Wer da einmal reinzappt, ist auf Stunden verloren |
Im Lauf der Jahre werden immer weniger von ihnen bereit sein, sich von der Kamera und den bohrenden, mitunter wenig suptilen, teils hanebüchenen Suggestivfragen des Regisseurs Winfried Junge, begleiten zu lassen.
Das ist das einzig Unangenehme an diesen Filmen: dass der Regisseur der Versuchung nicht immer widerstehen kann, bei diesen vielleicht nicht zur Intelligenzia gehörenden Kindern, Jugendlichen und später dann erwachsen gewordenen Menschen, tumbe Gesichtsausdrücke zu provozieren. Dabei sind seine Fragen dann so grenzverletztend, dass ein jeder erstmal kariert aus der Wäsche gucken würde; auch wenn er/sie in den 60ern in Köln oder Hamburg sozialisiert wäre.
Nun bin ich mit einer Kollegin, die kurz vor Maueröffnung ausgereist ist, nach Golzow gefahren. Wir kennen uns seit über 30 Jahren, stellten unsere Begeisterung für die "Kinder von Golzow" aber erst vor sechs Wochen fest. Wir planten sofort die Anreise.
Früher hypermodern |
Dieser heilige Ernst - mir Wessi fremd |
Als wir ankamen, war sie so bewegt, dass sie erstmal innehaltenb musste. Sie kann jeden Dialog mitsprechen, kennt jedes Kind und dessen Geschichte, während ich vor einiger Zeit den Lebenslauf von Brigitte gesehen hatte und alles andere längst schon wieder vergessen habe. Das kommt ja immer nur alle paar Jahre im RBB. Naja, vielleicht habe ich auch schon Demenz.
Wir bekamen eine Führung durch's Museum von einem Mann, der seine besten Jahre weit hinter sich gelassen hat, seine Maske unter der Nase trug und schrecklichen Raucherhusten hatte. Sein Fokus lag auf dem Original Schneidetisch und den technischen Details, während wir uns in den Fotos verloren und uns auf die Möglichkeit freuten, an Ort und Stelle weitere Filme zu sehen, die bisher im RBB noch nicht zu sehen waren.
Wir waren die einzigen Besucher im Kinoraum. Ich packte meinen Picknickkorb aus und so schmatzten wir beseelt und schauten anderthalb Stunden eine noch ungesehene Folge. Es kam sogar Kim Il Sung vor, den ich gleich erkannte, meine Kollegin aber nicht, dabei war das doch ihr Bruderstaat und nicht meiner. Wir in Niedersachsen hatten als Partnerstadt Swindon und da gab's keine Diktatoren. Sie glaubte nicht, dass Kim Il Sung in Golzow war, aber als wir anschließend durch die liebevoll kuratierte Ausstellung liefen, fand sich der Beweis:
Verdamp hoher Besuch in Golzow |
Das machte uns so traurig, dass wir ihr unsere Aufwartung machen wollten. Gottseidank hat aber wohl das Amt ein Einsehen gehabt; sie liegt recht prominent (wenn auch schlicht, Kies an Kies) eingezäunt, gemeinsam mit ihren Eltern, nah beim Eingang und ein Stein fehlt auch nicht.
Wann immer man über den Verkorksungsgrad seines eigenen Lebens lamentiert, empfiehlt sich ein Besuch an Brigittes Grab.
Brigitte & Marcel
Marie-Luise
Dieter
Lebensläufe
Und 2015 habe ich Winfried Junge sogar mal kennengelernt und dabei habe ich mich schön zum Horst gemacht