An fünf Wochenenden haben wir knapp 90 Folgen Sopranos geguckt, die Dezemberaffaire und ich. Zwischendurch haben wir Geburtstag gefeiert, Doko gespielt und waren immer heilfroh, wenn endlich alle gingen, damit wir weiter gucken können.
Jetzt sind wir in eine Depression gefallen und wissen nicht recht, wie wir den Rest unseres Lebens gestalten sollen.
Gestern kam sie kurz vorbei, um sich den Hund der Auftragsmörderin abzuholen. Der war ein paar Stunden bei mir zwischengeparkt. weil letztere auf Reisen geht und erstere sich - wegen ihres Salto Mortale vom Pferd immer noch außer Gefecht gesetzt - zu einer semi-professionellen Hundesitterin entwickelt hat.
Sie ist schon so vertraut in meiner Wohnung, dass es sich im Grunde um ihren Zweitwohnsitz handelt. Es klingelte, der Hund drehte durch und schon stürmte sie an mir vorbei, mit zwei Tiefkühlpizzen in der Hand. "Ich nehme an, wir haben Hunger.", sprach's, nahm sich den Rotwein und machte es sich auf ihrem Sofaplatz bequem.
Wir besprachen, wie es weitergehen soll. Über Ostern wird das Wetter so beschissen, dass wir uns keine Vorhaltungen machen müssen, wenn wir einfach liegen bleiben. Der Hund wird uns zwingen, dreimal am Tag das Haus zu verlassen, das verringert die Thrombose-Gefahr erheblich.
Aber was gucken wir? Als Vollmitglieder der Sopranos haben wir mit dem Ende der Serie jeden Lebenssinn verloren. Leider auch die Fähigkeit, uns auf andere Serien zu kaprizieren. Was haben wir nicht alles versucht.
Ich schaute trübsinnig in die Tasse, die sie mir geschenkt hat.
Wir haben es dann mit House of Cards versucht - keine Chance.
High Maintenance - no way, jedenfalls jetzt nicht.
Berlin Babylon - och nö
Empire Boardwalk - ich konnte immer nur auf die hässlichen Zähne von Steve Buscemi schauen.
"Findest du da rein?"
"Nö, ich versuch was anderes."
Nach mehreren erfolglosen Versuchen, etwas adäquates zu finden, verschwand sie um Mitternacht mit dem Hund im strömenden Regen. Wir brauchen dringend einen Plan für Ostern. Irgendwelche Vorschläge?
Apropos Hund: der hat sich zu einem pestilenzartigem Furzer entwickelt. Und seitdem er entmannt wurde, hat er an Gewicht zugelegt. Er liegt aber weiterhin gerne direkt auf uns drauf. Er raubt einem in mehrlei Hinsicht die Luft. Ich nenn' ihn jetzt Moppi und bin immer heilfroh, wenn er wieder zu ihr rüber wechselt.
Heute wollte ich die Mittagspause nutzen, um rasch ein Ostergeschenk für meine Nichte zu besorgen.
Ich lief zu meinem Auto, aber das war nicht mehr da. Stattdessen flatterte ein Flatterband dort, wo ich am Morgen erfreut eine Parklücke ausgemacht machte, in die ich mich so kunstfertig wie stets reinquetschte.
Die hatten alle abgeschleppt, bis auf den schwarzen Wagen, der am Horizont zu sehen ist. An dem führte das Flatterband vorbei und war dann ganz vorn, am Ende der Straße, befestigt. Die Halteverbotsschilder standen so, dass man sie als Fußgänger gar nicht wahrnahm, denn sie waren komplett zur Straße gedreht. Aus meiner Sicht hatte ich gar keine Chance, wahrzunehmen, dass da überhaupt etwas stand - ungefähr in der Mitte vons Janze hatte ich geparkt und bin dann schnell ins Büro gestöckelt. Jetzt machte ich erstmal erbost Beweisfotos, vor allem davon, dass außer dem Flattern das Bandes keine weiteren Aktivitäten festzustellen waren, bei denen mein Auto im Weg gestanden hätte.
Ich rief die Polizei an, wo denn mein Wagen stünde. Taxi rangewunken, hingefahren. Ich steige in mein Auto, wende und will nun endlich zur Beschaffung des Ostergeschenks schreiten. Kommt mir die Polizei entgegen, drängt mich zur Seite, zwingt mich zum halten. "Gute Frau, das ist eine Einbahnstraße. Bitte mal die Fahrzeugpapiere."
Verdammt teues Vergnügen, dieser Tag. Ich habe zwar nicht vor, das abschleppen zu bezahlen, denn Gottseidank las ich erst kürzlich in der Zeitung, dass die Berliner Verwaltung nicht mehr hinterher komme mit dem Einziehen von Bußgeldern, weshalb die Verfahren entnervt eingestellt werden. Mal sehen, wie ich der blöden Abschleppfirma klar mache, dass die ihre Schilder äußerst sparsam und zudem so gut wie unsichtbar aufgestellt hat. Ich habe jetzt an fünf Wochenenden alle 86 Folgen von den Sopranos geguckt, ich bin mit allen Wassern gewaschen. Zur Not rufe ich Scheiß Pauly an, der war vor seiner Karriere als Scheiß Pauly Berufsverbrecher und kann mir bestimmt weiterhelfen.
Ich also weiter zu dem Laden, finde einen Parkplatz direkt vor der Tür. Fahnde sicherheitshalber nach Verbotsschildern. Kaufe das Geschenk in nullkommanix, gehe zurück zum Auto, aber ich sehe es nicht mehr.
Es steht ein riesiger LKW in zweiter Reihe. Keine Werbung drauf, ich kann niemanden anrufen. "Nur die Ruhe" mantrasiere ich vor mich hin. Weit und breit niemand zu sehen. Ich warte. Dann kommt der LKW-Fahrer. "Ich bin gleich weg, ich muss nur noch diese Palette reinbringen." Ob er nicht fünf Meter vorfahren könne, ich habe es eilig. "Nee, das bringt mir nichts." Wo ist nur dieser Scheiß Pauly?
Zurück zum Büro, entscheide ich mich, die firmeneigene Tiefgarage zu nutzen, für die habe ich immer eine Zehnerkarte, benutze sie aber nur, wenn in der Nähe wirklich nix zu machen ist oder es in Strömen schüttet. Kurz vor der Einfahrt mache ich das kleine Handschuhfach auf, in dem die Parkkarte liegt.
Seit 10 Jahren liegt sie da. Jetzt ist sie weg. Where the fuck is Scheiß Pauly?
Ich schütte den ganzen Inhalt auf den Beifahrersitz. Dazu den Inhalt meiner Handtasche, sinnlos, nichts zu machen, die Karte bleibt verschwunden. Ich fahre wieder los, umkreise das Büro und fahre zurück in die Straße, in der ich zuvor abgeschleppt wurde.
Nur auf eins ist Verlass an diesem Tag: mein Parplatz-Karma.
Gegen 20 Uhr verlasse ich das Büro und kann mich wenigstens darüber freuen, dass ich den ganzen Scheiß schon am hellichten Tag durchgestanden habe.