Gestern früh habe ich meinen wärmsten Wintermantel angezogen. Der geht mir bis zu den Knöcheln und ist voller Daunen. Ich parkte mein Auto drei Kilometer vom Büro entfernt und stiefelte los. Es wurde mir nicht zu warm in dem Ding, so kalt und windig war es. 5 Grad Polarluft. Aber darüber will ich gar nicht meckern.
Sondern darüber: gestern ab 23 Uhr wurde es jede Stunde ein Grad wärmer und morgens hatte es sich bereits auf 17 Grad erhitzt. Noch im Dunkeln ging ich auf den Balkon, ein warmer Sommerwind trieb sein Unwesen. Was zieht man da eigentlich an?
Ich meine, das hier ist kein Modeblog, aber ich stand doch sehr ratlos vor dem Kleiderschrank. Mittags war ich verabredet in einem gediegenen Restaurant, da konnte ich unmöglich unbestrumpft meine längst nicht mehr braunen Beine herzeigen. Und schon gar nicht, wo ich erst 10 Stunden zuvor in Gänsedaunen verpackt war. Da kam meine Seele nicht hinterher.
Als ich losfuhr waren es 20 Grad und die Bäume schlugen neu aus.
Im Restaurant erstmal darum gebeten, dass die Heizung ausgemacht wird. Leider eine peinliche Angelegenheit, denn die arme Kellnerin musste die halbe Verkleidung abbauen, die ihr dann auch noch auf die Füße meines Begleiters fiel. Und dann stellte sich raus, die Heizung war gar nicht an. Zum Glück saß auch noch mein Oberboss schräg hinter mir. Ich wäre ja gerne eine aufsehenerregende Frau, aber doch nicht so.
Und weiter ging die wilde Fahrt. Ich bestellte eine Vorspeise, Salat mit Putenbruststreifen, die ich mir irgendwie gegrillt vorgestellt hatte. Es kam aber ein Teller mit eine paar Scheiben Putenbrustwurst und darüber der schlimmste Salat von allen: Rucola. Da wird ja kein Kaninchen von satt. Musste ich noch den Hauptgang nachordern.
Anschließend noch kurz draußen in der Sonne gesessen. Irritierte Vögel begannen mit dem Nestbau.
Gegen 17 Uhr zu einer Verabredung gefahren. Es war schon stockfinster (blöde Winterzeit) und ein Sturm brauste bei nurmehr 12 Grad.
Um 21 Uhr heimwärts, eisiger Wind zerstörte die Reste meiner Frisur, von der ohnehin keine Rede mehr sein konnte, wegen der Hitzewallungen zur Mittagszeit, aber nun greinte ich schon wieder bitterlich nach dem Daunenmantel. Ich eilte in einem dünnen Jäckchen durch die finstere Nacht zu meinem Auto, Sitzheizung an... meine Güte, das ist kein Wetter, das ist eine Zumutung.
Ich hoffe, es bleibt jetzt kalt , wie es sich gehört.
Dienstag, 30. Oktober 2018
Wenn Frauen nicht loslassen
"Bei der Beerdigungsfeier meines Vaters kam es zu einem Zwischenfall. Die Wohnung war schon sehr voll, als es klingelte. Eine mir mir unbekannte Frau stand in der Tür, zeigte auf mich mit langem Zeigefinger und rief "Siiiieee, Sie sind schuld, dass Ihr Vater nicht mit mir zusammen gekommen ist. Er wollte ja die Kinder nicht verlassen. SIE sind schuld."
"Grundgütiger, wie furchtbar. Verrückt, so einen Auftritt hinzulegen. Du musst ja schockiert gewesen sein."
"Nein gar nicht. Die Frau tat mir leid. Stell dir mal vor, sie hatten vor 25 Jahren eine Affaire; mein Vater hatte einige Affairen..."
"Ach."
"...Sie tat mir echt leid. 25 Jahre konnte sie nicht loslassen. Das ist doch schrecklich. Und dann wählt sie diesen unglücklichen Zeitpunkt, ihrem Herzen Luft zu machen. Sie konnte einem nur leid tun. Die arme Wurst."
"Grundgütiger, wie furchtbar. Verrückt, so einen Auftritt hinzulegen. Du musst ja schockiert gewesen sein."
"Nein gar nicht. Die Frau tat mir leid. Stell dir mal vor, sie hatten vor 25 Jahren eine Affaire; mein Vater hatte einige Affairen..."
"Ach."
"...Sie tat mir echt leid. 25 Jahre konnte sie nicht loslassen. Das ist doch schrecklich. Und dann wählt sie diesen unglücklichen Zeitpunkt, ihrem Herzen Luft zu machen. Sie konnte einem nur leid tun. Die arme Wurst."
Freitag, 26. Oktober 2018
In der Tschechischen Botschaft
Donnerstag, 25. Oktober 2018
Mein zweites Oktoberfest
Ich werde nie, nie, nie verstehen, was die Leute am Oktoberfest finden. Eins habe ich ja schon erduldet, da war ich ganz schick in der Fischerhütte eingeladen und nach einer Stunde war ich dann auch schon wieder weg.
Ich war damals underdressed, unter anderem auch deshalb, weil mir nicht klar war, wie wichtig es ist, ein Dirndl zu tragen. Vielleicht hielfe das ja, dass man sich zugehörig fühlt. Aber wer will sich zugehörig fühlen zu einer Masse von Menschen, die von Ekstase befallen werden, sobald sie den Raum betreten? Wie angeknipst und von Sinnen standen alle auf den Bänken und grölten textsicher Lieder mit, die ich noch nie zuvor gehört hatte. Das ist nicht meine Welt, dieses angeknipst sein. Ausgelassenheit entwickelt sich im günstigen Fall, und dann macht's auch Spaß, aber auf Anordnung kann ich nicht.
Heute mit den lieben Kollegen. Alle waren bereit, sich auf Teufel komm raus zu amüsieren. Ich hatte mir als Zugeständnis extra eine oktoberfestartige Bluse gekauft, immerhin, aber das war ganz umsonst, denn wir froren wie die Schneider und behielten zunächst unsere Daunenjacken an.
"Ach, uns wird schon warm, wirst sehen!"
Wir saßen nah bei der Combo, die dann auch wie Animateure auf dem Kreuzfahrtschiff begannen, uns in Bewegung zu bringen. Hoch die Hände, aufstehen, hinsetzen, aufstehen, weiterschunkeln - ein Alptraum. Ich guckte so gleichmütig wie möglich, aber meine Kollegen fanden das auch schon lustig, sie kennen mich ja und wissen meinen depperten Gesichtsausdruck einzuordnen.
"Ein Prohosit, ein Prohosit auf die Gemüüüüüütlichkeit"
Es wurde nicht besser. Man sitzt sich ja sehr nah gegenüber auf so einer Bierbank. Und dann immer in die auf Kommando verzückten Gesichter meiner Kollegen zu schauen, das hatte so etwas verzweifeltes, leeres, aber wer weiß, wahrscheinlich war nur ich verzweifelt und leer. Mein Kollege links von mir pfiff mich ausdauernd an den Rand der völligen Taubheit, aber er wollte sich eben amüsieren, was will man machen?
Andere Bürogemeinschaften betraten den Saal und flippten schier aus, einfach so. Vor allem, wie sehr durchtrainierte Dreißigjährige in Karohemd und Lederhose in der Lage sind, völlig grundlos Frohsinn zu markieren, ist ein Mirakel.
Als dann alle auf die Bänke stiegen, verkrümelte ich mich. Soweit kommt's noch, dass ich beim Geschunkel auch noch balancieren muss und hernach mit Oberschenkelhalsbruch abtransportiert werde.
Zwei Stunden hatte ich durchgehalten. Mehr war nicht drin.
Ich war damals underdressed, unter anderem auch deshalb, weil mir nicht klar war, wie wichtig es ist, ein Dirndl zu tragen. Vielleicht hielfe das ja, dass man sich zugehörig fühlt. Aber wer will sich zugehörig fühlen zu einer Masse von Menschen, die von Ekstase befallen werden, sobald sie den Raum betreten? Wie angeknipst und von Sinnen standen alle auf den Bänken und grölten textsicher Lieder mit, die ich noch nie zuvor gehört hatte. Das ist nicht meine Welt, dieses angeknipst sein. Ausgelassenheit entwickelt sich im günstigen Fall, und dann macht's auch Spaß, aber auf Anordnung kann ich nicht.
Heute mit den lieben Kollegen. Alle waren bereit, sich auf Teufel komm raus zu amüsieren. Ich hatte mir als Zugeständnis extra eine oktoberfestartige Bluse gekauft, immerhin, aber das war ganz umsonst, denn wir froren wie die Schneider und behielten zunächst unsere Daunenjacken an.
"Ach, uns wird schon warm, wirst sehen!"
Wir saßen nah bei der Combo, die dann auch wie Animateure auf dem Kreuzfahrtschiff begannen, uns in Bewegung zu bringen. Hoch die Hände, aufstehen, hinsetzen, aufstehen, weiterschunkeln - ein Alptraum. Ich guckte so gleichmütig wie möglich, aber meine Kollegen fanden das auch schon lustig, sie kennen mich ja und wissen meinen depperten Gesichtsausdruck einzuordnen.
"Ein Prohosit, ein Prohosit auf die Gemüüüüüütlichkeit"
Es wurde nicht besser. Man sitzt sich ja sehr nah gegenüber auf so einer Bierbank. Und dann immer in die auf Kommando verzückten Gesichter meiner Kollegen zu schauen, das hatte so etwas verzweifeltes, leeres, aber wer weiß, wahrscheinlich war nur ich verzweifelt und leer. Mein Kollege links von mir pfiff mich ausdauernd an den Rand der völligen Taubheit, aber er wollte sich eben amüsieren, was will man machen?
Andere Bürogemeinschaften betraten den Saal und flippten schier aus, einfach so. Vor allem, wie sehr durchtrainierte Dreißigjährige in Karohemd und Lederhose in der Lage sind, völlig grundlos Frohsinn zu markieren, ist ein Mirakel.
Als dann alle auf die Bänke stiegen, verkrümelte ich mich. Soweit kommt's noch, dass ich beim Geschunkel auch noch balancieren muss und hernach mit Oberschenkelhalsbruch abtransportiert werde.
Zwei Stunden hatte ich durchgehalten. Mehr war nicht drin.
Sonntag, 21. Oktober 2018
Alles auf Anfang: Das Pferd und ich
Heute
kramte ich meine Reitstiefeletten raus, die seit über einem Jahr ungeputzt
und ungenutzt im Schrank stehen, denn es war ein Spaziergang
mit Pferden geplant. Ja, ein neuer Anfang im Themenbereich: Das Pferd
und ich.
Die
Besitzerin des Pferdes hat ja nun zwei Pferde zu bespaßen, seitdem ihr
Mann seine letzte Ruhestätte im Friedwald gefunden hat. Sie fänd es gut, wenn sie nicht mit beiden Pferden
nacheinander spazieren gehen müsse, sondern beide in einem Aufwasch an die frische Luft kämen.
Man
muss wissen, dass für jemanden wie mich ein anderthalbstündiger
Spaziergang mit Pferd dreimal so anstrengend ist wie ein Gang allein
über die Felder. Ich muss nämlich immerzu die Gegend
scannen, ob ein Reh oder ein Wildschwein aus dem Hinterhalt unseren Weg
kreuzt. Bricht das Pferd zu meiner Seite aus, bin ich geliefert.
Außerdem
latscht man durch Sand und das bissel verdorrte Gras ist immer noch
interessanter als die schöne Aussicht, weshalb ich schnell bereute, nicht meine
Handschuhe eingepackt zu haben. Mein Pferd konnte sich auch nach langer Abstinenz von mir noch gut daran
erinnern, dass ich eine durchsetzungsschwache Napfsülze bin.
Die
erste Viertelstunde war ich damit beschäftigt, das Pferd vom grasen
abzuhalten, bis es eingesehen hat, dass ich das nicht will. Ich sagte es
ihm ja auch oft genug und dann schaute es so zweifelnd, dachte wohl, 'Ich höre ihre Worte, aber ich spüre ihren Herzschlag, ha!' Schon war der Kopf wieder unten und ich hatte Krafttraining plus Blasen an den Händen.
Die
Pferdebesitzerin bot mir einen Pferdetausch an, ihres war kleiner und
leichter, aber ich wollte lieber mit dem mir bekannten 600 Kilo-Oschi
weitergehen, der entweder grasen oder hinter mir gehen wollte, mit
seinen Nüstern an meinem Rücken, weil das so schön gemütlich für das
Tier ist, aber sehr ungemütlich für mich in case of Fluchtgedanken.
Eins-zwei-fix wäre ich über den Haufen gerannt, daher Parole: "Du-gehst-neben-mir. Du drängst mich auch nicht ab, wenn links von mir Gras
wächst."
Wenn
man im Fernsehen sieht, wie Mensch und Tier spazieren gehen, sieht
das so locker und leicht aus und das ist es bestimmt auch für normale
Menschen, die sich nichts dabei denken. Für unsereiner ist das hingegen
eine ständige Interaktion, weil so ein Pferd auf 20 Kilometer wittert, dass es bei mir problemlos das Kommando
übernehmen kann und ich muss das ständig verhindern.
Nach
30 Minuten brauchte ich mal eine Pause und ich setzte mich auf eine
Bank, die Pferdebesitzerin übernahm beide Tiere, die nun endlich grasen
durften. Als ich wieder aufstand, erschreckte sich das eine Pferd und
aus Solidarität das andere gleich mit und so sah ich live, wie das ist,
wenn man zwischen zwei Pferden steht, die sich aus dem Staub machen
wollen. Und wie wenig es braucht, damit sie sich animiert fühlen, ihrem
unausrottbaren Fluchtinstinkt zu folgen. Es gibt Pferde, die sich vor
gefährlichen Schnecken am Wegesrand durch gestreckten Galopp in
Sicherheit bringen.
Die Pferdebesitzerin blieb natürlich arschcool.
Wir
gingen weiter und nach einer Weile fing mein Pferd an zu kauen, womit
es sagt, dass es sich wohlfühlt. Dann fühlte es sich noch wohler und
schnaubte und schnaubte. Ich war voller Pferdepopel.
Dann
ging es mitten hinein in den Wald und auf einmal blieb es stehen,
streckte den Kopf nach oben und schaute aufmerksam nach vorne. "Hier
bleibt es immer stehen, irgendwas sieht es hier oder spürt es, keine
Ahnung, was es sein könnte.", sagte die Pferdebesitzerin. Du meine Güte,
jetzt auch noch Übersinnliches, das hatte mir gerade noch gefehlt.
Grasen wollte es jedenfalls nicht.
Im
Wald spazieren zu gehen ist herausfordernd. Ein schmaler Pfad, rechts
ein Zaun, links die Bäume, vor uns das andere Pferd - wenn jetzt was um
die Ecke kommt, bleibt dem Pferd nichts anderes übrig, als direkt auf
mich draufzufallen oder mich totzutrampeln, wenn es blindlings eine
Kehrtwendung macht.
Ich
versuchte mich zu besänftigen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen: hat
der Mensch irrationale Ängste liegt das an frühkindlichem Geschissel.
Andererseits ist es nicht nur irrational, was mir so im Kopf herumging.
Also schon mit einem pathologisch ausgeprägten Fokus auf das, was
schiefgehen könnte, aber... alles ist möglich.
Heilfroh,
wieder am Stall zu sein, die letzte Übung: vor der Box stoppe ich das
Pferd, gehe als erste in die Box, das Pferd folgt und schon ist wegen
Überfüllung geschlossen. Ich weiß ja nicht, weshalb man es nicht vor der
Box abhalftern darf und das Pferd dann allein reingehen lässt. Aber
nein, man muss da zuerst rein, das Pferd einmal um sich herumführen und
wenn es jetzt stolpert?
Im wahren Leben ist man natürlich in der Box für das Pferd so oder so gestorben, es will ja nix anderes als zum Futtertrog.
Am Ende fuhr ich wieder überglücklich nach Hause. Nächsten Frühling sitze ich wieder drauf.
Wie alles anfing
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