ich auch eine Stunde Rad fahren und eine Stunde
laufen werde.
Als ich ins Becken stieg, schnappte ich nach Luft und dachte "What the fuck mach
ich hier eigentlich?". Wassertemperatur 18 Grad, Luft 14. Als ich ganz
ins Wasser glitt, war ich augenblicklich schockgefroren. Meine Glieder
wurden schwer und ich wusste jetzt, weshalb erfrieren der angenehmste
Tod sein soll. Man wird müde und gleichmütig.
Selbst
dass ich das Becken mit nur zwei anderen Menschen teilen musste - was
meiner Traumvorstellung vom Becken-ganz-für-mich-allein schon ziemlich
nah kommt, blieb mir wurscht (wobei mir auffällt, dass sich meine
"Traumvorstellungen" häufig darum drehen, irgendwas ganz allein zu machen - auf welche Persönlichkeitsstörung das hindeutet, wird noch zu eruieren sein).
In
Zeitlupe schwomm ich 50 Meter hin und her und her und hin, nach 45
Minuten war meine Ganzkörpergänsehaut rasiermesserscharf. Kurz bevor ich
voreilig mit dem Leben abschließen und mich final dem Chlorwasser
überantworten würde (noch weitere 10 Minuten und ich hätte ein weißes
Licht gesehen), rettete ich mich zitternd in die Dusche. Dort erlitt ich
Verbrühungen bei lauwarmen Wasser.
Zuhause
gefrühstückt und weiter gefroren. Eigentlich wollte ich nun laufen.
Aber ich war so müde, dass ich mich lieber noch mal ins Bett legte.
Gegen 14 Uhr wurde ich wach. Im Koma Wochenendeinkauf absolviert. Um 17
Uhr im Kino verabredet, da wäre ich gerne hingeradelt, aber inzwischen
goss es wieder wie aus Eimern. Ich hätte noch eine Stunde laufen können,
aber bleiern starrte ich Löcher in die Luft.
Im
Kino fast eingeschlafen. Anschließend essen gegangen. Ente kross, süß
sauer. Und mit Cola wird der Durst erst schön. Dabei hatte der Tag so
ambitioniert begonnen.
P.S. Kürzlich meiner Mutter vom Blog erzählt. "Ja, hat denn irgendeiner Zeit, das alles zu lesen?"