Samstag, 10. Februar 2018

Mariechen saß weinend in Goslar

Im Zuge der SPD Tragödie frage ich mich, was wird nur aus Mariechen? 

Ich stell mir das so vor: Papa Sigmar kommt nach Hause und setzt sich an den Frühstückstisch. Er erörtert die politische Gemengelage mit seiner Frau und Mariechen diskutiert mit. Wenn er doch nun öfter daheim ist, das sei für die ganze Familie schön. Er findet das auch gut und sagt gleich die Sicherheitskonferenz in München ab. Wahrscheinlich reicht er einen Home Office Tag ein, so ein Minister kann das bestimmt ganz unproblematisch machen. 

Dann gibt er ein gesalzenes Interview, Mariechen wird zitiert und deshalb ist im Grunde sie schuld daran, dass Schulz doch kein Außenminister wird. Historiker werden später ihre tragende Rolle analysieren. Sie wird dem Spiegel und der Zeit Interviews geben, zusammen mit den Enkelkindern von Martin Schulz. Vielleicht kommen auch noch die Urenkel von Kohl dazu. 

Sie wird ein Buch geschrieben haben "Wie ich die SPD in Schutt und Asche legte", das pünktlich zur Buchmesse 2038 erscheinen wird, in dem sie im Kapitel "Pathogene Familienstrukturen" mit ihrem Vater abrechnen wird, der sich unter anderem geweigert haben wird, sie zum Traualtar zu führen, weil ihr Zukünftiger nur einen fusseligen Vollbart und wenig kleidsames Haupthaar vorzuweisen hatte. 

Ferner wird sie im Kapitel "Würselen - Goslar: eine Analyse" beschreiben, dass er ihr letztlich nie verziehen hat, dass er am Ende wegen ihrer unbedachten Äußerung als Außenminister auch nicht weiter machen durfte und deshalb die meiste Zeit in Goslar entweder vor ihrer Kita oder in der Zahnarztpraxis seiner Frau herumlungerte. Das war für die Familie eine schwere Zeit, was wir ihr alle glauben werden.


***

Als ich so acht, neun Jahre alt war, haben meine Eltern nicht im Traum daran gedacht, mich für ihr berufliches Fortkommen zu instrumentalisieren. Das habe ich selbst in die Hände nehmen müssen. Tagelang hatte mein Vater von seinem bescheuerten Chef erzählt. Ich sagte dazu nichts, weil meine Meinung nicht gefragt war, aber als eben dieser Chef bei uns zuhause anrief, ging ich ans Telefon. 

"Papa, der blöde Idiot ist dran!" rief ich durch's Haus. 

Mein Vater war nicht so begeistert von mir wie Sigmar Gabriel von Mariechen. Es waren ja die Siebziger und mein Vater gehörte nicht zu den progressiven 68ern, sondern war einer der letzten, dafür um so eifrigeren Anhänger der schwarzen Pädagogik, retrospektiv betrachtet. 

Er twitterte daher meinen Ausspruch nicht, gab auch keine Interviews, in denen er mich lobte, weil ich seinem Leben mit meiner kindlichen Weisheit eine ganz neue Richtung gegeben hatte (obwohl er sich kurz danach selbständig machte, wodurch er solch einen Haufen Kohle verdiente, dass er mit 50 seinen Laden verkaufte und fortan von den Zinsen lebte), sondern erörterte völlig undankbar mit meiner Mutter die Modalitäten meiner Adoptionsfreigabe. Ich konnte tagelang nicht schlafen.

Ach, es ist halt eine neue Vätergeneration herangewachsen.

9 Kommentare:

  1. Sehr schöne Geschichte.

    AntwortenLöschen
  2. Sehr erfrischend! Und ein schöner Beitrag zum Thema: Was ist nur aus dieser Welt geworden?!

    AntwortenLöschen
  3. Faszinierend, dass Du als Kind Deinem Vater quasi die Tür zum Reichtum aufgestoßen haben könntest. Das sind so die Geschichten, die das Leben schreibt. Wie sie dann weitergehen, steht auf einem anderen Blatt...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Nicht wahr? Wie es weitergegangen ist? Ich lebe jedenfalls nicht von meinen Zinsen. *schluchz*

      Löschen
  4. Im Jahr 2038 wird meine Lebensversicherung fällig, das Buch kaufe ich mir davon.

    AntwortenLöschen
  5. Kann man deinen Vater vielleicht mal ausleihen? Nur so kurz, meine ich. Paar Tipps, schon ist er wieder entlassen.

    AntwortenLöschen