Nach langer Zeit mal wieder auf Hiddensee einquartiert. Früher gab’s hier jährlich heitere Reiseberichte und so sind wir voller Vorfreude in Schaprode auf die Fähre gegangen, auch wenn sie uns erstmalig weder nach Vitte noch nach Kloster brachte, sondern direkt nach Neuendorf. In Neuendorf ist nix los. Und mit nix meine ich nix. Viele mögen das, mir ist es wurscht. Hauptsache die Sonne scheint und die Leute sind nett.
Unser kleines Grüppchen lebte diesmal auch nicht unter einem Dach, sondern unter zweien. Ich hatte ein eigenes Etablissement, das im Gegensatz zu dem anderen der beiden Mitreisenden zwar „blitzsauber“ war, jedoch das Interieur aller Epochen des Gelsenkirchener Barocks nachempfunden war. Ohne W-Lan. Und die angepriesene Fußbodenheizung ging auch nicht, obwohl es herbstlich kalt und der Fliesenboden Grabeskälte verströmte.
Die Vermieterin selbst war eine Fürstin der Finsternis, die mich vom ersten Tag an aus nichtigsten Anlässen anbrüllte: wie ich darauf komme, das Haus schon zu betreten, ohne dass sie dabei sei (weil wir verabredet waren, es draußen schüttete und stürmte und ich lieber im Flur warten wollte), wie ich darauf komme, meine Wäsche zu waschen, das koste Strom und Wasser(mit Rei aus der Tube habe ich eine Leggins und ein Sweatshirt gewaschen und bat darum, diese auf der Wäscheleine zu trocknen – das Wetter war gräuslich kalt und ich hatte sonst nur Flatterkleidchen mit. Ich fing schon an zu müffeln) und natürlich: es kommen keine fremden Leute in mein Zimmer, dass das gleich klar ist. Ja, auf Hiddensee lasse ich prinzipiell fremde Leute aufs Zimmer. Warum auch immer.
Leiht man sich ein Rad, bekommt man eins mit loser Kette, losem Sattel und die Handbremsen funktionieren nicht. "Früher gab's auch keine Handbremsen" wird gekeift. Ja, sage ich, aber wenn das Rad nun welche hat, möchte ich schon, dass sie funktionieren.
Auch den Rest der Eingeborenen hatte die mehrjährige Pandemie jegliche Geschmeidigkeit ausgetrieben, die schon zuvor nur in homöopathischer Dosierung vorhanden gewesen ist, das muss hier ehrlicherweise erwähnt werden. Aber nun haben sie offenbar eine geheime Kommandosache im letzten Corona-Winter ausgeheckt: „Wie machen wir ein für alle Mal jeglichem Tourismus den Garaus?“ Und dann haben sie einen Maßnahmenplan erarbeitet sie sich für ein Apartheid-Regime entschieden.
Geht man um 8 Uhr in die Einkaufsquelle, herrscht dort bereits reger Betrieb und viele Menschen kommen mit frischen Brötchentüten raus. Möchte man selbst den Laden betreten, wird man mit harscher Stimme gestoppt: „Sie nicht! Der Laden hat erst um 8:30 Uhr geöffnet.“ Weist man auf all die Menschen hin, die den Laden bevölkern, wird gehässig erklärt, dass es sich um Hiddenseeer handelt, die zur Arbeit müssen.
Fährt man mit dem Inselbus, sieht man, dass die erste Sitzplatz-Reihe links und rechts hinter dem Busfahrer gesperrt ist. Auf der Rückfahrt sitzen im nun vollen Bus dann doch je eine Person dort. Ich frage:
„Ach, kann man sich jetzt doch hier hinsetzen?“
„Nee, Sie nicht. Nur Hiddenseeer. Da weiß ich wenigstens, von wem ich’s habe, wenn ich mir was weghole.“
Und dann werde ich nach hinten geschickt und muss stehen.
Die Preisgestaltung in den Restaurants, die teils am Freitag Ruhetag haben, teils nur noch drei Stunden am Tag geöffnet haben, jedoch keinesfalls länger als 19 Uhr, ist auch gewöhnungsbedürftig. Zwei arglos bestellte Ramazottis: 16 Euro. Und man fange bei der Essensbestellung um Himmels Willen nicht mit dem Gericht an. Man wolle doch wohl auf die richtige Reihenfolge achten: erst das Getränk!
Am Abfahrtstag stehen wir am Hafen, die Fähre soll uns um 12 Uhr zurück nach Schaprode bringen. Da wir um 10 Uhr unsere Quartiere verlassen müssen, sind wir schon eine Weile dem Sturm und Regen ausgesetzt, denn dort ist kein Unterstand. Es kommt eine Fähre um 11 Uhr und ich gehe hin, um zu fragen, ob wir auch mit dieser mitfahren können, auch wenn unsere Tickets erst für die um 12 Uhr gelten.
„Es fährt keine Fähre um 12 Uhr. Verschoben auf 13 Uhr. Und wir fahren jetzt erst nach Kloster und dann kommen wir wieder hierher und dann können Sie einsteigen.“
„Können wir nicht jetzt einsteigen? Wir zahlen natürlich auch.“
„Nö. Zahlen hätten Sie da am Häuschen gemusst und jetzt ham wa keine Zeit mehr auf Sie zu warten. Hätten Sie sich ja auch mal eher überlegen können.“
„Aber ich erfahre doch eben erst in dieser Sekunde, dass unsere Fähre ausfällt. Und wir frieren schon jetzt wie verrückt und müssen noch zwei weitere Stunden hier ausharren.“
„Und? Ist das mein Problem?“
Falls jemand eine vulgär zeternde, aus dem Ruder laufende Frau in Neuendorf am Hafen beobachtet hat: das war ich. Nie war ich einem Affektmord näher.
Hiddensee und ich sind fertig.
Mit einer Ausnahme:
https://www.facebook.com/KleinerPrinzHiddensee
Kleiner Prinz, Süderende 76, 18565 Vitte, schließt um 21 Uhr
Ein Restaurant, ach was sag ich: eine Oase, in der man wunderbar sitzen, essen und sich daran erfreuen kann, herzlich und freundlich bedient zu werden. Die Einrichtung labt das Auge, selbst bis in die Waschräume ist es liebevoll eingerichtet. Das Essen ist eine Wucht und hat erschwingliche Preise, das Personal trieb uns Tränen der Dankbarkeit ins Auge. Es war sooo schön, angelächelt zu werden.
Good luck to you!