Mittwoch, 27. Juli 2022

Hiddensee mon Amour. Nicht.

Nach langer Zeit mal wieder auf Hiddensee einquartiert. Früher gab’s hier jährlich heitere Reiseberichte und so sind wir voller Vorfreude in Schaprode auf die Fähre gegangen, auch wenn sie uns erstmalig weder nach Vitte noch nach Kloster brachte, sondern direkt nach Neuendorf. In Neuendorf ist nix los. Und mit nix meine ich nix. Viele mögen das, mir ist es wurscht. Hauptsache die Sonne scheint und die Leute sind nett.

  hiddensee neuendorf von de.wikipedia.org

Unser kleines Grüppchen lebte diesmal auch nicht unter einem Dach, sondern unter zweien. Ich hatte ein eigenes Etablissement, das im Gegensatz zu dem anderen der beiden Mitreisenden zwar „blitzsauber“ war, jedoch das Interieur aller Epochen des Gelsenkirchener Barocks nachempfunden war. Ohne W-Lan. Und die angepriesene Fußbodenheizung ging auch nicht, obwohl es herbstlich kalt und der Fliesenboden Grabeskälte verströmte.

Die Vermieterin selbst war eine Fürstin der Finsternis, die mich vom ersten Tag an aus nichtigsten Anlässen anbrüllte: wie ich darauf komme, das Haus schon zu betreten, ohne dass sie dabei sei (weil wir verabredet waren, es draußen schüttete und stürmte und ich lieber im Flur warten wollte), wie ich darauf komme, meine Wäsche zu waschen, das koste Strom und Wasser(mit Rei aus der Tube habe ich eine Leggins und ein Sweatshirt gewaschen und bat darum, diese auf der Wäscheleine zu trocknen – das Wetter war gräuslich kalt und ich hatte sonst nur Flatterkleidchen mit. Ich fing schon an zu müffeln) und natürlich: es kommen keine fremden Leute in mein Zimmer, dass das gleich klar ist. Ja, auf Hiddensee lasse ich prinzipiell fremde Leute aufs Zimmer. Warum auch immer.

Leiht man sich ein Rad, bekommt man eins mit loser Kette, losem Sattel und die Handbremsen funktionieren nicht.  "Früher gab's auch keine Handbremsen" wird gekeift. Ja, sage ich, aber wenn das Rad nun welche hat, möchte ich schon, dass sie funktionieren.

Auch den Rest der Eingeborenen hatte die mehrjährige Pandemie jegliche Geschmeidigkeit ausgetrieben, die schon zuvor nur in homöopathischer Dosierung vorhanden gewesen ist, das muss hier ehrlicherweise erwähnt werden. Aber nun haben sie offenbar eine geheime Kommandosache im letzten Corona-Winter ausgeheckt: „Wie machen wir ein für alle Mal jeglichem Tourismus den Garaus?“ Und dann haben sie einen Maßnahmenplan erarbeitet sie sich für ein Apartheid-Regime entschieden.

Geht man um 8 Uhr in die Einkaufsquelle, herrscht dort bereits reger Betrieb und viele Menschen kommen mit frischen Brötchentüten raus. Möchte man selbst den Laden betreten, wird man mit harscher Stimme gestoppt: „Sie nicht! Der Laden hat erst um 8:30 Uhr geöffnet.“ Weist man auf all die Menschen hin, die den Laden bevölkern, wird gehässig erklärt, dass es sich um Hiddenseeer handelt, die zur Arbeit müssen.

Fährt man mit dem Inselbus, sieht man, dass die erste Sitzplatz-Reihe links und rechts hinter dem Busfahrer gesperrt ist. Auf der Rückfahrt sitzen im nun vollen Bus dann doch je eine Person dort. Ich frage:
„Ach, kann man sich jetzt doch hier hinsetzen?“ 
„Nee, Sie nicht. Nur Hiddenseeer. Da weiß ich wenigstens, von wem ich’s habe, wenn ich mir was weghole.“
Und dann werde ich nach hinten geschickt und muss stehen. 

Die Preisgestaltung in den Restaurants, die teils am Freitag Ruhetag haben, teils nur noch drei Stunden am Tag geöffnet haben, jedoch keinesfalls länger als 19 Uhr, ist auch gewöhnungsbedürftig. Zwei arglos bestellte Ramazottis: 16 Euro. Und man fange bei der Essensbestellung um Himmels Willen nicht mit dem Gericht an. Man wolle doch wohl auf die richtige Reihenfolge achten: erst das Getränk!

Am Abfahrtstag stehen wir am Hafen, die Fähre soll uns um 12 Uhr zurück nach Schaprode bringen. Da wir um 10 Uhr unsere Quartiere verlassen müssen, sind wir schon eine Weile dem Sturm und Regen ausgesetzt, denn dort ist kein Unterstand. Es kommt eine Fähre um 11 Uhr und ich gehe hin, um zu fragen, ob wir auch mit dieser mitfahren können, auch wenn unsere Tickets erst für die um 12 Uhr gelten.

„Es fährt keine Fähre um 12 Uhr. Verschoben auf 13 Uhr. Und wir fahren jetzt erst nach Kloster und dann kommen wir wieder hierher und dann können Sie einsteigen.“
„Können wir nicht jetzt einsteigen? Wir zahlen natürlich auch.“
„Nö. Zahlen hätten Sie da am Häuschen gemusst und jetzt ham wa keine Zeit mehr auf Sie zu warten. Hätten Sie sich ja auch mal eher überlegen können.“
„Aber ich erfahre doch eben erst in dieser Sekunde, dass unsere Fähre ausfällt. Und wir frieren schon jetzt wie verrückt und müssen noch zwei weitere Stunden hier ausharren.“
„Und? Ist das mein Problem?“

Falls jemand eine vulgär zeternde, aus dem Ruder laufende Frau in Neuendorf am Hafen beobachtet hat: das war ich. Nie war ich einem Affektmord näher.

Hiddensee und ich sind fertig.

Mit einer Ausnahme:  

https://www.facebook.com/KleinerPrinzHiddensee

Kleiner Prinz, Süderende 76, 18565 Vitte, schließt um 21 Uhr

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Ein Restaurant, ach was sag ich: eine Oase, in der man wunderbar sitzen, essen und sich daran erfreuen kann, herzlich und freundlich bedient zu werden. Die Einrichtung labt das Auge, selbst bis in die Waschräume ist es liebevoll eingerichtet. Das Essen ist eine Wucht und hat erschwingliche Preise, das Personal trieb uns Tränen der Dankbarkeit ins Auge. Es war sooo schön, angelächelt zu werden. 

Kleiner Prinz Hiddensee | Facebook Good luck to you!

12 Kommentare:

  1. wer will schon sowas erleben? ich nicht, da will ich nicht hin. ihr armen, vor der vermieterin sollte auch gewarnt werden, die erinnert mich an die sechziger jahre, da gab es solche häufiger. zum glück war der urlaub kurz, gruß roswitha

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  2. Immer noch besser als von morgens bis abends SCHÖN TACH NOCH hinterhergeschmissen zu kriegen, obwohl es Minimum 40° heiß ist in der Stadt und dir die Füßchen auf dem Beton zerkochen, weil nirgends ein Meer in Sicht ist, glaub mir das, liebste Annika...

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  3. Da gebe ich dir recht, mein Lieber, alles ist besser als 40 Grad.
    Halte durch! Ventilator hilft.
    Annika

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  4. Okay, das ist mal krass. So richtig krass. Ich glaube, das würde mich fertig machen, aber so richtig. Aber das ist so eine typisch deutsche Sache, denke ich. Solche Dinge habe ich noch nirgendwo anders erlebt.

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    1. Uns hat es auch fertig gemacht. Die sehen uns nie wieder. Können sich gehackt legen.
      Annika (die anonym auf ihre Kommentare antworten muss)

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    2. ... habe deinen Bericht ´mal ein einige Bekannte weitergeleitet ...
      Gruß
      Jens

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    3. witzig, sagt mein Kollege , no, er sagte - er ist ja jetzt in Rente, der Schlingel- leg dich gehackt ;-))))

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    4. Ich war einmal vor vielen, vielen Jahren meine Eltern besuchen, als diese noch in Süddeutschland wohnten. In Traunstein. Nach Weihnachten war ich dort, meine ich. Mit meiner kleinen Tochter. Die schlief bei meinen Eltern und ich hatte ein Pensionszimmer. Mit Federbett. Und schlimmer eingerichtet als Gelsenkirchener Spätbarock. Gottlob von mir wirklich nur zum schlafen benutzt, denn der Fernseher funktionierte auch nur sehr verhalten.
      Der Hammer war das Frühstück. Die Auswahl war eh nicht riesig, und weil ich an Tag 1 kein Ei und keine Wurst gegessen habe, verschwand das Angebot um diese Einheiten. Am nächsten Tag keinen Käse gegessen? Weg damit. Ich habe dann das Frühstück dort ganz weggelassen und bei meinen Eltern gefrühstückt. Dort gab es wenigstens die geliebten Rosenbrötchen, während die Pensionsdame irgendwas auftischte.
      Als ich nach einer Woche zahlen wollte, nannte sie mir einen lächerlich hohen Preis, der sich ganz entschieden von dem Unterschied, was mir meine Eltern gesagt hatten.
      Letztendlich hat mein Vater dann gezahlt. Weniger.
      -
      Grundsätzlich kann man dieses Jahr extremes Verhalten auf beiden Seiten feststellen. Ich arbeite ja nun in/am/um einem Ferienort. Die Kundschaft ist aggressiv unfreundlich bis unverschämt und die Nerven aller zum zerreißen gespannt. Ob bei uns irgendwo Radwege sind, die verpflichtend zu nutzen wären oder ob man irgendwo 30 fahren sollte oder gar nicht. Es interessiert alles nicht. Und selbst wenn man ausgesprochen höflich darauf hinweist, wird gepöbelt. In einer Art, dass es mir die Sprache verschlägt (mir!!!).
      Am Wochenende hat eine Freundin von mir Eltern gewagt anzusprechen, deren höchstens 2-jähriger Sprößling hinter Strandkörben an SUP's herumruckelte und drohte darunter begraben zu werden. Wie der Vater dann meine über 70-jährige Freundin angepöbelt hat, machte noch die Besucher der 3. Liegereihe am Strand sprachlos. Ihm gefalle der Ton nicht, in dem sie mit ihm spreche. In welchem Ton warnt man Eltern, die es nicht fertigbringen ihr Kind im Auge zu behalten? Und wenn Gefahr in Verzug ist? Wie macht man das politisch korrekt?
      Ich hab da eine Lösung: es ist uns egal das nächste Mal. Neulich suchte die DLRG auch einen 3-jährigen, der seinen Eltern abhanden gekommen war. Früher hat man seine Kinder im Auge behalten...aber was sag ich...früher....

      Es ist eine doofe Zeit für alle. Die einen haben Angst in Zukunft ihren Laden dicht machen zu müssen und die anderen möchten für erheblich gestiegene Preise jetzt nur das Allerbeste bekommen. Das passt so nicht zusammen. Meine Freundin reinigt FeWo und immer wieder versuchen die Gäste um die Reinigungspauschale zu kommen und erfinden Dinge, die einfach nicht stimmen. Meine Freundin filmt und fotografiert jetzt die Wohnungen - als Beweismittel für Vermieter, die natürlich nicht hier vor Ort wohnen und für Gäste, die Dinge erlügen um Geld zu sparen.
      Es schwebt ein Aggressionspotential in der Luft, von dem ich manchmal denke, es genügt ein Hauch und es explodiert.....

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    5. ... "2-jähriger Sprößling hinter Strandkörben an SUP's herumruckelte und drohte darunter begraben zu werden" ...

      Guten Tag,
      ich versuche bei so etwas erstmal unverbindlich was zu sagen. Wenns daraufhin eskaliert: Beißender Sarkasmus in die Runde im Sinne von "schau mal, der kleine Doof bewirbt sich um nen Darwin-Award. Mehr mache ich nicht. (gibt eh zu viele Dumme auf der Welt ...)

      Gruß
      Jens

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    6. Traunstein ist Bayern - und das kann speziell sein, muß aber nicht.
      WIr waren vor Jahrzehnten auf Rügen, war auch speziell, die Leute waren herb, aber nett. Heute sieht es vielleicht anders aus.
      Wenn Hiddensee keine Besucher will, sollen sie halt ihre Pensionen schließen und sich aus allen Reiseprospekten streichen lassen, dann haben sie ihre Ruhe. Das scheint ja das Ziel zu sein.

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  5. Wenn du wüsstest ☺️ Ihr wart, seid und bleibt Wessis - mit einer riesigen Rundumleuchte auf dem Kopf, die immerzu schreit: hier bin ich. Der Nordosten ist was ganz spezielles, das geb ich zu, aber bei euch soll es ja auch schöne Freibäder geben 🤗

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  6. Was stimmt mit dir nicht?🙄

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