Sonntag, 21. Oktober 2018

Alles auf Anfang: Das Pferd und ich



Heute kramte ich meine Reitstiefeletten raus, die seit über einem Jahr ungeputzt und ungenutzt im Schrank stehen, denn es war ein Spaziergang mit Pferden geplant. Ja, ein neuer Anfang im Themenbereich: Das Pferd und ich. 

Die Besitzerin des Pferdes hat ja nun zwei Pferde zu bespaßen, seitdem ihr Mann seine letzte Ruhestätte im Friedwald gefunden hat. Sie fänd es gut, wenn sie nicht mit beiden Pferden nacheinander spazieren gehen müsse, sondern beide in einem Aufwasch an die frische Luft kämen.

Man muss wissen, dass für jemanden wie mich ein anderthalbstündiger Spaziergang mit Pferd dreimal so anstrengend ist wie ein Gang allein über die Felder. Ich muss nämlich immerzu die Gegend scannen, ob ein Reh oder ein Wildschwein aus dem Hinterhalt unseren Weg kreuzt. Bricht das Pferd zu meiner Seite aus, bin ich geliefert.

Außerdem latscht man durch Sand und das bissel verdorrte Gras ist immer noch interessanter als die schöne Aussicht, weshalb ich schnell bereute, nicht meine Handschuhe eingepackt zu haben. Mein Pferd konnte sich auch nach langer Abstinenz von mir noch gut daran erinnern, dass ich eine durchsetzungsschwache Napfsülze bin. 

Die erste Viertelstunde war ich damit beschäftigt, das Pferd vom grasen abzuhalten, bis es eingesehen hat, dass ich das nicht will. Ich sagte es ihm ja auch oft genug und dann schaute es so zweifelnd, dachte wohl, 'Ich höre ihre Worte, aber ich spüre ihren Herzschlag, ha!'  Schon war der Kopf wieder unten und ich hatte Krafttraining plus Blasen an den Händen.

Die Pferdebesitzerin bot mir einen Pferdetausch an, ihres war kleiner und leichter, aber ich wollte lieber mit dem mir bekannten 600 Kilo-Oschi weitergehen, der entweder grasen oder hinter mir gehen wollte, mit seinen Nüstern an meinem Rücken, weil das so schön gemütlich für das Tier ist, aber sehr ungemütlich für mich in case of  Fluchtgedanken. Eins-zwei-fix wäre ich über den Haufen gerannt, daher Parole: "Du-gehst-neben-mir. Du drängst mich auch nicht ab, wenn links von mir Gras wächst."

Wenn man im Fernsehen sieht, wie Mensch und Tier spazieren gehen, sieht das so locker und leicht aus und das ist es bestimmt auch für normale Menschen, die sich nichts dabei denken. Für unsereiner ist das hingegen eine ständige Interaktion, weil so ein Pferd auf 20 Kilometer wittert, dass es bei mir problemlos das Kommando übernehmen kann und ich muss das ständig verhindern.

Nach 30 Minuten brauchte ich mal eine Pause und ich setzte mich auf eine Bank, die Pferdebesitzerin übernahm beide Tiere, die nun endlich grasen durften. Als ich wieder aufstand, erschreckte sich das eine Pferd und aus Solidarität das andere gleich mit und so sah ich live, wie das ist, wenn man zwischen zwei Pferden steht, die sich aus dem Staub machen wollen. Und wie wenig es braucht, damit sie sich animiert fühlen, ihrem unausrottbaren Fluchtinstinkt zu folgen. Es gibt Pferde, die sich vor gefährlichen Schnecken am Wegesrand durch gestreckten Galopp in Sicherheit bringen. 

Die Pferdebesitzerin blieb natürlich arschcool. 

Wir gingen weiter und nach einer Weile fing mein Pferd an zu kauen, womit es sagt, dass es sich wohlfühlt. Dann fühlte es sich noch wohler und schnaubte und schnaubte. Ich war voller Pferdepopel. 

Dann ging es mitten hinein in den Wald und auf einmal blieb es stehen, streckte den Kopf nach oben und schaute aufmerksam nach vorne. "Hier bleibt es immer stehen, irgendwas sieht es hier oder spürt es, keine Ahnung, was es sein könnte.", sagte die Pferdebesitzerin. Du meine Güte, jetzt auch noch Übersinnliches, das hatte mir gerade noch gefehlt. Grasen wollte es jedenfalls nicht. 

Im Wald spazieren zu gehen ist herausfordernd. Ein schmaler Pfad, rechts ein Zaun, links die Bäume, vor uns das andere Pferd - wenn jetzt was um die Ecke kommt, bleibt dem Pferd nichts anderes übrig, als direkt auf mich draufzufallen oder mich totzutrampeln, wenn es blindlings eine Kehrtwendung macht. 

Ich versuchte mich zu besänftigen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen: hat der Mensch irrationale Ängste liegt das an frühkindlichem Geschissel. Andererseits ist es nicht nur irrational, was mir so im Kopf herumging. Also schon mit einem pathologisch ausgeprägten Fokus auf das, was schiefgehen könnte, aber... alles ist möglich. 

Heilfroh, wieder am Stall zu sein, die letzte Übung: vor der Box stoppe ich das Pferd, gehe als erste in die Box, das Pferd folgt und schon ist wegen Überfüllung geschlossen. Ich weiß ja nicht, weshalb man es nicht vor der Box abhalftern darf und das Pferd dann allein reingehen lässt. Aber nein, man muss da zuerst rein, das Pferd einmal um sich herumführen und wenn es jetzt stolpert? 

Im wahren Leben ist man natürlich in der Box für das Pferd so oder so gestorben, es will ja nix anderes als zum Futtertrog. 

Am Ende fuhr ich wieder überglücklich nach Hause. Nächsten Frühling sitze ich wieder drauf.

Wie alles anfing
 

13 Kommentare:

  1. Ganz wunderbar geschrieben! Wenn ihr noch jemanden braucht, der mit euch und den Pferden spazieren geht, bitte unbedingt bei mir melden (felismajor@gmx.de). Ich war jahrelang Reiterin und bin seit ich in Berlin leben, auf sehr unfreiwilligem Pferdeentzug.

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    1. Danke schön! Ich befürchte immer, dass Leute mit Pferdeverstand denken "Was schreibt die sich denn da für Kokolores zusammen?"

      In Berlin kann man doch bald an jeder Straßenecke reiten, naja, eher in den Randgebieten, Falkensee,Grunewald, etc.

      Da ich selber nur "Untermieterin" bin, kann ich leider keine weiteren Spaziergänger mitbringen.

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  2. Ich war heute auch beim Pferd, bin allerdings geritten und es war schön. Ist nicht mein Pferd, aber nach dem Tod meiner Stute ist er nun mein Pflegepferd. Der weiß genau, daß er Fluchttier ist... Es war ein Jahr Kampf, bis wir halbwegs entspannte Ausritte schafften. So langsam kommt so etwas wie Vertrauen auf - von beiden Seiten.

    Die Idee, mit dem Pferd spazierenzugehen, finde ich gut, man kommt sich dann schon näher. Bis zum Frühjahr kennt ihr euch dann schon. Ich hoffe, dann hier davon zu lesen.

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    1. Oh, wir kennen uns schon, ich habe vor zwei Jahren monatelang dilettiert auf dem armen Tier.
      Aber Bodenarbeit ist eine wirklich gute Sache, um sich kennenzulernen und spazieren gehen auch.

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  3. Ach Borgelfe, so ein Zosse ist halt auch ein Charackterviech. Spring über deinen blonden Schopf und versuche Präsenz zu zeigen! Bananenchips helfen.

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    1. Bananenchips! Da spricht der Fachmann. Jedenfalls, wenn sie für den Reiter sind.

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    2. Stimmt. Bananenchips braucht kein Pferd - die nehmen auch ganze Bananen. Vorher aber bitte schälen, auch wenn das Huftier ungeduldig mit den Hufen scharrt.

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  4. oh wie toll! Ich freu mich wirklich, dass du der Sache noch eine Chance gibst!!!
    Und ich bewunder wirklich deine Fantasie - deine ist tatsächlich 100000x schlimmer als meine je gewesen ist.... lol.....

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  5. Du Heldin. Ich hätte da heutzutage auch voll Schiss. Umso merkwürdiger eigentlich, dass ich als Kind total angstfrei war und lustig zwischen den Pferden herumgesprungen bin. Haben die wahrscheinlich gemerkt und waren immer (meisten) sehr manierlich. Auch Runterfälle und Umgeranntwerden konnten mich nicht schrecken, bis ich so etwa 14 Jahre alt war. Dann erteilten meine Eltern mir Reitverbot aufgrund mieser Mathenoten. Danach hab ich es dann nie wieder in den Sattel geschafft. Ich würde immer gern, aber ich schaff es dann doch nie so recht.

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    1. Mir haben es meine Eltern erst gar nicht erlaubt, obwohl ich bei einem sechswöchigem Campingurlaub Tag und Nacht im Reitstall nebenan war. Das hätte ihnen eigentlich zu denken geben sollen...

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  6. Ehrlich gesagt, für mich sind Pferde hauptsächlich groß.

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