Schon wieder in der Heimat. Diesmal aber ganz schlau: meine Gartenliege eingepackt, weil ich auf den Puppenstubensofas meiner Mutter Rücken kriege. Ich wär öfter dort, wenn's was zum rumlümmeln gäbe. So greine ich seit Jahr und Tag, vor allen an Weihnachten, wenn sich die heilige Familie zusammenfindet, eng gedrängt und geduckt, denn sie schafft es auch immer noch, eine kapitale Nordmanntanne in die Ecke zu quetschen.
In der kleinsten Hütte ist Raum, wenn man nur gut packen kann. Ich hab den Trumm von Liege tatsächlich in mein lüttes Auto bekommen und die 5. Staffel von Downton Abbey noch dazu. Mir war klar, dass ich Abends Erholung brauchen werde, denn die Gründe für meinen Besuch waren trauriger Natur. Mehrere Freundinnen trafen sich bei der einen, die im Kaff geblieben ist.
Ich habe ja schon ab und an erwähnt, dass ich vom sterben nichts halte. Ich prangere das an. Als ich klein war, gab es mal eine Raumschiff Enterprise Folge, die mich entrüstet hat: Besuch auf einem Planeten, auf dem niemand älter als 25 Jahre werden durfte. Wenn es soweit war, wurden die irgendwo hingeführt und dann mussten sie unter dubiosen Umständen sterben. Ich fand das eine Sauerei.
Bis mir klar wurde: auf meinem Heimatplaneten sieht die Sache nicht viel besser aus (Mal ganz abgesehen von dem göttlichen Kniff, dass man blind wird, wenn man direkt in den Stern guckt, der uns überhaupt am Leben hält). Nur weiß man hier nicht, wann es soweit ist. Ich halte es bis heute für eine der größten Grausamkeiten, zu wissen, wann und wie es geschehen wird. Dank Google und Freunden im Medizinbereich kann man sich eine umfassende Halbbildung anschaffen. Wir wissen einfach zu viel.
Jedenfalls schlenderten wir durch's Dorf bis zu einem lauschigem Garten Café. Dort berieten wir uns. Dass die Einschläge näher kommen. Und dass Altwerden wirklich beschissen ist. Das der Eltern und das eigene sowieso. Dass wir jetzt Zipperlein haben, bestenfalls. Dass es nicht mehr besser wird, allem Anschein nach. Dass da jetzt jemand zuhause sitzt und um sein Leben kämpft, obwohl er doch gerade noch mit 200 Sachen auf seinem Motorrad durch den Harz gekachelt ist. Und seine bekümmerte Frau, mit der war ich doch gestern noch im Steinbruch, um künstlerisch wertvolle Fotos in zweifelhaften Posen zu knipsen. Ich seh uns immer noch am See liegen und murmeln "Er guckt schon wieder rüber."
Und jetzt? Jetzt geht die andere mit der Mutter zum Arzt, weil sie im Hotel stundenlang umhergeirrt ist auf dem Weg vom Zimmer zum Speisesaal. Sie erkennt mich gerade noch mit Ach und Krach, klein und durchsichtig ist sie jetzt, dabei hat sie doch erst neulich auf der Hochzeit ihrer Tochter getanzt, in ihrem Leopardenjäckchen.
Auf der Rückfahrt nach Berlin hörte ich die Hörbar Rust, weil ich grundsätzlich nur Radio 1 höre und da wurde ein Lied von Tom Waits gespielt und dann musste ich ein bißchen weinen. Weil nichts bleibt wie es ist.
Montag, 28. September 2015
Dienstag, 22. September 2015
Der tollste Mann der Welt
Alles fing damit an, dass ich einen Schönheitstag einlegte
Ich stand im Bad und legte mir eine Maske auf, die mich binnen kurzem in einen früheren Zustand wiederherstellen sollte. Ich sah aber nur ungefähr eine halbe Stunde jünger aus. Ich salbte mich, setzte dieses und jenes instand - was man so tut, wenn man im Selbstfürsorgemodus ist.
Am nächsten Tag wachte ich auf und fühlte mich komisch. Mein Gesicht fühlte sich komisch. Es juckte. Am Hals, am Kinn, an den Augen, hm. Nicht schön. Ich fuhr ins Büro, wichtiger Termin. Hatte schon so ein blödes Gefühl. Irgendwas würde schief gehen, das spürte ich genau. Als ich ankam, war noch nichts aufgebaut. Die "musikalische Begleitung" war eine halbe Stunde vor Beginn noch nicht da. Der Festredner kam erst 5 Minuten vor Beginn. Ein wichtiges Untensil fehlte, es musste mit dem Taxi herbeigeschafft werden. Wenn das nicht geklappt hätte, könnte ich jetzt mit viel Freizeit um mich werfen.
Am Ende lief es doch gut. Entspanntes ausklingen lassen, was trinken, was essen. Ich unauffällig die Hand am Hals, sanftes drüberstreichen, es juckte wie verrückt und ich fühlte mich fiebrig.
Plötzlich brach die Hölle los
Cheffe bekam aus dem Nichts einen Hassanfall auf mich. Brüllte mich an vor all den Leuten. Zunächst dachten wir alle, er macht Scherze. Dann merkten wir, der meint das ernst. Ich erstarrte zur Salzsäule. Einer machte "Hey, hey!" und trat einen Schritt zurück. Der andere schwieg peinlich berührt. Eine Frau verwickelte mich in ein idiotisches Gespräch, um weitestgehend Normalität herzustellen.
Ich fuhr nach Hause und legte mich um 20 Uhr ins Bett. Mein Gesicht drehte vollends durch. Legte mir feuchte Tücher auf. Wachte am nächsten Morgen auf, inzwischen zu einem roten Ballon aufgequollen, die Augen bekam ich kaum auf. Juckreiz unerträglich. Ich brach mit meiner Tradition, nie zum Arzt zu gehen und begab mich umgehend in eine Praxis, weil ich mir einbildete, meine Zunge würde anschwellen. Kurz vorm ersticken geh selbst ich zum Arzt. Cortison Tablette eingeworfen, nach 20 Minuten setzte die Wirkung ein. Zu 70% geheilt, der Rest ist auszuhalten.
Im Büro die Tür geschlossen gehalten, bis Cheffe kam und fragte, wie es mir geht. Ich gab knapp Auskunft, beschloss aber, den Vorfall nicht anzusprechen. Er beschloss dasselbe. Hat eh kein Zweck, dann entschuldigt er sich halbherzig, versucht mir eine Mitschuld unterzujubeln und ein paar Wochen später kühlt er wieder sein Mütchen an mir.
Dann passierte ein Wunder
Ich bekam einen Anruf. Von dem Mann, der "Hey, hey" gesagt hatte. Ein ziemlich hohes Tier. Weitaus wichtiger als Cheffe. Ich habe keine Ahnung, wie der überhaupt an meine Nummer gekommen ist. Beziehungsweise, dass er meinen Namen kennt (mit dem kommt man dann schon an meine Nummer).
Er wolle mir etwas sagen, und zwar, dass er sich Cheffe noch zur Brust genommen hat, nachdem ich weg war. Was denn "diese miese Nummer" sein sollte, und ob er schon mal etwas von "gutem Führungsstil" gehört habe. Weshalb er nicht aufgehört habe, "nachzutreten". Dass das ein ganz schlechtes Licht auf ihn werfe, vor allem, weil es keinen Anlass gegeben hätte, der so einen Ausbruch gerechtfertigt hätte.
Ich war sprachlos. Vor Glück und Dankbarkeit. Sämtliche Kindheitstraumata wurden auf einen Schlag geheilt.
Ist das nicht einfach sensationell?
Freitag, 18. September 2015
Nichtrauchen - ein Selbstversuch
Seit 13 Tagen bin ich Nichtraucherin. Im Grunde. Doch. Ja. Nein. Irgendwie schon. Ich bin auf einem guten Weg.
Irgendwann Mitte August: Die Auftragsmörderin teilt mit, dass sie Mitte September aufhört zu rauchen. "Ich mach mit! 15.9. ist Deadline." proklamiere ich ekstatisch. Wir sind stolz auf uns und wissen, diesmal werden wir es schaffen.
6.9. Ich beschließe vorzeitig, Nichtraucherin zu werden. Eine Stunde später werde ich krank. Ich nehme das als Zeichen. Eigentlich ist es ein Lattenzaun direkt vor meine Birne, was mir meine geplagte Lunge beschert.
7.9. Ich rauche nicht und geh zum Arzt, der schreibt mich krank. Ich leg mich hin und schlafe für eine ganze Weile ein.
8.9. Als ich mal kurz wach werde, informiere ich die Auftragsmörderin, dass ich schon früher aufgehört habe. Sie teilt mir mit, dass sie auch schon aufgehört habe. Wir sind sehr stolz auf uns. Planerfüllung vor der Zeit.
9.9. Ich rauche nicht. Herr Capitano wünscht mir guten Appetit. Damit spricht er ein heikles Thema an. Ich kann überhaupt nicht aufhören zu essen.
10.9. Immer noch rauchfrei. Ich fühle mich fantastisch. Herr Glumm kommentiert, dass der 15.9. ein einschneidendes Datum für ihn sei und dass der 15.9. vielleicht ja auch für mich ein wichtiges Datum wird. Er selbst habe an einem 31.12. das Rauchen aufgegeben. Der Druck wird größer. Wie kann ich das ignorieren? Mit Herrn Glumm am selben Tag ein einschneidendes Datum zu haben? Ich fange spontan an, wieder zu rauchen und am 15.9. den Sack endgültig zu zu machen.
11.9. Ich habe einiges nachzuholen und rauche wie verrückt. Verrückt vor allem, weil ich schlimmen Husten und Schnupfen habe. Aber daran ist nur Herr Glumm schuld. Ich bin auch nur eine Frau. Nennt mir eine, die dieser Verlockung hätte widerstehen können. Ein gemeinsames einschneidendes Datum, hallo?
12.9. Exzessives rauchen den ganzen Tag bis in die Nacht. Ich habe natürlich auch viel Zeit, weil ich nicht ins Büro muss. Man sollte nicht aufhören zu rauchen, wenn man keiner sinnvollen Beschäftigung nachgeht. Das war eine wirklich bekloppte Idee. Das Scheitern war im Grunde vorprogrammiert.
13.9. Nachricht an die Auftragsmörderin, dass ich eingeknickt bin. Sie antwortet, dass sie heute schon den ganzen Tag nicht geraucht hat, bis auf eben. Wir einigen uns wieder auf den ursprünglichen Termin. Ich rauche Kette. Noch zwei Tage Karenzzeit.
14.9. Endlich wieder ins Büro. Abends hole ich mir schnell noch eine Schachtel und beschließe, dass ich sie aufrauchen muss, damit morgen, am 15.9. nichts mehr im Haus ist. Ich gebe alles, aber ich schaffe es nicht. 5 bleiben übrig.
15.9. Der große Tag. Ich beschließe, dass es der letzte Tag ist, an dem ich noch rauchen kann. Die Auftragsmörderin und ich haben das nie so genau definiert. Ist es der erste Tag ohne Zigaretten oder der letzte Tag mit Zigaretten? Ich rauche die 5 Zigaretten und hole mir abends noch eine Schachtel, denn heute ist der letzte Tag, an dem ich noch rauchen darf.
16.9. Ich habe wieder ein paar übrig. Ich kann sie nicht wegschmeißen. Beschließe, dass sie beruhigende Wirkung haben. Für den Fall, ist es gut, was im Haus zu haben. Wenn gar nichts da ist, ist es schlimmer. Besser ist, zu wissen, ich könnte, wenn ich wollte. Am Abend rauche ich die Beruhigungszigaretten. Immerhin sind es die einzigen 4 an diesem Tag, was in meinem Fall dem Nichtrauchen sehr nahe kommt. Bin schon ganz schön stolz. Auch wenn es mit dem Glummschen einschneidenden Datum jetzt nichts geworden ist, aber der 31.12. ginge ja auch noch.
17.9. Ich wache auf, nichts im Haus. Ich fahre gleichmütig ins Büro. Denke, wie toll wäre es, wenn ich jeden Tag nur fünf Zigaretten rauchen würde. Wenn ich wieder zu einer Genussraucherin werden könnte. Nur dann rauche, wenn ich wirklich will. Nicht nebenbei, nicht nebenher, nicht ohne Grund. Und nicht vor 18 Uhr. Auf dem Nachhauseweg beschließe ich, dass ich es für den Anfang als Genussraucherin versuche. Dafür brauche ich natürlich Zigaretten. Ich kaufe eine Schachtel und rauche mit Genuss 11 Stück.
18.9. Ich rauche mit Genuss die restlichen 9 Zigaretten, über den Tag und Abend verteilt ist das ja so gut wie nichts. Im Schnitt alle zwei Stunden eine. Wenn ich sie über den Tag verteilt geraucht hätte. Ich will ja ehrlich sein. Selbstbetrug sieht mir gar nicht ähnlich. Ab 17 Uhr. Anderthalb pro Stunde. Das ist doch... immer noch ein guter Schnitt. Jetzt sind wieder keine da. Und ich habe mir keine neuen besorgt. Was vielleicht daran liegen mag, dass hier nicht mal mehr eine Tanke offen ist.
Ich finde, das hört sich doch alles recht vielversprechend an.
Eine Chronik
Irgendwann Mitte August: Die Auftragsmörderin teilt mit, dass sie Mitte September aufhört zu rauchen. "Ich mach mit! 15.9. ist Deadline." proklamiere ich ekstatisch. Wir sind stolz auf uns und wissen, diesmal werden wir es schaffen.
6.9. Ich beschließe vorzeitig, Nichtraucherin zu werden. Eine Stunde später werde ich krank. Ich nehme das als Zeichen. Eigentlich ist es ein Lattenzaun direkt vor meine Birne, was mir meine geplagte Lunge beschert.
7.9. Ich rauche nicht und geh zum Arzt, der schreibt mich krank. Ich leg mich hin und schlafe für eine ganze Weile ein.
8.9. Als ich mal kurz wach werde, informiere ich die Auftragsmörderin, dass ich schon früher aufgehört habe. Sie teilt mir mit, dass sie auch schon aufgehört habe. Wir sind sehr stolz auf uns. Planerfüllung vor der Zeit.
9.9. Ich rauche nicht. Herr Capitano wünscht mir guten Appetit. Damit spricht er ein heikles Thema an. Ich kann überhaupt nicht aufhören zu essen.
10.9. Immer noch rauchfrei. Ich fühle mich fantastisch. Herr Glumm kommentiert, dass der 15.9. ein einschneidendes Datum für ihn sei und dass der 15.9. vielleicht ja auch für mich ein wichtiges Datum wird. Er selbst habe an einem 31.12. das Rauchen aufgegeben. Der Druck wird größer. Wie kann ich das ignorieren? Mit Herrn Glumm am selben Tag ein einschneidendes Datum zu haben? Ich fange spontan an, wieder zu rauchen und am 15.9. den Sack endgültig zu zu machen.
11.9. Ich habe einiges nachzuholen und rauche wie verrückt. Verrückt vor allem, weil ich schlimmen Husten und Schnupfen habe. Aber daran ist nur Herr Glumm schuld. Ich bin auch nur eine Frau. Nennt mir eine, die dieser Verlockung hätte widerstehen können. Ein gemeinsames einschneidendes Datum, hallo?
12.9. Exzessives rauchen den ganzen Tag bis in die Nacht. Ich habe natürlich auch viel Zeit, weil ich nicht ins Büro muss. Man sollte nicht aufhören zu rauchen, wenn man keiner sinnvollen Beschäftigung nachgeht. Das war eine wirklich bekloppte Idee. Das Scheitern war im Grunde vorprogrammiert.
13.9. Nachricht an die Auftragsmörderin, dass ich eingeknickt bin. Sie antwortet, dass sie heute schon den ganzen Tag nicht geraucht hat, bis auf eben. Wir einigen uns wieder auf den ursprünglichen Termin. Ich rauche Kette. Noch zwei Tage Karenzzeit.
14.9. Endlich wieder ins Büro. Abends hole ich mir schnell noch eine Schachtel und beschließe, dass ich sie aufrauchen muss, damit morgen, am 15.9. nichts mehr im Haus ist. Ich gebe alles, aber ich schaffe es nicht. 5 bleiben übrig.
15.9. Der große Tag. Ich beschließe, dass es der letzte Tag ist, an dem ich noch rauchen kann. Die Auftragsmörderin und ich haben das nie so genau definiert. Ist es der erste Tag ohne Zigaretten oder der letzte Tag mit Zigaretten? Ich rauche die 5 Zigaretten und hole mir abends noch eine Schachtel, denn heute ist der letzte Tag, an dem ich noch rauchen darf.
16.9. Ich habe wieder ein paar übrig. Ich kann sie nicht wegschmeißen. Beschließe, dass sie beruhigende Wirkung haben. Für den Fall, ist es gut, was im Haus zu haben. Wenn gar nichts da ist, ist es schlimmer. Besser ist, zu wissen, ich könnte, wenn ich wollte. Am Abend rauche ich die Beruhigungszigaretten. Immerhin sind es die einzigen 4 an diesem Tag, was in meinem Fall dem Nichtrauchen sehr nahe kommt. Bin schon ganz schön stolz. Auch wenn es mit dem Glummschen einschneidenden Datum jetzt nichts geworden ist, aber der 31.12. ginge ja auch noch.
17.9. Ich wache auf, nichts im Haus. Ich fahre gleichmütig ins Büro. Denke, wie toll wäre es, wenn ich jeden Tag nur fünf Zigaretten rauchen würde. Wenn ich wieder zu einer Genussraucherin werden könnte. Nur dann rauche, wenn ich wirklich will. Nicht nebenbei, nicht nebenher, nicht ohne Grund. Und nicht vor 18 Uhr. Auf dem Nachhauseweg beschließe ich, dass ich es für den Anfang als Genussraucherin versuche. Dafür brauche ich natürlich Zigaretten. Ich kaufe eine Schachtel und rauche mit Genuss 11 Stück.
18.9. Ich rauche mit Genuss die restlichen 9 Zigaretten, über den Tag und Abend verteilt ist das ja so gut wie nichts. Im Schnitt alle zwei Stunden eine. Wenn ich sie über den Tag verteilt geraucht hätte. Ich will ja ehrlich sein. Selbstbetrug sieht mir gar nicht ähnlich. Ab 17 Uhr. Anderthalb pro Stunde. Das ist doch... immer noch ein guter Schnitt. Jetzt sind wieder keine da. Und ich habe mir keine neuen besorgt. Was vielleicht daran liegen mag, dass hier nicht mal mehr eine Tanke offen ist.
Ich finde, das hört sich doch alles recht vielversprechend an.
Mittwoch, 16. September 2015
Aus der Hölle direkt vor mein Büro
Das Schlimmste an Cheffe - und es gibt viel Schlimmes an ihm - ist sein Denunzianten-Gen. Er lässt keine Gelegenheit aus, andere in maximal schlechtem Licht dastehen zu lassen und in aller Öffentlichkeit ans Knie zu pissen. Dabei ist ihm egal, ob er sich inner- oder außerhalb seiner Gehaltsgruppe bewegt. Er tritt nach oben wie nach unten.
Es wäre so schön, wenn ich mich emotional nicht so herausgefordert fühlen würde. Verachtung ist ein starkes Gefühl, vor allem, wenn man es unterdrücken muss. Das ist anstrengend und wird von meinem Gehalt nicht abgedeckt.
Letzte Woche ist was schief gegangen, klar, wer der Schuldige ist. Cheffe wittert sofort eine Chance, jemand ganz anderen dafür bluten zu lassen. Er erzählt mir, was er vor hat, ganz berauscht ist er von sich. Ich seh ihn mit undurchdringlicher Miene an und wenn er mich auch nur ein bisschen kennen würde, wüsste er, das ist ein Alarmzeichen. Normalerweise habe ich eine bewegliche Mimik und schau freundlich in die Welt.
Mittlerweile bin ich mir sicher, dass er sehr wohl weiß, dass ich ihm an die Gurgel will, aber zu irgendwas müssen Abhängigkeitsverhältnisse eben gut sein: er weiß, was ich denke und auch, dass ich nichts sagen werde (können, wegen Armut). Weil so verrückt kann niemand sein, zu denken, in mir eine loyale Gesprächspartnerin zu haben, die darauf wartet, irgendwelche Drecksstrategien vorgetragen zu bekommen. Oder doch? Geht Verrücktheit so weit?
Jeden Tag bringt er mich mindestens dreimal so weit, alles überzuschreien oder noch schlimmer, zu Obercheffe zu gehen und selber zur Denunziantin zu werden. Das engste Umfeld wünscht sich das seit Monaten von mir. Allein, ich bin nicht doof: der Verrat wird geliebt, aber nicht der Verräter. Selbst wenn es mir gelänge.... wären von da an auch meine Tage gezählt. Aber ich phantasiere oft, wie ich auspacke.
Heute erzählt er mir stolz, wie gut sein Plan geklappt hat. Er wirkt ausgeglichen.
Mal eben so jemanden abgeschossen, without reason, just for fun.
Es wäre so schön, wenn ich mich emotional nicht so herausgefordert fühlen würde. Verachtung ist ein starkes Gefühl, vor allem, wenn man es unterdrücken muss. Das ist anstrengend und wird von meinem Gehalt nicht abgedeckt.
Letzte Woche ist was schief gegangen, klar, wer der Schuldige ist. Cheffe wittert sofort eine Chance, jemand ganz anderen dafür bluten zu lassen. Er erzählt mir, was er vor hat, ganz berauscht ist er von sich. Ich seh ihn mit undurchdringlicher Miene an und wenn er mich auch nur ein bisschen kennen würde, wüsste er, das ist ein Alarmzeichen. Normalerweise habe ich eine bewegliche Mimik und schau freundlich in die Welt.
Mittlerweile bin ich mir sicher, dass er sehr wohl weiß, dass ich ihm an die Gurgel will, aber zu irgendwas müssen Abhängigkeitsverhältnisse eben gut sein: er weiß, was ich denke und auch, dass ich nichts sagen werde (können, wegen Armut). Weil so verrückt kann niemand sein, zu denken, in mir eine loyale Gesprächspartnerin zu haben, die darauf wartet, irgendwelche Drecksstrategien vorgetragen zu bekommen. Oder doch? Geht Verrücktheit so weit?
Jeden Tag bringt er mich mindestens dreimal so weit, alles überzuschreien oder noch schlimmer, zu Obercheffe zu gehen und selber zur Denunziantin zu werden. Das engste Umfeld wünscht sich das seit Monaten von mir. Allein, ich bin nicht doof: der Verrat wird geliebt, aber nicht der Verräter. Selbst wenn es mir gelänge.... wären von da an auch meine Tage gezählt. Aber ich phantasiere oft, wie ich auspacke.
Heute erzählt er mir stolz, wie gut sein Plan geklappt hat. Er wirkt ausgeglichen.
Mal eben so jemanden abgeschossen, without reason, just for fun.
Samstag, 12. September 2015
Föhnen gefährdet die Gesundheit
Jedenfalls kurz vor Verlassen meiner Wohnung machte ich eine harmlose Bewegung beim Haareföhnen - da machte es wieder zong im unteren Lendenwirbelbereich und ich war noch hilfloser als neulich über dem Mülleimer. Ich saß nämlich auf der Kloschüssel, der geschlossenen wohlgemerkt.
Und wer will das schon? Aber das nur nebenbei. Jedenfalls im sitzen einen Hexenschuss zu bekommen ist noch schlimmer als im stehen. Weil das sitzen den Schmerz in Sekundenschnelle in elliptische Höhen treibt. Es wird immer schlimmer, aber man kommt nicht hoch. Man kann nicht mal mehr den Föhn halten, der dann auch auf die Fliesen krachte, war mir aber egal.
Ich sah bereits ein weißes Licht, aber kurz vor dem Exitus schaffte ich es, irgendwie aufzustehen. Ich fummelte ein ABC Pflaster aus der Hülle und freute mich auf den Ablenkungsschmerz. Leider hatte ich mich versehentlich mit der sensitiven Variante bevorratet. Aus Erfahrung wusste ich, dass ich mich bewegen muss, damit es besser wird und außerdem wollte ich heute sowieso zurück ins Leben.
Eine weitere Staffel von Shameless würde ich nicht mehr ertragen, wegen meiner niederschwelligen Ekelgrenze und weil ich nach einer Woche mit William Macy kurz davor bin, rauchen für eine sinnvolle Gesundheitsmaßnahme zu halten.
Der Tag wurde dann doch noch ganz schön, als Ablenkung habe ich Sonnenbrand, wenn nicht sogar einen Hitzschlag. Ich futterte und trank mich durch halb Steglitz, Termine über Termine, erwähnte ich ja. Bloß nicht husten oder lachen. Tut echt weh.
Mittwoch, 9. September 2015
Mein wunderbares Liebesleben
Auch ich bin seit sechs Wochen in einem beruflichen Netzwerk angemeldet, wie stets allen Trends 10 Jahre hinterher. Ganz ohne Netiquette habe ich mal jeden ohne weitere Ansprache "hinzugefügt", den ich kenne und mag. Einige bestätigen nicht nur kommentarlos, sondern schreiben sehr nette Zeilen zurück, da wird mir klar, so hau ruck macht man das wohl nicht. Zu spät.
Einen habe ich nicht hinzugefügt. Für den habe ich eine Schwäche. Da traue ich mich nicht. Will nicht aufdringlich sein. Das hat neben meiner üblichen Strategie, den zu ignorieren, den ich gut finde, noch einen anderen handfesten Grund: ich könnte praktisch seine Mutter sein. Da will ich mich nun überhaupt nicht verdächtig machen. Ich muss mich auf meine alten Tage nicht noch lächerlich machen. So eine kleine Schwäche tut keinem weh, solange niemand davon weiß. Und das wird niemand erfahren.
Naja, ein paar Tage vergehen, es werden immer mehr Kontakte, ich werde nun auch von anderen hinzugefügt, ich find das ganz nett, wenn auch sinnlos: nun wissen meine Kollegen und entfernteren beruflichen Kontakte, was ich so mache, aber das wussten die vorher auch schon. Anyway, ihn füge ich dann doch hinzu.
Tja, keine Bestätigung. Hm. Nun ja. Jetzt denkt der, ich stalke ihn. Wie peinlich. Wochen vergehen, ich vergesse meine Schmach.
Letzte Woche Betriebsausflug. Ich tanze bis spät in die Nacht, sogar mit Cheffe, amüsiere mich bestens, flirte mit allen, die mir wurscht sind, ihn ignoriere ich wie üblich. Er bemerkt nicht mal, dass ich da bin. Wozu auch, eine Mutter hat er ja schon. Hat alles seine Richtigkeit. Als das Licht angeht, verschwinde ich schnell; wenn's am schönsten ist, soll man gehen.
Als ich am nächsten Morgen aufwache, sehe ich, dass er meine Anfrage um 4.31 Uhr bestätigt hat.
Mein persönliches Highlight in 2015.
Einen habe ich nicht hinzugefügt. Für den habe ich eine Schwäche. Da traue ich mich nicht. Will nicht aufdringlich sein. Das hat neben meiner üblichen Strategie, den zu ignorieren, den ich gut finde, noch einen anderen handfesten Grund: ich könnte praktisch seine Mutter sein. Da will ich mich nun überhaupt nicht verdächtig machen. Ich muss mich auf meine alten Tage nicht noch lächerlich machen. So eine kleine Schwäche tut keinem weh, solange niemand davon weiß. Und das wird niemand erfahren.
Naja, ein paar Tage vergehen, es werden immer mehr Kontakte, ich werde nun auch von anderen hinzugefügt, ich find das ganz nett, wenn auch sinnlos: nun wissen meine Kollegen und entfernteren beruflichen Kontakte, was ich so mache, aber das wussten die vorher auch schon. Anyway, ihn füge ich dann doch hinzu.
Tja, keine Bestätigung. Hm. Nun ja. Jetzt denkt der, ich stalke ihn. Wie peinlich. Wochen vergehen, ich vergesse meine Schmach.
Letzte Woche Betriebsausflug. Ich tanze bis spät in die Nacht, sogar mit Cheffe, amüsiere mich bestens, flirte mit allen, die mir wurscht sind, ihn ignoriere ich wie üblich. Er bemerkt nicht mal, dass ich da bin. Wozu auch, eine Mutter hat er ja schon. Hat alles seine Richtigkeit. Als das Licht angeht, verschwinde ich schnell; wenn's am schönsten ist, soll man gehen.
Als ich am nächsten Morgen aufwache, sehe ich, dass er meine Anfrage um 4.31 Uhr bestätigt hat.
Mein persönliches Highlight in 2015.
Dienstag, 8. September 2015
Nichtraucherin. Hungrig.
Am Sonntag gegen 13 Uhr nehme ich die letzte Zigarette aus der Schachtel, muss dringend Nachschub besorgen. Ich habe vor, am 15.9. mit dem rauchen aufzuhören. Zusammen mit einer Freundin. Dabei weiß ich, dass dieses komm, wir hören zusammen auf, nehmen zusammen ab, laufen zusammen durch den Wald in meiner Welt nicht funktioniert. So bin ich nicht konstruiert.
Also denke ich, während ich die Zigarette nachdenklich zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her rolle, sie aus der Nähe betrachte, dass es mir am 15.9. genau so schwer fallen wird wie an jedem anderen Tag, warum also nicht gleich, sofort, unverzüglich aufhören? Jetzt, wo ich noch die Wahl habe. Und nicht wie ein Kollege, 'Lungenkrebs, inoperabel, noch zwei Monate'. Der hat keine Wahl mehr. Und die Wahl haben ist immer das ultimative Symptom von Gesundheit, nur dass man sich dessen nie bewusst ist und erst kapiert, dass man eine hatte, wenn es zu spät ist.
Ich kaufe spontan keinen Nachschub.
Eine Stunde später werde ich krank. Aus dem Nichts. Dabei bin ich jetzt Nichtraucherin. Von Null auf Hundert. Bronchitis. Husten ist das nicht. Das wäre eine unzulässige Untertreibung. Jeder Atemzug ist eine Qual, husten geht gar nicht ohne Vollnarkose. Whow, denke ich, mein Körper unterstützt mich in meinem Kampf gegen das Rauchen. Ich muss mich wohl bei ihm bedanken.
Ab 15 Uhr bin ich eine hilflose Person mit 38 Grad Fieber. Ich schlafe ganz viel und ganz tief. Tag und Nacht. Finde ich sehr gut. Nach jedem meiner Schläfchen wache ich langhingestreckt auf dem Rücken auf, tiefenentspannt, klappe die Augen auf, habe weder Kopf- noch Rückenschmerzen von der vielen Liegerei, nein, es ist genau das, was mein Körper jetzt will und bekommt. Eine ganz selbstgenügsame Phase ist das jedes Mal, Tag 2 und 3 einer Grippe. Wenn mein Leben doch nur immer so sein könnte. Also diese Grundstimmung der Bedürfnislosigkeit AUßER nach Tiefschlaf - selig, selig.
Aber ich bin jetzt wach und sitze am Rechner und schreibe das hier, die Schlafphase ist wohl vorbei. Oder wird abgelöst vom Nikotin Entzug. Ich entwickle für eine Fiebernde nämlich ungewöhnlich großen Appetit. Das kommt von der Nichtraucherei. Zweieinhalb Tage schon. Ich bin eine Heldin. Was ich jetzt schon allein an Geld gespart habe.
to be continued
Also denke ich, während ich die Zigarette nachdenklich zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her rolle, sie aus der Nähe betrachte, dass es mir am 15.9. genau so schwer fallen wird wie an jedem anderen Tag, warum also nicht gleich, sofort, unverzüglich aufhören? Jetzt, wo ich noch die Wahl habe. Und nicht wie ein Kollege, 'Lungenkrebs, inoperabel, noch zwei Monate'. Der hat keine Wahl mehr. Und die Wahl haben ist immer das ultimative Symptom von Gesundheit, nur dass man sich dessen nie bewusst ist und erst kapiert, dass man eine hatte, wenn es zu spät ist.
Ich kaufe spontan keinen Nachschub.
Eine Stunde später werde ich krank. Aus dem Nichts. Dabei bin ich jetzt Nichtraucherin. Von Null auf Hundert. Bronchitis. Husten ist das nicht. Das wäre eine unzulässige Untertreibung. Jeder Atemzug ist eine Qual, husten geht gar nicht ohne Vollnarkose. Whow, denke ich, mein Körper unterstützt mich in meinem Kampf gegen das Rauchen. Ich muss mich wohl bei ihm bedanken.
Ab 15 Uhr bin ich eine hilflose Person mit 38 Grad Fieber. Ich schlafe ganz viel und ganz tief. Tag und Nacht. Finde ich sehr gut. Nach jedem meiner Schläfchen wache ich langhingestreckt auf dem Rücken auf, tiefenentspannt, klappe die Augen auf, habe weder Kopf- noch Rückenschmerzen von der vielen Liegerei, nein, es ist genau das, was mein Körper jetzt will und bekommt. Eine ganz selbstgenügsame Phase ist das jedes Mal, Tag 2 und 3 einer Grippe. Wenn mein Leben doch nur immer so sein könnte. Also diese Grundstimmung der Bedürfnislosigkeit AUßER nach Tiefschlaf - selig, selig.
Aber ich bin jetzt wach und sitze am Rechner und schreibe das hier, die Schlafphase ist wohl vorbei. Oder wird abgelöst vom Nikotin Entzug. Ich entwickle für eine Fiebernde nämlich ungewöhnlich großen Appetit. Das kommt von der Nichtraucherei. Zweieinhalb Tage schon. Ich bin eine Heldin. Was ich jetzt schon allein an Geld gespart habe.
to be continued
Donnerstag, 3. September 2015
Spinnen Content, die Zweite
Bei mir stinkt's. So'n leicht muffiger Geruch empfängt mich, wenn ich die Wohnungstür aufschließe. Das liegt daran, dass ich keine Fenster mehr öffne und auch nicht die Balkontür, wegen meiner posttraumatischen Belastungsstörung. Das ist schwer für mich, denn ich bin sehr für Frischluft. Aber Sicherheit geht vor. Denn es ist schon wieder passiert.
Das nimmt überhand. Jetzt haben die auch schon Muster. Und sind echte Überlebenskünstler. Nach zwei Tagen unter dem Glas war die immer noch puppenmunter. Jeden Morgen rannte ich panisch zum Glas und war froh, dass sie es nicht geschafft hatte, sich zu befreien. Das war mir zu belastend. Ich trug sie deshalb doch nach draußen, 100 Meter weit weg, damit sie bloß nicht den Weg zurück findet.
Eigentlich sollte sie bei mir sterben, damit sie nicht noch Babies bekommt. Aber mir ist nur die passive Sterbehilfe gegeben und noch eine Nacht länger mit ihr unter einem Dach hätte ich nicht verkraftet. Ich erhole mich nur langsam.
Das nimmt überhand. Jetzt haben die auch schon Muster. Und sind echte Überlebenskünstler. Nach zwei Tagen unter dem Glas war die immer noch puppenmunter. Jeden Morgen rannte ich panisch zum Glas und war froh, dass sie es nicht geschafft hatte, sich zu befreien. Das war mir zu belastend. Ich trug sie deshalb doch nach draußen, 100 Meter weit weg, damit sie bloß nicht den Weg zurück findet.
Eigentlich sollte sie bei mir sterben, damit sie nicht noch Babies bekommt. Aber mir ist nur die passive Sterbehilfe gegeben und noch eine Nacht länger mit ihr unter einem Dach hätte ich nicht verkraftet. Ich erhole mich nur langsam.
Mittwoch, 2. September 2015
Mama liest mit
Hab neulich ein Diensthandy bekommen und zwang meiner Mutter mein altes Smartphone auf. Der Vertrag läuft noch über ein Jahr und als älteste und dominanteste Tochter bin ich immer darauf bedacht, dass meine Mutter nicht vor der Zeit einrostet. 73 Jahre ist definitv jung genug, sich der heutigen Technik zu stellen. Sie lebt sicher noch dreißig Jahre und da kann es nicht angehen, dass sie für alle Zeiten auf ihrem alten Nokia herumtippt.
Wobei... Das hat sie eigentlich nie getan, ja, wir mussten sie jahrelang ermutigen, das Ding überhaupt anzulassen. Unvergessen der eisige Winter, als sie sich mit dem Fernbus zu Weihnachten nach Berlin aufmachte. Wir beschworen sie, das Handy nicht auszuschalten, weil wir uns so auf dem Laufenden halten konnten, in welchem Bundesland sie sich gerade befindet. Meine Schwester wollte ihr an der Haltestelle in ihrer Stadt noch ein paar Geschenke für uns mitgeben.
Eine Stunde nach offizieller Abfahrt rief ich sie an, Handy ausgeschaltet. Verdammt, dachte ich, wir haben ihr doch eingebleut, es auf keinen Fall... Eine weitere Stunde später rief meine Schwester an, die mittlerweile mit Erfrierungen an den Extremitäten auf den Bus wartete. Alle Anrufe bei meiner Mutter zwecklos, konsequent blieb das Handy ausgeschaltet. Sie stand also seit zwei Stunden an der Straße und wartete auf den Bus, vermutlich eher drei Stunden, denn sie ist immer lieber etwas früher da, soweit war uns das klar.
Nach drei Stunden wurde meine Schwester erlöst, die gleich nach Übergabe der Geschenke ins Krankenhaus fuhr, um sich die Beine amputieren zu lassen und sich anschließend zur Adoption anzubieten. Praktisch hatte meine Mutter zu dem Zeitpunkt gerade mal 30 Kilometer des Weges zurückgelegt. Gleich nach dem Bericht meiner Schwester rief ich meiner Mutter wieder an, um ihr zu sagen, dass sie kurz vor Berlin anrufen soll, damit ich weiß, wann ich losfahren muss. Ich wollte nicht dasselbe Schicksal wie meine Schwester erleiden und wochenlang am ZOB ausharren.
Ich wählte ihre Nummer: Handy ausgeschaltet. Ich bekam einen Schreikrampf. Und rief die nächsten Wochen alle Viertelstunden bei ihr an. Das Handy blieb stumm. Nach drei Jahren rief sie mich zurück. Sie flüsterte "Der Busfahrer hat gesagt, wir müssen die Handys ausschalten, weil er sich bei dem Geklingel nicht aufs Fahren konzentrieren kann.", ihr gehe es gut, nur ein bißchen durchgefroren, es dauere noch ca. zwei Stunden. "Mama, scheiß auf den Busfahrer, das Handy bleibt jetzt an, versprich mir das." - "Nein, das geht nicht, hat der Busfahrer verboten. Ich muss jetzt aufhören." Klack aufgelegt. Ich machte einen Probeanruf. Ausgeschaltet.
Meine Mutter hat einfach zuviel Respekt vor Respektspersonen. Und eine sehr weitgefasste Meinung, wer als Respektsperson einzuschätzen ist. Praktisch jeder erfüllt ihr geheimes Raster.
Nach fünf Jahren kam sie in Berlin an, ohne ein weiteres Mal angerufen zu haben. Ich wartete auf sie am ZOB, mit einer Lungenentzündung und unter Verlust mehrerer Gliedmaßen, die ich mir von einer Fachkraft direkt an Gleis 10 abnehmen ließ. Ins Krankenhaus fuhr ich nicht, sonst hätte ich meine Mutter verpasst.
Jedenfalls erkärte ich ihr bei meinem letzten Besuch, wie das Smartphone funktioniert. Wie sie Mails schreiben, Fotos machen, schicken und empfangen und wie sie googeln kann. Sie holte unauffällig die Papiere hervor, um mich (oder sich) ins Heim einzuweisen.Sie tippte auf dem alten Nokia "Helfen Sie mir, meine herrische Tochter zwingt mich...". Ich blieb unbeirrt, erklärte, dass sie ganz umsonst damit telefonieren kann, uns auch auf dem Handy anrufen kann und dass das überhaupt nichts kostet. Soweit ist sie jedoch noch nicht. Sie telefoniert mit dem Nokia. Aber sie schickt jetzt Selfies. An alle Töchter und Nichten. Wir sind begeistert. Sie hat's jetzt drauf.
Heute der Knaller. Ein Anruf auf meinem AB. "Ich hab dein Blog gelesen. Kind, ist dir immer noch schwindelig? Naja, wahrscheinlich nicht, bist ja nicht zuhause. Melde dich mal." Ich fass es nicht. Sie hat die Favoriten gefunden. Auf ihre Art ein Crack.
Wobei... Das hat sie eigentlich nie getan, ja, wir mussten sie jahrelang ermutigen, das Ding überhaupt anzulassen. Unvergessen der eisige Winter, als sie sich mit dem Fernbus zu Weihnachten nach Berlin aufmachte. Wir beschworen sie, das Handy nicht auszuschalten, weil wir uns so auf dem Laufenden halten konnten, in welchem Bundesland sie sich gerade befindet. Meine Schwester wollte ihr an der Haltestelle in ihrer Stadt noch ein paar Geschenke für uns mitgeben.
Eine Stunde nach offizieller Abfahrt rief ich sie an, Handy ausgeschaltet. Verdammt, dachte ich, wir haben ihr doch eingebleut, es auf keinen Fall... Eine weitere Stunde später rief meine Schwester an, die mittlerweile mit Erfrierungen an den Extremitäten auf den Bus wartete. Alle Anrufe bei meiner Mutter zwecklos, konsequent blieb das Handy ausgeschaltet. Sie stand also seit zwei Stunden an der Straße und wartete auf den Bus, vermutlich eher drei Stunden, denn sie ist immer lieber etwas früher da, soweit war uns das klar.
Nach drei Stunden wurde meine Schwester erlöst, die gleich nach Übergabe der Geschenke ins Krankenhaus fuhr, um sich die Beine amputieren zu lassen und sich anschließend zur Adoption anzubieten. Praktisch hatte meine Mutter zu dem Zeitpunkt gerade mal 30 Kilometer des Weges zurückgelegt. Gleich nach dem Bericht meiner Schwester rief ich meiner Mutter wieder an, um ihr zu sagen, dass sie kurz vor Berlin anrufen soll, damit ich weiß, wann ich losfahren muss. Ich wollte nicht dasselbe Schicksal wie meine Schwester erleiden und wochenlang am ZOB ausharren.
Ich wählte ihre Nummer: Handy ausgeschaltet. Ich bekam einen Schreikrampf. Und rief die nächsten Wochen alle Viertelstunden bei ihr an. Das Handy blieb stumm. Nach drei Jahren rief sie mich zurück. Sie flüsterte "Der Busfahrer hat gesagt, wir müssen die Handys ausschalten, weil er sich bei dem Geklingel nicht aufs Fahren konzentrieren kann.", ihr gehe es gut, nur ein bißchen durchgefroren, es dauere noch ca. zwei Stunden. "Mama, scheiß auf den Busfahrer, das Handy bleibt jetzt an, versprich mir das." - "Nein, das geht nicht, hat der Busfahrer verboten. Ich muss jetzt aufhören." Klack aufgelegt. Ich machte einen Probeanruf. Ausgeschaltet.
Meine Mutter hat einfach zuviel Respekt vor Respektspersonen. Und eine sehr weitgefasste Meinung, wer als Respektsperson einzuschätzen ist. Praktisch jeder erfüllt ihr geheimes Raster.
Nach fünf Jahren kam sie in Berlin an, ohne ein weiteres Mal angerufen zu haben. Ich wartete auf sie am ZOB, mit einer Lungenentzündung und unter Verlust mehrerer Gliedmaßen, die ich mir von einer Fachkraft direkt an Gleis 10 abnehmen ließ. Ins Krankenhaus fuhr ich nicht, sonst hätte ich meine Mutter verpasst.
Jedenfalls erkärte ich ihr bei meinem letzten Besuch, wie das Smartphone funktioniert. Wie sie Mails schreiben, Fotos machen, schicken und empfangen und wie sie googeln kann. Sie holte unauffällig die Papiere hervor, um mich (oder sich) ins Heim einzuweisen.Sie tippte auf dem alten Nokia "Helfen Sie mir, meine herrische Tochter zwingt mich...". Ich blieb unbeirrt, erklärte, dass sie ganz umsonst damit telefonieren kann, uns auch auf dem Handy anrufen kann und dass das überhaupt nichts kostet. Soweit ist sie jedoch noch nicht. Sie telefoniert mit dem Nokia. Aber sie schickt jetzt Selfies. An alle Töchter und Nichten. Wir sind begeistert. Sie hat's jetzt drauf.
Heute der Knaller. Ein Anruf auf meinem AB. "Ich hab dein Blog gelesen. Kind, ist dir immer noch schwindelig? Naja, wahrscheinlich nicht, bist ja nicht zuhause. Melde dich mal." Ich fass es nicht. Sie hat die Favoriten gefunden. Auf ihre Art ein Crack.
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