Mittwoch, 24. April 2024

Annika in Amerika

Ja, ihr Lieben, die ihr mich womöglich noch kennt und euch jetzt hierher verirrt: ich habe meine Flugangst überwunden und bin an der Ostküste, bei meiner besten Freundin. 



Diesen ersten großen Flug über den Teich haben wir gemeinsam bestritten, denn sie war zuvor in Berlin. Ich allerdings habe mir Business Class gegönnt und habe dann tatsächlich in Dublin beim umsteigen nach Boston für sie ein kostenloses Upgrade erwirken können. Das war ein Fest! Wir wollten gar nicht mehr aussteigen. Die Stewardess, die uns das möglich gemacht hat, wollte ich heiraten. 

Mir hat sie praktisch das Leben gerettet, denn um ehrlich zu sein: ich werde wohl meinen Lebtag keine Frau mehr werden, die entspannt um die Welt fliegt. Schon in Dublin war ich fix und fertig. Ich musste ein wenig weinen bei dem Gedanken, dass ich jetzt wieder einsteigen und noch siebeneinhalb Stunden nach Boston fliegen muss. Aber da hatte ich ja noch keine Ahnung, wie schön die Business Class ist. 




Alles andere ist eigentlich gegen die Menschenwürde. So sollte ein jeder reisen können und dürfen, ach was sage ich: sollen und müssen. Wunderbares Essen auf feinsten Porzellan, der Sitz zu einem Bett ausziehbar, Kissen und Decke bekommt man auch, ein zauberhaftes kleines Reisenessecaire ebenfalls - wenn es nach mir gönge, flöge unsereiner jetzt alle halbe Jahre rüber, aber es scheint sich um ein einmaliges Angebot gehandelt zu haben, denn ich suchte heute nach neuen Flügen im nächsten Jahr, aber nicht mal ansatzweise wurde der Preis angeboten, den ich jetzt bezahlt hatte. Schluchz. 

So, aber wie ist es nun hier in Amerika? Grob gesagt, hier ist alles anders. Hier sind vor allem Reichtum und Armut nicht getrennt voneinander untergebracht. Bei Walmart arbeiten Menschen, die kaum Zähne im Mund haben und die noch schlechter gekleidet sind, als die Obdachlosen am Bahnhof Zoo. Eine Hoffnungslosigkeit und Resignation in den Gesichtern, die mir gezeigt haben, wie sehr ich in Berlin separiert von Armut bin. Bei uns liegen ganz arme Menschen auf der Straße und ich bestimme den Abstand, mit dem ich an ihnen vorbeilaufe.

In der Straße, in der meine Freundin lebt, sind die Häuser in so unterschiedlichen Sanierungs- und Renovierungszustand; da gibt es auf 100 m alles dicht nebeneinander, was auf gehobenen Wohlstand, gar Reichtum als auch vollkommene Verwahrlosung und Messitum hindeutet. Armut kriegt man hier in die Fresse gehauen, anders kann ich es gar nicht beschreiben. Und auf meinen Spaziergängen bin ich immer wieder aufs Neue bestürzt. 


Natürlich, wenn man nach Kennebunkport fährt, zum Sommersitz der Familie Bush, da gibt es nur Reichtum, riesige Häuser auf Klippen, aber auch diese Riesen kommen mir fragil vor und dem Atlantik hilflos ausgeliefert: Hier ist alles nur aus Holz gebaut. 



Was ich auch nicht wusste: wie teuer hier alles ist. Wenn ich zurückkomme, werde ich demütig genießen, dass mir, wenn ich aus dem Rewe rauskomme, immer noch genug Geld für den restlichen Monat bleibt. Das billigste Deo 9 $. Klopapier 10 $. ZEWA 17 $. Von Lebensmitteln oder im Restaurant essen gehen, will ich gar nicht erst anfangen. Ach es gibt so vieles her, ich werde weiter berichten.

Das Klischee vom freundlichen Amerikaner stimmt im übrigen. Sie sind unfassbar freundlich.