Donnerstag, 28. Oktober 2021

Schlimme Klamotten

 

Neulich sitze ich der Sonne zugewandt, mit geschlossenen Augen, in einem Café im Süden der Republik von Berlin. Manchmal blinzle ich, wenn Menschen sehr nah an meinem Tisch vorbeilaufen. Geht mir aus der Sonne, denke ich jedes Mal.

Es läuft eine Gruppe schlecht gekleideter Leute an mir vorbei. Alle in Trainingsanzügen, mit albernen Oberlippenbärtchen, Vokuhila, blousonartigen Jacken und Schnellfi*erhosen. Ich schließe die Augen schnell wieder, habe ein unbestimmtes 80er-Jahre-Deja vu und fühle mich unangenehm berührt, zumal die sich auch noch direkt an den Nachbartisch setzen. Mit solchen Leuten wollte ich schon in meiner Jugend nüschte zu tun haben - weshalb sind die jetzt hier, in der Gegenwart, im schnarchigen Dahlem?

Dann beginnt am Nebentisch ein gepflegtes Gespräch über Pro-Seminare an der FU und mir dämmert, dass es sich hier nicht um Prekariat aus Neukölln handelt, sondern um eine weitere Hipster-Variante, die sich entgegen ihres gewissermaßen martialischen Kleidungsstils gepflegt, sanft und respektvoll miteinander unterhält. 

Ich hör mir das eine Weile an und dann schreite ich zur Tat. Von meiner Mutter ist mir in die Wiege gelegt worden, wildfremde Menschen anzusprechen und sie mit meiner Meinung und/oder Fragen zu behelligen. 

"Sagt einmal, darf ich euch etwas fragen, aber ihr nehmt es mir bitte nicht übel?"

"Na klar" schallt es mir gutmütig entgegen.

"Tja, also wisst ihr, ich war ja jung in den Achtzigern und da sahen auch ein paar Leute so aus wie ihr heute, aber die fanden wir nicht gut. Das war so eine bestimmte Klientel und die waren nirgends immatrikuliert, könnt ihr mir glauben. Wie kommt's, dass Ballonseide so einen Lauf hat? Und du, du hast ja sogar eine ziemlich schlimme Frisur, Vokuhila, wenn ich das so sagen darf."

"Ja", lacht er, "Toll oder? Ich habe haargenau dieselbe Frisur wie mein Vater in den Achtzigern. Und die Klamotten sind nur geil. Saubequem. Ich wünschte, er hätte mehr davon aufgehoben."

Der andere: "Du wirst doch nicht von meiner Jacke auf den ganzen Mann schließen? Mir war heute danach..." und hebt zu einem längeren Vortrag an, der selbst Karl Lagerfelds Haltung zur Jogginghose hätte verändern können. 

Das Mädchen, immerhin in einem Adidas-Anzug, ungekämmt, ungeschminkt und so zauberhaft, wie es eben nur junge Frauen sein können, hört den begeisterten Modestatements ihrer Begleiter gutmütig zu und exponiert sich nicht weiter. 

Da ist also nicht Mut zur Hässlichkeit oder Nachlässigkeit in Kleiderfragen zu betrachten, sondern ein ausgeklügeltes Modekonzept, über das viel nachgedacht wurde. Nachdem mir nun klar ist, dass ich hier echter Streetware begegnet bin, Generation X oder Y oder Z oder was weiß ich denn (da waren sich dir drei selber nicht ganz im klaren), wechsle ich übergangslos in den Tanten-Modus, fasele etwas von "Ihr habt noch alles vor euch und falls ihr euch mal langweilt oder Herzschmerz habt, denkt immer daran: ihr seit noch blutjung und habt noch wirklich alles vor euch. Ihr wisst das heute noch nicht, aber ich weiß es." 

Dem Mädchen rate ich, sich von Ar*löchern immer schnell zu trennen und das bringt einen der Jungs dazu, sich als ihr Freund zu outen, er sei "momentan" sehr bemüht, sich nicht wie ein Ar*h zu verhalten. Sie und ich prusten los "Mo-men-Taaan???"

Sie lassen sich nicht anmerken, ob sie mich für übergeschnappt halten oder sich daran freuen, dass sie so heiß beneidet werden - sie sind jedenfalls durch die Bank freundlich und milde und ich darf sie sogar fotografieren, für diesen Blog ("Kannst gerne mein Gesicht zeigen!"), weil ich sie wirklich in jeder Hinsicht bemerkenswert finde. 

Wenn's noch mehr von ihnen geben sollte, dann ist mir nicht bange. Es gibt auch ganz tolle Leute mit der Frisur von Rudi Völler. Ich kann das bestätigen.

Freitag, 22. Oktober 2021

Es saugt und bläst der Heinzelmann

Gestern früh - erste Ausläufer des Orkans Ignatz brausen ums Haus - wird es auf einmal so laut draußen, dass ich sicher bin, dass gleich das Haus wegfliegt. Eine Windhose. Aber nein. 

Ein BSR Mann geht mit dem Laubbläser durch die Straße und bläst das Laub vor sich her. Mitten im Sturm.

Da sag noch mal einer, Berlin funktioniert nicht.

Dienstag, 19. Oktober 2021

Ach, das Leben...

Neulich war ich auf einer betriebsinternen 2 G Veranstaltung und danach mussten wir alle in Quarantäne. Ick hab ma testen lassen, negativ. Glück gehabt. ABER: dass den paar Menschlingen bei uns, die sich nicht impfen lassen wollen oder können oder was weiß ich denn, die Tränen vor Lachen liefen, kann ich mir gut vorstellen. 

Bei allem aufgeregten Gegacker, es müsse sich doch ein jeder impfen lassen, man vergesse nicht: sich nicht impfen zu lassen, ist ein Grundrecht und die Gründe dafür privat zu halten, ebenso. Denkt man gar nicht, gell? (ich muss mich selbst immer wieder zur Ordnung rufen, denn wenn es nach mir ginge, wären alle geimpft inklusive Tiere und Schrankwände)

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Anyway: ich war in Bayern. Schön dort. Die Blumen wissen nicht, dass bald Weihnachten ist. Prachtvolle Hülle und Fülle. Während hier in Berlin der kürzeste Herbst aller Zeiten ist. Innert einer Woche wurden alle Blätter rostig braun und fielen auch schon runter. Als ob die Bäume denken "Bloß runter mit dem Zeugs, ich hab keinen Nerv mehr für Photosynthese". Meine Hypochondrie ist jetzt global und schließt Bäume und Wetter mit ein. Ist ein Klacks für mich, alles mit Sorge zu betrachten. 

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Gottseidank bin ich auch leicht glücklich zu machen. Kürzlich zweimal nacheinander im Vabali gewesen. Wäre ich Boris Becker, würd' ich's mein Wohnzimmer nennen. Wenn ich ins Vabali gehe, dann ist immer die Beste aus Amerika in Berlin. Diesmal in Ehegatten-Begleitung, der zwei Wochen lang immer wieder Lachkrämpfe bekam, weil seine Schwiegermutter (die kein englisch spricht und daher mit einer Übersetzungs-App mit ihm kommuniziert) ein "Attentat auf ihn vorhatte". Er las: "I'am planning an assassination on you"- Verwirrt schrieb er meiner Freundin "Things went wrong with your mum." Dabei wollte die alte Dame ihn nur bitten, einem Tagesausflug nach Dresden zuzustimmen. 

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Dieser Tage mit Frau Lavendel telefoniert. Wir haben uns im letzten Jahr Dinge für 2021 vorgenommen, die alle schon in die Tat umgesetzt sind. Niemand ist darüber erstaunter, als wir beide. Nun haben wir neue Ziele für 2022 avisiert. Wir können derzeit nicht bloggen; uns geht's zu gut. Erst ging's uns zu schlecht und jetzt ist alles anders und zwar sehr anders und das müssen wir genießen. Wir bitten um Geduld.

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Das Kind meiner Nichte fragte neulich: "Mama, glaubst du an Gott?
Nichte: "Nein, aber manche glauben und manche..." (hebt zu einem längeren Vortrag an)
Kind (unterbricht ungeduldig): "Ich glaube nicht an Gott. Ich habe mich jetzt schon mehrmals mit ihm unterhalten, aber er hat nie geantwortet."

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Als ich Geburtstag hatte, bekam ich den Anruf einer Freundin, die ich das letzte Mal vor über 10 Jahren gesprochen hatte. Sofort nahm ich sie in die WhatsApp Gruppe der drei Freundinnen aus dem Herkunftskaff mit auf, die sich nicht aus den Augen verloren hatten. Dieses Wochenende dann großes Wiedersehen in Niedersachen: aus München, Münster und Berlin strömten wir an unsere frühere Wirkungsstätte und blieben 10 Stunden in einem Lokal sitzen, lachten und heulten, weil auch so viel Scheiß passiert ist in unseren Leben und dieser Scheiß auch ganz ungerechnt verteilt ist, eigentlich kaum zum aushalten, wie schwer so ein Leben werden kann, obwohl man doch eben noch unbeschwert und jung und schön die Nächte durchgetanzt hat. 

Und dann sind wir um Mitternacht noch in die Kneipe gegangen, die tatsächlich immer noch existiert und in der geraucht werden darf und in der wir unsere halbe Jugend verbracht haben. Und die natürlich bis auf fünf verkrachte Existenzen und einer Barkeeperin mit ADHS komplett leer war. Wir waren die Attraktion der Nacht - und so zwangsläufig wie früher gelingt uns das nicht mehr. Wir blieben eine Stunde und als wir wieder an der frischen Luft waren, rochen wir an unseren Klamotten und fragten uns, wie wir diesen Gestank früher nur ausgehalten haben. 

Süßer Vogel Jugend...

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Unbedingt lesen:

A grouchy German  Und alles von Alexander Gorkow

Unbedingt hören: Nick Drake; River Man

Dienstag, 25. Mai 2021

Entrümpeln mal anders

Oh mein Gott, jetzt vergehen schon Monate zwischen zwei Posts. Naja, etwas über ein Monat ist vergangen. Ich hoffe, das wird besser, wenn ich das Haus wieder verlasse, um zu arbeiten und andere Dinge erlebe, als Spaziergänge auf Friedhöfen, dem Tempelhofer Feld und in Botanischen Gärten. Da gibt es doch rein gar nichts mehr zu berichten. 

Neuestes Hobby: nebenan.de 

Sagenhaft. Ich werde alles los, was ich sonst zur BSR hätte fahren müssen - was ich aber nicht getan hätte, wegen 'zu schade'. Aber jetzt setze ich das unter "zu verschenken" rein und nach 3 Minuten hat's schon Liebhaber, die im Laufe des Tages zur Abholung schreiten.

Mich befriedigt das; ach was sage ich: es macht mich glücklich. Ich schmeiß’ doch so gerne weg und durchforste alle halbe Jahre meinen Kleiderschrank. Aber jetzt, wo ich praktisch alles in meiner Wohnung einem prüfendem Blick unterziehe und fast immer zum Schluss komme, dass es besser wär, es käme weg (sogar Dinge, an denen mein Herz hängt), hänge ich eisern wie Maggie Thatcher an meinen Prinzipien: unbenutzt und platzraubend = weg damit. 

Und aus dieser Nachbarschafts-App kommen dann kultivierte Menschen vorbei, die genau das schon immer gesucht haben oder gerade jetzt suchen. Lauter freudige Ereignisse. Manche bringen selbstgemachte Marmelade mit, Quitten Gelee war das Highlight bisher.

Ich bin zum Beispiel auch heilfroh, dass mein Keller immer so gut wie leer ist. Wie sich andere den vollrümpeln bis unter die Decke - mir unbegreiflich. Aber da sitzt ein Stachel in meinem Fleisch. Als vor über 10 Jahren eine Freundin in die direkte Nachbarschaft zog, in einen kellerlosen Bungalow, bat sie mich, einige Kartons in meinem Keller zu parken. 

Neulich habe ich sie mal angesprochen, sie hat sich nicht mal mehr erinnert, dass diese Kartons bei mir stehen, geschweige denn, was drin ist. Ich meinte, dann könnten die doch auch zur BSR. Sie meinte: Jaja. Natürlich hat sie nicht vor, ihren Krempel da raus zu holen, aber ich muss dran bleiben. Weil: stört mich. Sicherlich irgendeine frühkindliche Störung. 

PS: Ich stöbere selbst natürlich auch auf dem virtuellen Marktplatz und hab schon manch schönes Kleinod ergattert. Vor allem eine gewisse Gisela und ich sind mittlerweile best friends, denn sie hat einen unerschöpflichenVorrat an unverzichtbaren Dingen.

Passend zur grünen Wand: grüner Ameisenstuhl. Danke, Gisela


Mittwoch, 21. April 2021

Essen mit Annika - ein Drama in 5 Akten

Anscheinend bin ich weitaus verhaltensorigineller als ich gedacht habe. Kürzlich schrieb mir ein Kollege dies (als Geschenk zum Geburtstag):

AKT 1: Der Tisch

Sobald ich das Restaurant als Erster betrete und mich hinsetze, gleich wo, weiß ich, dass ich dort nicht lange sitzen bleibe. Annika, das Restaurant nach mir betretend, wird mich dort sitzen sehen und sofort fragen, ob wir nicht woanders sitzen wollen. Immer. Absolut      immer. Im Prinzip brauche ich mich gar nicht hinzusetzen. Ich sollte also besser im Türrahmen des Eingangsbereichs stehen bleiben und Ihre Sitz-Wünsche, sobald sie das Restaurant betritt, entgegennehmen und mich danach richten.

Wie auch immer, es läuft dann so: "Wollen wir dahin? Oder ist es da nicht besser? Oder nein, da hinten, das wäre doch auch schön. Oder vielleicht doch woanders noch?" Ich muss in diesem Moment nur abwarten. Meine Antwort, meine Wahl, hier oder da, würde jetzt nur genau zur gegenteiligen Entscheidung führen. Hört sie nichts von mir, kommt sie auch zum Ergebnis und wir setzen uns an die von ihr gewünschte/vorgegebene Stelle. Es ist vermutlich der Ort, wo ich mich sonst selbst hingesetzt hätte.

Ja, Annika nimmt nichts hin, sie ist eine Gestalterin, sie will verändern. Immer. Hat der von mir ausgesuchte Tisch  keine Sonne, muss es ein sonniger Tisch sein. Hat mein Tisch wiederum Sonne, ist es da viel zu heiß und es blendet. Irgendetwas ist immer, irgendwas kann man immer verändern. Ich werde also wieder und wieder umziehen oder dort sitzen müssen, wo sie hinwill. Am Eingang warten hilft.

AKT 2: Die Bestellung

Annika bestellt nie gelangweilt oder irgendwie was. Sie ist bei jeder Bestellung aufgeregt  und erwartet Großes. Eine Bestellung durch Annika ist wie eine kleine Feier für die Welt. Sie lächelt die Bedienung zumeist mit ihrem breitesten Lächeln und glänzenden Zähnen         an und zeigt dieser, dass man es in diesem schönen Restaurant mit einem absolut tollen  und besonderen Gast zu tun hat, der das Gebotene auch zu schätzen weiß. Denn Annika würde nie irgendwo hingehen, wo man tolle Gäste nicht zu schätzen weiß.

Aber dem Restaurant sollte auch klar sein, dass man diesem Premium-Gast auch wirklich etwas bieten sollte, Annika ist schließlich eine Frau von Welt. Würde man Annika in einen Döner-Imbiss stellen, auch bei allergrößtem Hunger, sie würde sofort und auf der Stelle                   Ausschlag bekommen und erklären: „Hier kann ich nicht bleiben!“. Ihr Körper ist einfach für das Schöne gemacht.

AKT 3: Das Essen kommt!

Sobald das Essen angekommen und serviert worden ist, ist bei Annika regelmäßig die Freude groß. Die Bedienung kann sich wiederum auf ein breites Lächeln freuen, denn eines kann Annika: Unwiderstehlich lächeln. Sie lächelt die nette Bedienung an, den Barkeeper, die Dame, die kurz an ihr vorbeiwill, um auf Toilette zu gehen und auch den Hund, der angeleint am Nebentisch vor sich hindämmert. Für jeden hat die gutgelaunte          Annika ein Lächeln übrig. Das schöne Lächeln...es hat allerdings einen gewissen, sagen wir mal, "zeitlichen Horizont". Dazu im Folgenden.

AKT 4: Erste Unzufriedenheit

Man kann die Uhr danach stellen. 1,2,3...noch schaut sie ganz begeistert, redet mit mir, Zähne blinken, sie lächelt, tolle Stimmung, verheißungsvolle Erwartung, und nun schiebt sie sich die erste Gabel in den Mund. 4,5,6...sie kaut... (Pause) Irgendwo dann bei

…9,10 stutzt Annika. Kein Ton mehr. Kein Lüftlein regt sich. Gefühltes Vakuum. Irgendwas stimmt hier nicht. Sie verdreht die Augen. Kein Lächeln mehr. Was ist passiert? Natürlich Folgendes: Die Konsistenz, der Geschmack ist ganz anders beschaffen als die gleiche Essens-Bestellung bei einem Besuch zuvor! Und die war doch so toll!

BREAK. Ich beobachte und warte nun ab. Es gibt in diesem 9,10-Moment viele Dinge, was das Essen angeht, die Annikas Lächeln zum Erlöschen bringen könnten: Es mag zu wenig Soße auf dem Fleisch sein oder der Flammkuchen, den sie bestellte, hat zu wenig Schmand obendrauf, ist zu trocken, zu klein oder sonst was. Und sie hatte doch ohne Zwiebeln bestellt, oder mit?

Egal. Und während ich vorsichtig und lautlos weiter esse, um seitens der anderen Gäste keine weitere Aufmerksamkeit zu erregen, stoppt der Vorgang auf der gegenüberliegenden Seite des Tischs komplett. Sie sagt noch nichts, aber ich höre in Gedanken: „Nein, das ist nicht gut! Das ist gar nicht gut. Das ist nicht mein Essen.“ Und das soll die Bedienung nun auch unbedingt erfahren! Sofort.

Annika wird die Bedienung nun ansprechen. Mit einem strahlend-lebensbejahenden Lächeln als Vorhut und einem sich daran anschließenden großen "ABER" als Kavallerie. Kann Annika „vielleicht noch etwas mehr Soße bekommen“ ist in diesem Moment die angenehmere Alternative zu "das kann ich nicht essen, das ist völlig ungenießbar! Gucken/probieren Sie mal!".

Die sensibelsten Momente eines Essens im Restaurant mit Annika sind immer die ersten Bissen. Aber: Wenn es wider Erwarten besser gelaufen sein sollte, also das Essen für sie akzeptabel war, darf man auch überschwängliche Freude und Komplimente für die Bedienung erwarten. Denn auch das ist Annika: Das Gesinde wird großzügig komplimentiert.

Letzter AKT: Der Nachtisch

Es gibt bei Annika kein Essen ohne Nachtisch. Der Nachtisch ist bei ihr etwas für die Seele. Hat das Essen aller Wahrscheinlichkeit entgegen gemundet, möchte sie das Geschmackserlebnis noch einmal veredeln. Ansonsten soll der Nachtisch Annikas Traurigkeit über ein vermasseltes Essen mindern. Gerne darf es dabei auch etwas Süßes sein. 

Aber auch an dieser Stelle nimmt sie nicht irgendwas, was vielleicht übriggeblieben ist, denn sie ist wählerisch. Es müssten also am Tresen schon einige Küchlein zur Auswahl stehen, damit Annika, die Gestalterin, wählen kann. Ohne Wahl keine Annika. Ein einsames Küchlein hat es da schwer als Trostinstanz. Annika schaut das Küchlein an, das Küchlein blickt zurück. "Nimm mich doch, sagt das Küchlein, du hast doch noch Appetit!" Ja, das hat sie. Aber, weißt du, Küchlein, du bist ein Rest, du stehst hier ganz allein und bist deshalb ein Rest. Reste akzeptiert Annika nicht. Das musst du verstehen. Egal wie lecker du schmeckst.

Annika würde in dieser Situation also mit enttäuschter Miene verzichten, als ob es dieses Küchlein, das sich ihr Freudestrahlend angeboten hat, niemals gegeben hat. Und während letzteres im Hintergrund abgelehnt und traurig süße Tränen weint, zieht Annika ihren Mantel stolz und fest um sich, um nun aufzubrechen.

                                                                                                                                  Ende.

Donnerstag, 25. März 2021

Glumm hat ein Buch geschrieben & Kanzlerinnendämmerung im vollen Gange

Und hier, meine Lieben, kann man es bestellen: 

Amazon

Thalia

Hugendubel

Als Frau vom Fach darf ich mal erwähnen, wie schwer es heutzutage ist, als Newcomer bei Thalia & Hugendubel gelistet zu werden. Darauf einen Dujardin, weil: jetzt kann nix mehr schief gehen, lieber Andreas. 

                                                                *****

Und während unser aller heißgeliebter Glumm seiner ersten Lesereise entgegen bibbert, beschäftigt sich unsereiner in Berlin mit ganz anderern Hobbys. Es ist so wenig möglich derzeit. Daher habe ich "HGTV Home & Garden TV" entdeckt. Seit Wochen schau ich "vorher, nachher" - eben nur mit Häusern. Oder wie Tiny Houses gebaut werden; auf 20 qm wohnen dann drei Menschen und zwei Hunde. Oder wie Leute ein Haus in Alaska suchen und dann bekommen die gigantische Häuser mitten im tiefsten Wald angeboten; schreckliche Vorstellung, aber die wollen das so. 

So, aber ein Handwerker-Ehepaar jagt mir kalte Schauer über den Rücken. Er hat ein Problem mit Transpiration und das ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Kann er nix für, es ist dort immer heiß und er arbeitet hart. Manchmal ist sein Hemd aber auch schon komplett nass, obwohl er bspw. nur in einem Haus rumsteht. Er ist zu bedauern. Aber das hält ihn nicht davon ab, seine viel kleinere Gattin bei jedem Auftritt vor der Kamera an sich zu reißen oder wenigstens einen Arm auf ihr abzulegen. Er packt sie sich praktisch unter seine Achsel und ich kann nicht umhin, dies als passiv-aggressiven Akt der besonderen Art zu registrieren. Manchmal möchte sie beim reden gestikulieren, aber sie steckt wie in einer Schraubzwinge in seiner klatschnassen Achsel. Ich frage mich, ob da nicht mal jemand vom Fernsehteam was sagen könnte.


Und sonst so? Naja, mit Frau Merkel habe ich von meiner milden und gütigen Veranlagung her eher Mitleid, aber ehrlich gesagt: wer Konferenzen mutwillig um 7 Stunden unterbricht und nachts um 3 Uhr immer noch verhandeln lässt, hat wohl alle anderen Möglichkeiten der Machtdemonstration verloren. Das ist armselig und vielleicht muss ich meine gute Meinung von ihr am Ende modifizieren - obwohl ich 16 Jahre immer fand, wie angenehm unprätentiös,  uneitel und scheinbar wenig narzisstisch sie zu sein scheint. Aber finally: was ist ihr eigentlich gelungen?

Klimaziele? Verfehlt sie dauernd.
Flüchtlingskrise? Keine funktionierende Infrastruktur geschaffen.
Gleichstellung? Hat sie keinen Finger für gerührt.
Pandemie? Tja. 

Einige die hier mitlesen, wissen das bestimmt seit Jahren. Ich lass das erst dieser Tage an mich heran. Vorher hat sie mich auch nicht weiter gestört; da kann man leicht mal sogar eine CDU-Bundeskanzlerin respektabel finden. Aber ehrlich jetzt, in diesen Zeiten... sieben (!) Stunden Unterbrechung einer Konferenz? Was zur Hölle soll daran hilfreich sein, alle zu zermürben? Wo doch sowieso schon alle... 

Naja, ich muss nicht alles verstehen. Ich bleib einfach die nächsten fünf Jahre zuhause.

                                                            ***

Mein zweites neues Hobby ist, Dinge zu verticken, verschenken oder zu erwerben bei nebenan.de. Eine Nachbarschafts-App, die gerade an Fahrt aufnimmt. Ist so toll: als Wegschmeißerin vor dem Herrn muss ich jetzt gar nicht mehr zur BSR fahren; es wird mir alles abgeholt von jung und alt, Mann und Frau - alle durch die Bank eine einzige heterogene Zielgruppe. Fantastisch! Es gibt praktisch nichts, was nicht weggeht, wenn man es unter der Rubrik "Verschenke" einstellt. Und ich lerne lauter Menschen mit formvollendeten Manieren kennen, die Gisela heißen.

Ich selbst habe bereits einen lindgrünen Ameisenstuhl (10 Öcken) und eine 160x80 Tischplatte für mein Home-Office (für geschenkt) nach Hause geschleppt. Leider ist das meinem rechten Ellenbogen nicht bekommen - eine alte Kriegsverletzung aus dem Jahre 2019 meldete sich prombt zurück. Irgendwas ist eben immer.

                                                            ***

Zum Schluss: meine verhassteste Werbung (gleich vor "Seitenbacher Müsli"): "Zeit Zähne zu zeigen". Hirnbefreit und Mordlust auslösend. Junge Menschen murmeln diesen Satz, immer lauter werdend, erst vor sich hin und blicken dann triumphierend in die Kamera. Ich kann mich nur mit letzter Willensanstrengung davon abhalten, meinen Fernseher zu zertrümmern (in Wahrheit ziehe ich natürlich nur eine Augenbraue hoch und schalte schnell um).
 

Freitag, 12. März 2021

Nach dem Interview


 Ich bin unschlüssig, ob als Analyse "mimimi" reicht. 

Doch, ich glaube, das reicht. 


Montag, 8. März 2021

Vor dem Interview

Neulich im Britzer Garten, die Sonne scheint, zwei alte Schachteln sitzen mit geschlossenen Augen am Wasser und erläutern dies und jenes.

"Ich kann dir sagen, wenn ich Harry geheiratet hätte, ich hätte gewusst, was mich erwartet!"

"Genau. Nach allem, was man hätte über Königs lesen können. Da macht man sich doch keine Illusionen mehr."

"Die wusste, was sie tat. War doch kein junges Mädchen mehr."

"Und die soll man nicht so tun, als sei sie eine gefeierte Schauspielerin, so wie Meryl Streep. Die hatte 'ne Nebenrolle inner Serie."

"Aaaach, und bei dieser Familie, die sie hat, da wusste man doch auch gleich, was kommt."

"Naja, für ihre Familie kann sie nichts."

"Mag sein, aber als einziges Familienmitglied die Mutter anschleppen und die sitzt dann ganz allein in der Kirche, ihr gegenüber die Königs-Mischpoke und neben ihr - ja, wer saß da eigentlich?"

"Mir tat die Mutter so leid."

"Und jetze geben die der Offra ein Interview. Die tut doch alles dafür, dass Harry am Ende auch keine Familie mehr hat." 

"Und dann lässt sie sich scheiden in zwei Jahren und dann sitzt er da in Hollywood und kann nicht zurück nach England."

"Genau! Armes Schwein. Dann wird er fett und glatzköpfig und sehnt sich nach Balmoral."

"Tragisch."


Im Buckingham Palast freut sich der Spin Doctor: Kein Schwein redet mehr von dem Schwein Prinz Andrew.

Freitag, 26. Februar 2021

Leben in der Dystopie

PROLOG

Kürzlich las ich in der Zeitung von einem Jugendlichen in Großbritannien, der wegen eines Unfalls im Koma lag, über ein Jahr lang, der jetzt wieder aufgewacht sei und die Ärzte nicht wissen, wie sie ihm sagen sollen, dass inzwischen eine weltweite Pandemie herrsche und der deshalb keinen Besuch von seinen Eltern und Freunden bekommen kann. Dass sie sich nicht trauen, ihm das zu sagen, weil die Gefahr zu groß ist, dass er einen Schock bekommt, von dem er sich nie wieder erholen werde. 

So gesehen war das Setting auch vorher schon geeignet für einen Splattermovie:

  • Ein Planet auf dem alles Leben zum Tode verurteilt ist. Man weiß nicht wann, man weiß nicht wie, nur dass. (Es gab mal eine Star Trek Folge, da landete Kirk auf einem Planeten, auf dem alle sehr happy und friedlich waren, aber es durften alle nur 24 Jahre alt werden)
  • Den Planeten, der das lokale Sonnensystem am laufen hält, darf man nie direkt ansehen, sonst wird man blind.
  • Fällt noch jemandem was skurriles Drittes ein?
  • Miri: Eine einzige Insektenart, die 80 % aller Nutzpflanzen bestäubt, sichert so das Überleben der Menschheit und wird von dieser mit Insektiziden und Monokulturen immer weiter dezimiert.
  • Anonym: Noch was: Ein Planet, auf dem wissenschaftlich bestens erforscht ist, was die Bewohner brauchen, um glücklich und gesund zu leben: Eine kreative, sinnvolle Beschäftigung, regelmäßige Bewegung, gesundes Essen. Zugleich zwingt man die Bewohner, den größten Teil des Tages auf einem Stuhl sitzen zu bleiben, auf einen Monitor zu starren und gleichförmige, sinnfreie Arbeiten zu erledigen. Dadurch haben sie keine Zeit und keine Energie mehr für Bewegung und die Zubereitung gesunder Ernährung. So werden sie mit der Zeit dick, krank und traurig. Und dann sagt man ihnen noch, sie seien ja selbst schuld, sie hätten doch gewusst, was man tun muss, um gesund zu bleiben.

***

Schwups - haben wir gleich wieder März und sommerliche Tage sind unterdessen bereits im Februar möglich. Im Prinzip laufe ich wie Clint Eastwood nur noch mit halb zusammengekniffenen Augen durch die Gegend und behalte alles im Blick. Die Aerosole, das Wetter, den sich verlangsamenden Golfstrom. 

Die Nachrichten scanne ich nach News, die ich auf keinen Fall wissen möchte, nicht mal mehr mein Horoskop lese ich. Überall dreut Ungemach, leider nicht temporär sondern hinauslaufend auf die alles verschlingende Katastrophe. Was so eine Exponentialkurve im wahren Leben bedeutet, zeigt uns Mutter Natur in aller Deutlichkeit, gleich zweimal, weltweit. Klima & Pandemie. 

Ich werde immer bescheidener. Lebe ruhig vor mich hin, halte mich unterm Radar, zehre von endlosen Spaziergängen mit mir nahen Menschen, vermisse den Leihhund, den ich immer seltener ausleihen darf, weil die Besitzerin ihn selber dringend braucht, arbeite zu den unmöglichsten Zeiten im Home Office, alles verwischt. 

Nach Corona brauche ich eine neue Wohnung, weil diese hier ist so ähnlich besetzt wie von einer furchtbar unglücklichen Liebesgeschichte: "get outta my head" - Untertitel: Wie sich in meiner Wohnung alle meine Geschäftsführer virtuell breit machten". Die ganze Firma kennt meine Bücherwand, das will doch kein Mensch. 

Ach, die Firma. Auch so ein Thema. In wieviel online-bullshit-bingo-Meetings ich sitzen muss, kann sich kein Mensch vorstellen. Ca. 5 Stunden pro Tag glotze ich in den Rechner, ohne arbeiten zu können, verdammt zum zuhören. Sagte ich jemals meine Meinung zu all dem sinnlosen Geschwurbel, müsste ich mein Ränzlein schnüren. So bleibt mir nur zu hoffen, dass ich niemals einschlafe vor der Kamera, denn dies zu verhindern bindet ehrlich gesagt den Haupteil meiner Energie. Ich sitze in "weeklys" und höre Geschäftsführern zu, die jeden Mittwoch das genau gleiche wie den Mittwoch zuvor referieren und dank einer gewissen Transparenz im Haus weiß ich, was er so ungefähr verdient für den Schmarrn, den er verzapft und ich denke einfach nur "Hauptsache gesund bleiben" - das Mantra eines jeden Hypochonders.

Wer weiß, vielleicht lese ich das in drei Jahren, wenn vielleicht doch wieder alles gut geworden ist, die Sommer regenreich, die Wälder gesund, die Temperaturen angemessen, der Virus längst vergessen ist und bezichtige mich der Paranoia; aber für heute halte ich mich  für eine pessimistische Realistin, die sehr gut verdrängen kann und trotz sporadischen Niederschreibens meiner Selbstbeobachtungen die meiste Zeit Gelassenheit mit Resten von Heiterkeit empfindet. Wie ich das hinkriege ist mir das Größte aller Rätsel.

PS: Hier noch einer der schönsten Nachrufe auf einen Buchhändler:

https://www.tagesspiegel.de/berlin/nachruf-auf-leo-baumann-kundenglueck-kundenschreck/26907940.html

Samstag, 20. Februar 2021

Donnerstag, 4. Februar 2021

Kotzende Hunde und persische Teppichhändler



Also irgendwann muss ich hier ja mal wieder was schreiben, auch wenn es mir schwer fällt, nach Feierabend im Homeoffice freiwillig sitzen zu bleiben und mir etwas aus dem Hirn zu saugen, was euch interessieren könnte, jetzt, wo mein Leben doch vor allem aus meinem Innenleben besteht. 

Es gibbet ja nüscht zu berichten und wenn ich mit den schrecklichen Online Meetings durch bin, habe ich kaum noch den Drive, ins operative Arbeiten zu kommen, geschweige denn zu bloggen. Obwohl ich den Fahrtweg spare, also Zeit gewinne, zerrinnt sie mir unter den Händen und deshalb fühle ich mich zunehmend überfordert und erschöpft. Ich weiß nur nicht, wovon. 

Wie soll das werden, wenn alles wieder normal wird (man wird ja wohl noch träumen dürfen). Wenn ich nach der Arbeit auch noch meine Freizeit bewältigen muss, inklusive Fahrtwege ins Büro, zu den Verabredungen, spätabends zurück nach Hause - wer soll denn sowas schaffen? Derzeit wechsle ich aufs Sofa und schau Netflix und das Schlimmste ist, mir ist ganz heimelig und muschibubu dabei. Mir fehlt bald gar nix mehr. 

Außer täglichen 2-3 stündigen Spaziergängen durch alle Parks und neuerdings über alle Friedhöfe, weil da keine Völkerwanderungen stattfinden (klarer Favorit: Waldfriedhof Zehlendorf)

 

- also außer diesen 2-3 Stunden Märschen oder Schlendereien - je nach Tagesform - in wechselnder Besetzung, wochentags unter drei, am Wochenende auch schon mal zu viert, passiert rein gar nichts in meinem Leben.

Doch, neulich da ist mal was passiert: da hatte ich den Leihund für eine Woche und er kotzte mir zweimal großräumig die Wohnung voll; vor allem auf meinen Teppich, den er wohl für eine Wiese hielt und da ich alles, was oben rauskommt nicht aus hochflorigen Teppichen entfernen kann (nicht mal von Parkett krieg ich das entfernt, weil ich schon Herpes kriege, wenn ich nur dran denke), rollte ich das Ding zusammen und schleppte es auf den Balkon.

 

Dann suchte ich eine Teppichreinigungsfirma. Um die Ecke war gleich eine, eigentlich ein Teppichgeschäft, lauter persische und chinesische Riesenteppiche und das dazugehörige, jedem schlechten Klischee entsprechende Personal. Mit einiger Verachtung wurde mein kleiner, geliebter Teppich entgegen genommen und nach einigen Versuchen, mir einen anderen Teppich zu verkaufen, bekam ich endlich so einen Zettel in die Hand und die Abholung wurde terminiert.

Abholung klappte pünktlich wie die Feuerwehr, eine Rückkehr des Teppichs wurde mir binnen einer Woche in Aussicht gestellt. Das ist nun 14 Tage her, also ging ich heute mal vorbei. Vielleicht hatten die meine Telefonnummer verbusselt. Der servile Verkäufer wusste erkennbar nicht mehr, wer ich war und um welchen Teppich es sich handelt. Auf dem Abholzettel war die Teppich-Nummer nicht vermerkt, wie er vorwurfsvoll anmerkte, ungeachtet dessen, dass er den Zettel ausgefüllt hatte. 

Nun ja, ich blieb 20 Minuten im Regen vor dem Teppichgeschäft stehen, während drinnen eifrig gesucht wurde. Übrigens ergebnislos, was nach meiner Vorrede wohl niemanden mehr wundert. Ich wurde wieder hineingewunken. Der Teppich sei "nicht da", man würde weiterhin nach ihm suchen und sich dann bei mir melden. Nicht mal um einen bedauernden Tonfall wurde sich bemüht, von einer Entschuldigung ganz zu schweigen. Ich sagte, dass ich jetzt aber doch etwas beunruhigt sei. Der Teppichhändler nun ungehalten "Keine Sorge, ich brauche Ihren Teppich nicht!"

Jedwede Servilität auf Nimmerwiedersehen verschwunden und sollte ich in ca. 14 Tagen dort erneut hindackeln und auf Herausgabe meines Teppichs bestehen, werde ich wahrscheinlich gemeuchelt. Am besten ist, ich nehme dann den Leihhund mit und dann kann er dort alles vollkotzen.