Wann in meinem Leben habe ich mich bedroht gefühlt?
Als Sechsjährige öffnete ich die Tür, weil es klingelte. Vor mir standen zwei Zeugen Jehovas. Ob die Mama da sei, oder der Papa. Nein. Sie fingen gleich mit der Infiltrierung an. Wenn ich also meine Eltern nicht davon überzeugen könne, an Jehova zu glauben, hätte das leider zur Folge, dass ich sie im Himmel nicht wieder treffen würde, wenn der Weltuntergang kommt; und der kommt bald. Ob ich das nicht sehr traurig finde?
Ich war allerdings tagelang traurig, konnte meine Eltern jedoch nicht von der Dringlichkeit meines Anliegens überzeugen. Ich stellte mir vor, wie ich im Himmel ganz allein sein werde, ohne meine Eltern. Alles nur, weil sie nicht an Jehova glauben wollten.
In der RAF Zeit war ich noch zu jung, um zu ermessen, ob ich in Gefahr war. Es kann auch daran gelegen haben, dass Eltern damals derartige Dinge nicht vor Kindern erörterten. Da hatten wir es ziemlich gut. Kinder hatten zwar nichts zu melden, aber auch nichts zu wissen.
Tschernobyl. Ich lag noch tagelang auf meiner Decke auf der Wiese, bis ich begriff, dass ich sie schleunigst zu entsorgen habe. Eine Kollegin war schwanger und bangte um ihr Kind. Ich kaufte Dosenfutter und nahm mir vor, nie wieder Pilze zu essen. Ich lernte das Wort "Fall out".
Als am 11.9. ein Kollege in mein Büro gerannt kam und rief, mach das Internet an, die bombardieren Amerika, durchflutete mich eine Welle von Angst allein wegen seiner Worte. Wenn "die" Amerika bombardieren, sogar das Pentagon (das Pentagon? Heilige Scheiße!), dann lag wirklich etwas sehr im Argen. Jahre später erzählte mir der Ex-Ami, dass er zu dem Zeitpunkt in einem Gym trainiert hatte und die Bilder auf dem Bildschirm für den Trailer eines neuen Spielberg-Films hielt.
Dann wurde der Irak bombardiert, ich saß vor dem Fernseher und dachte, das kann nicht gut ausgehen, die legen einen Flächenbrand, der nicht mehr zu löschen sein wird. Ich war Schröder dankbar, dass er sich weigerte, mitzumachen. Derweil fackelten die Ölquellen ab und verdunkelten den Himmel. Ich fügte "Kollateralschaden" meinem aktiven Sprachschatz hinzu.
Es traten Taliban und Al Quaida auf den Plan; ein neues Wort nahm die Runde: 'Asymmetrische Kriegsführung', auch wenn sie in der Mehrzahl ihre eigenen Glaubensbrüder abschlachteten.
Ich kürze mal ab: Es wurde gestern in der Glotze darüber diskutiert, ob es eine Form von Narzissmus sei, sich als freier und reicher Mitteleuropäer bedroht zu fühlen, bzw. Terroranschläge zu fürchten. Und ob es nicht an der penetranten Berichterstattung läge, die den Zuschauer in einen Zustand von permanenter Furcht versetzt; ja versetzen soll, aus Gründen.
Das mag sein. Aber ich glaube auch an den Werther Effekt. Ich fürchte, es fühlen sich Menschen motiviert, die psychisch instabil sind, sich ein eigenes Denkmal zu setzen. Nichts gegen psychische Instabilität, die erwischt fast jeden Menschen einmal im Lauf seines Lebens in unterschiedlichen Ausprägungen und Spielarten.
Aber ich rede von denen, die aus einer persönlichen Ohnmacht heraus aus dem Ruder laufen, weil ich ganz sicher bin, dass nur sich restlos ohnmächtig fühlende Menschen einen Reiz darin finden können, sich hirnverbrannten Ideologien als Exit-Strategie anzudienen. Damit lagern sie meiner Meinung nach ihre Ohnmachtsgefühle aus und transformieren sie, in dem sie die Möglichkeit ergreifen, andere in Ohnmacht zu stürzen.
Ob ich nun viel TV sehe oder wenig (und ich schau so gut wie gar nicht), angekommen ist bei mir, dass es keinen sicheren Ort mehr gibt. Strandpromenaden, Züge, Kirchen. Ich weiß gar nicht, wie sachlich und besonnen Berichterstattung sein soll, damit ich nicht das Gefühl bekomme, das hier etwas passiert, was erst der Anfang ist.
Da können mir noch soviele freundliche Statistiken ins Haus flattern, dass die Bedrohungslage und die tatsächliche Bedrohung "früher" um ein vielfaches höher war. Das ist nett gemeint und eventuell sogar sauber recherchiert. Allein, es ist mir zu abstrakt. Ich lebe auch nicht früher, sondern heute. Und heute schaffen einige monströse Fakten.
Ich habe nicht so sehr Angst vor IS, AfD & co. Aber vor Menschen, die sich schwach fühlen und eine pervertierte Vorstellung von Stärke haben.
Donnerstag, 28. Juli 2016
Dienstag, 26. Juli 2016
Wenn sich Männer neu erfinden
Eine sehr enge Freundin ist mit ihrem relativ neuen Freund in den Urlaub gefahren. Ich habe ihn drei-, viermal gesehen und kenne nur seinen Vornamen. Bei ihrer Abfahrt wurde mir nicht nur ihr Wohnungsschlüssel überlassen, sondern auch seiner, mit der Bitte, ab und an seinen Briefkasten zu leeren.
Heute erreichte mich eine sms, ob ich wohl zu seiner Wohnung fahren könnte, um einen Eintrag aus seinem Kalender zu fotografieren, er müsse noch dringend einen Termin verschieben.
Ich fuhr los und stand dann vor einer imposanten Villa. Ich schloss das Gartentor auf, was eine gelinde Untertreibung ist, denn eigentlich betrat ich Fort Knox. Dann waren da mehrere Türen, aber an keiner standen Namen. Ich klingelte an der nächstbesten Haustür, nachdem ich gemerkt hatte, dass der Schlüssel dort nicht reinpasst.
Eine ältere Dame öffnete mir und blaffte mich mit angstgeweiteten Augen an, wie ich auf das Grundstück gekommen bin. "Na, mit dem Schlüssel hier."
Dann erklärte ich ihr mein Ansinnen und ob sie mir zeigen könne, welche der Haustüren zu Fabian S. gehöre. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen und triumphierend ätzte sie:
"Ich kenne keinen Fabian S. Ich kenne einen Herrn S, aber der heißt nicht Fabian."
Grundgütiger, sollte meine Freundin einem üblen Heiratsschwindler mit mehreren Identitäten aufgesessen sein?
"Doch, der heißt Fabian. Ich kenne ihn doch."
Schneidend: "Er heißt nicht Fabian. Wer sind Sie eigentlich und was wollen Sie?"
"Das habe ich Ihnen doch eben erklärt. Er ist übrigens mit meiner Freundin an die Ostsee gefahren."
"Er ist zwar an die Ostsee gefahren, aber zu seinem Bruder, um sich zu erhohlen."
"Ja, genau, mit meiner Freundin."
"Nein, er ist zu seinem Bruder gefahren."
"Hörn Sie, ich ruf sie jetzt an und dann steht er bestimmt neben ihr und ich gebe Ihnen dann das Telefon."
Ich rufe meine Freundin an.
"Du, ich steh hier vor der Tür und man will mir nicht sagen, welche Tür zu Fabians Wohnung gehört, weil Fabian gar nicht Fabian heißt, wusstest du das schon?"
Sie lacht. "Ja, er heißt Kurt-Fabian."
Ich wiederhole. "Ach so. Kurt-Fabian? Kannst du ihn mir mal geben?"
Die Dame entspannt sich, aber auf eine unmerkliche Art.
"Ach, er ist gerade mit seinem Bruder spazieren?"
Madame zieht die Zügel wieder an. Ich bin und bleibe eine Bedrohung.
"Ja, und seine Tür ist die dritte auf der rechten Seite."
"Sprich du doch noch mal mit der Dame, ich gebe sie dir."
Ein längeres Gespräch entspinnt sich. Sie ist der Meinung, dass sie nun mit der Schwägerin von ihm spricht, eine Freundin im Leben von Kurt-Fabian geht offenbar über ihre Vorstellungskraft.
Sie gibt mir den Hörer zurück. Ich bedanke mich und lege auf, will mich verabschieden, aber für die Dame bin ich immer noch eine potentielle Gefahr.
Als ich losgehe, um endlich seine Wohnung zu betreten, folgt sie mir energisch und dann stehen wir beide in Kurt-Fabians Wohnung. Ich suche auf seinem Schreibtisch nach der Unterlage und fotografiere den gewünschten Kalendereintrag.
Ich komme mir vor wie auf der Glienicker Brücke. Sie steht misstrauisch ein paar Meter von mir entfernt und beobachtet meine geheimdienstliche Tätigkeit. Wahrscheinlich denkt sie, ich trage unter dem Sommerkleid einen Bombengürtel, dabei muss ich doch nur 10 Kilo abnehmen.
Wieder draußen sagt sie, es passiere soviel in letzter Zeit, man weiß nicht, wem man trauen könne, ich solle ihr das nicht übelnehmen, sie müsse aufpassen. Dann will sie noch meine Handynummer und die Nummer, die ich gerade angerufen habe. Ich sage: "Gerne, haben Sie einen Kugelschreiber? Ich hab nichts dabei."
"Das ist doch auch wieder so ein Trick. Sie schicken mich nach einem Kugelschreiber und dann überfallen Sie mich."
"Aber Sie haben doch nach den Telefonnummern gefragt. Und ich werde wirklich niemanden überfallen."
Sie verschwindet in ihrer Wohnung,ruft zur Sicherheit die Polizei, um mich mit einem finalen Rettungsschuss dingfest zu machen kommt mit einem Filzstift zurück, dann schreibe ich ihr die Nummern auf.
"Jetzt noch eine letzte Bitte. Sagen Sie Herrn S., dass er mich noch mal anruft, um mir zu bestätigen, dass alles rechtens ist."
"Aber ja."
Sie begleitet mich bis zum Gartentor und schließt es hinter mir ab. Sicher ist sicher. Hoffentlich ruft Kurtchen bald an, nicht dass sie noch den Innenminister aus New York zurückbeordert.
Heute erreichte mich eine sms, ob ich wohl zu seiner Wohnung fahren könnte, um einen Eintrag aus seinem Kalender zu fotografieren, er müsse noch dringend einen Termin verschieben.
Ich fuhr los und stand dann vor einer imposanten Villa. Ich schloss das Gartentor auf, was eine gelinde Untertreibung ist, denn eigentlich betrat ich Fort Knox. Dann waren da mehrere Türen, aber an keiner standen Namen. Ich klingelte an der nächstbesten Haustür, nachdem ich gemerkt hatte, dass der Schlüssel dort nicht reinpasst.
Eine ältere Dame öffnete mir und blaffte mich mit angstgeweiteten Augen an, wie ich auf das Grundstück gekommen bin. "Na, mit dem Schlüssel hier."
Dann erklärte ich ihr mein Ansinnen und ob sie mir zeigen könne, welche der Haustüren zu Fabian S. gehöre. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen und triumphierend ätzte sie:
"Ich kenne keinen Fabian S. Ich kenne einen Herrn S, aber der heißt nicht Fabian."
Grundgütiger, sollte meine Freundin einem üblen Heiratsschwindler mit mehreren Identitäten aufgesessen sein?
"Doch, der heißt Fabian. Ich kenne ihn doch."
Schneidend: "Er heißt nicht Fabian. Wer sind Sie eigentlich und was wollen Sie?"
"Das habe ich Ihnen doch eben erklärt. Er ist übrigens mit meiner Freundin an die Ostsee gefahren."
"Er ist zwar an die Ostsee gefahren, aber zu seinem Bruder, um sich zu erhohlen."
"Ja, genau, mit meiner Freundin."
"Nein, er ist zu seinem Bruder gefahren."
"Hörn Sie, ich ruf sie jetzt an und dann steht er bestimmt neben ihr und ich gebe Ihnen dann das Telefon."
Ich rufe meine Freundin an.
"Du, ich steh hier vor der Tür und man will mir nicht sagen, welche Tür zu Fabians Wohnung gehört, weil Fabian gar nicht Fabian heißt, wusstest du das schon?"
Sie lacht. "Ja, er heißt Kurt-Fabian."
Ich wiederhole. "Ach so. Kurt-Fabian? Kannst du ihn mir mal geben?"
Die Dame entspannt sich, aber auf eine unmerkliche Art.
"Ach, er ist gerade mit seinem Bruder spazieren?"
Madame zieht die Zügel wieder an. Ich bin und bleibe eine Bedrohung.
"Ja, und seine Tür ist die dritte auf der rechten Seite."
"Sprich du doch noch mal mit der Dame, ich gebe sie dir."
Ein längeres Gespräch entspinnt sich. Sie ist der Meinung, dass sie nun mit der Schwägerin von ihm spricht, eine Freundin im Leben von Kurt-Fabian geht offenbar über ihre Vorstellungskraft.
Sie gibt mir den Hörer zurück. Ich bedanke mich und lege auf, will mich verabschieden, aber für die Dame bin ich immer noch eine potentielle Gefahr.
Als ich losgehe, um endlich seine Wohnung zu betreten, folgt sie mir energisch und dann stehen wir beide in Kurt-Fabians Wohnung. Ich suche auf seinem Schreibtisch nach der Unterlage und fotografiere den gewünschten Kalendereintrag.
Ich komme mir vor wie auf der Glienicker Brücke. Sie steht misstrauisch ein paar Meter von mir entfernt und beobachtet meine geheimdienstliche Tätigkeit. Wahrscheinlich denkt sie, ich trage unter dem Sommerkleid einen Bombengürtel, dabei muss ich doch nur 10 Kilo abnehmen.
Wieder draußen sagt sie, es passiere soviel in letzter Zeit, man weiß nicht, wem man trauen könne, ich solle ihr das nicht übelnehmen, sie müsse aufpassen. Dann will sie noch meine Handynummer und die Nummer, die ich gerade angerufen habe. Ich sage: "Gerne, haben Sie einen Kugelschreiber? Ich hab nichts dabei."
"Das ist doch auch wieder so ein Trick. Sie schicken mich nach einem Kugelschreiber und dann überfallen Sie mich."
"Aber Sie haben doch nach den Telefonnummern gefragt. Und ich werde wirklich niemanden überfallen."
Sie verschwindet in ihrer Wohnung,
"Jetzt noch eine letzte Bitte. Sagen Sie Herrn S., dass er mich noch mal anruft, um mir zu bestätigen, dass alles rechtens ist."
"Aber ja."
Sie begleitet mich bis zum Gartentor und schließt es hinter mir ab. Sicher ist sicher. Hoffentlich ruft Kurtchen bald an, nicht dass sie noch den Innenminister aus New York zurückbeordert.
Freitag, 22. Juli 2016
Skurrile Eheprobleme
Schon wieder ein Geburtstag. Unsere Eltern haben vor einem halben Jahrhundert vorzugsweise im Oktober Fakten geschaffen. Ich weiß nicht, war da ein Stromausfall? Ein besonders früher Wintereinbruch? Oder beides?
Treffpunkt Rüdesheimer Platz. Aber gleich unten im Park, oben auf dem Weinfest wird man per Ordre de Mufti (= Anwohner, die geklagt und gewonnen haben) bereits um 22 Uhr des Feldes verwiesen. Unten in den Rabatten kann man sitzen bis zum Morgengrauen.
Als das erste Paar verschwindet, bei dem ich mich wunderte, dass sie sich jede einzelne Sekunde ignorierten, wurde mir zugeraunt, dass die in einer schweren Krise stecken. Das war kaum zu übersehen, woran liegt's denn, fragte ich. Ich bekam eine originelle Antwort.
"Ja weißt du, sie ist Ästhetin."
"Sie ist was?"
"Er ist ihr zu dick."
Ich war fassungslos.
Sie war eine außergewöhnlich unansehnliche Frau, tut mir leid, dass ich das so sagen muss. Zudem gewandet in schlumpigen, formlosen Batikklamotten, Birkenstock inkl. ungepflegter Füße und weit vor der Zeit extrem-verfaltet.
Er war im Business-Outfit, weißes Hemd, schwarze Hose, graue Haare, schöne Zähne, sinnlicher Mund, charmant, mit einem kleinen Bäuchlein.
Aber nicht nur das nimmt sie übel, sondern auch, dass er als steter Alleinverdiener (ich wusset gar nicht, dass es sowas überhaupt noch gibt) mit einer absurd hohen Abfindung ausgemustert, zunächst mal die Wonnen einer bezahlten Freistellung genießen möchte. Weil, das macht ihr Existenzängste.
Jetzt frag ich mich, was kann die für Kunststücke?
Aber am Rüdesheimer Platz hält sich nicht nur mittelalte Mittelklasse mit Eheproblemen auf, sondern auch rührend wohlerzogene Mittelklasse Jugend. Plötzlich horchte ich auf, ich hörte einen Chor, höchstens 10 Stimmen, die sangen eins der schönsten Lieder überhaupt, das 'Abendlied' von Rheinberger.
Ich war entzückt. Durch die Dunkelheit ging ich zu dem Grüppchen und fragte, ob sie auch meinen all time favourite 'Locus iste' von Bruckner singen könnten, was sie sofort taten. Ich blieb einige Meter entfernt stehen und hörte ergriffen zu.
Sommernacht, noch von der Tageshitze warme Steine, Vollmond. Der perfekte Moment.
Treffpunkt Rüdesheimer Platz. Aber gleich unten im Park, oben auf dem Weinfest wird man per Ordre de Mufti (= Anwohner, die geklagt und gewonnen haben) bereits um 22 Uhr des Feldes verwiesen. Unten in den Rabatten kann man sitzen bis zum Morgengrauen.
Als das erste Paar verschwindet, bei dem ich mich wunderte, dass sie sich jede einzelne Sekunde ignorierten, wurde mir zugeraunt, dass die in einer schweren Krise stecken. Das war kaum zu übersehen, woran liegt's denn, fragte ich. Ich bekam eine originelle Antwort.
"Ja weißt du, sie ist Ästhetin."
"Sie ist was?"
"Er ist ihr zu dick."
Ich war fassungslos.
Sie war eine außergewöhnlich unansehnliche Frau, tut mir leid, dass ich das so sagen muss. Zudem gewandet in schlumpigen, formlosen Batikklamotten, Birkenstock inkl. ungepflegter Füße und weit vor der Zeit extrem-verfaltet.
Er war im Business-Outfit, weißes Hemd, schwarze Hose, graue Haare, schöne Zähne, sinnlicher Mund, charmant, mit einem kleinen Bäuchlein.
Aber nicht nur das nimmt sie übel, sondern auch, dass er als steter Alleinverdiener (ich wusset gar nicht, dass es sowas überhaupt noch gibt) mit einer absurd hohen Abfindung ausgemustert, zunächst mal die Wonnen einer bezahlten Freistellung genießen möchte. Weil, das macht ihr Existenzängste.
Jetzt frag ich mich, was kann die für Kunststücke?
Aber am Rüdesheimer Platz hält sich nicht nur mittelalte Mittelklasse mit Eheproblemen auf, sondern auch rührend wohlerzogene Mittelklasse Jugend. Plötzlich horchte ich auf, ich hörte einen Chor, höchstens 10 Stimmen, die sangen eins der schönsten Lieder überhaupt, das 'Abendlied' von Rheinberger.
Ich war entzückt. Durch die Dunkelheit ging ich zu dem Grüppchen und fragte, ob sie auch meinen all time favourite 'Locus iste' von Bruckner singen könnten, was sie sofort taten. Ich blieb einige Meter entfernt stehen und hörte ergriffen zu.
Sommernacht, noch von der Tageshitze warme Steine, Vollmond. Der perfekte Moment.
Donnerstag, 21. Juli 2016
My first Pony
Gestern war es ja nun sehr heiß. Und ich musste zum Pferd. Ich habe hin und her überlegt, ob ich mir das antue, in glühender Hitze mit gefütterten Stiefeln - Flip Flops sind verboten. Außerdem ist kürzlich ein schrecklicher Unfall passiert. Eine Reiterin wollte ihr Pferd von der Weide holen und da dreht es sich auf einmal um, keilt aus und sie hat jetzt keine Zähne mehr und jeden einzelnen Knochen gebrochen, der im Gesicht brechen kann.
Bin sehr nachdenklich geworden, ob das wirklich das richtige Hobby für mich ist. Es kann eine Menge passieren, weil ein Pferd immer denkt, es wird gleich gefressen. Eine ganz blöde Sache ist das. Dann bricht es plötzlich zur Seite aus, weil eine Weinbergschnecke den Weg kreuzt und wenn ich Pech habe, steh ich falsch. Das ist nichts, was ich kontrollieren kann, niemand kann das.
Und das ist nun mal meine Ur-Angst. Dass irgendwas passiert, womit ich nicht rechne und dem ich nicht ausweichen kann, weil es viel zu schnell passiert.
Ist bestimmt was psychologisches und lässt sich auf mein Leben übertragen, irgendein Grundkonflikt, ein Master-Konflikt, die Mutter aller Konflikte. Ich lerne was für's Leben.
Inzwischen kann ich mich schon richtig harsch durchsetzen, wenn es nicht so will wie ich. Es tut mir auch nur noch ganz wenig leid, dass es sich meinem Willen beugen muss, obwohl mir ja immer lieber ist, dass alle zufrieden sind. Zufrieden ist das Pferd aber nur, wenn ich weiß, was ich will. Alles andere verunsichert es nur und dann wird's nervös, weil es denkt, ich kann es nicht beschützen vor den Weinbergschnecken. Eine Memme darf man nicht sein neben 600 Kilo Fluchtfleisch.
Heute früh die erste offizielle Reitstunde. Also mit einer richtigen Reitlehrerin, mit allem pipapo. Ich bin schon ganz früh da, um 8 Uhr, weil ich noch niemanden gefunden habe, der mir das Pferd putzt und trennst und sattelt. Und selber können die sich ja nicht anziehen.
Mir ist ein bißchen flau, weil es schon so schwülheiß ist. Ich bin ganz allein, bis auf die polnischen Pferdepfleger, die die Tiere auf die Weide bringen, die Ställe ausmisten und mit ihren Baggern das Heu rankarren. Sie grüßen freundlich, aber sie sehen auch nicht so aus, als wenn sie mir unter die Arme greifen wollten.
Nach einer halben Stunde bin ich mit allem fertig, ich habe eine weitere halbe Stunde Zeit, bis die Trainerin kommt. Die Spelunke hat noch nicht auf und mein halber Liter Wasser ist längst getrunken. So müssen sich Leute in der Wüste Gobi fühlen. Ich bin schweißgebadet, diese verdammte Reithose würde mich auch auf der Zugspitze wärmen.
Dem Pferd scheint es gut zu gehen, also denke ich, werde ich es mal aufwärmen, damit es nachher keine Kraft mehr hat, mich abzuwerfen. Nach drei Runden im Galopp immer um mich herum bin ich einer Ohnmacht nahe, so schwindelig ist mir. Aber ich darf jetzt nicht nachlassen, es soll platt sein, wenn ich draufsteige. Nach 15 Minuten bin ich praktisch nicht mehr unter den Lebenden, nur meine Hülle steht in der Mitte. Ich hör mich Sachen sagen, wie "Auf", "Galopp" und "Hopp", ich glaube, ich hab Schaum vorm Maul.
Als die Trainerin kommt, falle ich ihr in die Arme, mirissoheiss, ich kann nicht mehr, reiten schon gar nicht. Aber damit kommt man ja nicht durch. Sowas interessiert die nicht. Frauen, die reiten, können auch Weltkonzerne befehligen.
Mit der Hebebühne Ganz allein steige ich auf's Pferd und schon bin ich froh, dass ich endlich sitzen kann. Ist auch gleich viel luftiger da oben. Ca. 20 Sekunden führt sie mich, dann übergibt sie mir die Zügel - das war so nicht geplant von mir. Dann hält sie mir verschiedene Vorträge, wie man richtig sitzt und so weiter. Das hört sich jetzt nach nichts an, richtig sitzen, das kann doch jeder. Schon, aber auf einem Pferd ist es das Einzige, was man können muss. Und das Schwierigste zugleich. Alles mögliche kann passieren, wenn man das nicht draufhat.
Und so Trullas wie ich, die den ganzen Tag vor dem Rechner sitzen, sind so steif, dass das Pferd das Gefühl hat, es hat einen Rasenroboter auf sich sitzen.
Dann kommt Bewegung in die Sache, denn eine Bremse, ein Mördervieh, handtellergroß, will das Pferd stechen. Es fängt an zu tänzeln, tritt mit der Hufe, aber die Trainerin ist die Ruhe selbst und ich bleibe auch ruhig und sitze das aus.
Daher kommt übrigens das Wort 'aussitzen'. Das ist eine hohe Kunst. Ist auch was für's Leben, das ich ab jetzt beherzigen werde. Hysterie nützt nie.
Die Trainerin ist auch im Morden gut, zerquetscht die Monster-Bremse am Pferdearsch mit einem Schlag und schon ist wieder Ruhe im Karton. Ich darf wieder absteigen und diesmal gelingt es mir, vornübergebeugt mein rechtes Bein über den Pferdehintern zu schwingen und elegant herunterzuspringen. Schade, dass es zu spät ist, mich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren.
Da ich noch niemanden gefunden habe, der das Pferd wieder auszieht und auf die Weide bringt, bin ich dann doch noch beinah ein Fall für die Notfallambulanz geworden. Auf dem Weg von der Weide zurück stach die Sonne derart, dass mir kurz schwarz vor Augen wurde. Aber dafür konnte das Pferd nichts.
Bin sehr nachdenklich geworden, ob das wirklich das richtige Hobby für mich ist. Es kann eine Menge passieren, weil ein Pferd immer denkt, es wird gleich gefressen. Eine ganz blöde Sache ist das. Dann bricht es plötzlich zur Seite aus, weil eine Weinbergschnecke den Weg kreuzt und wenn ich Pech habe, steh ich falsch. Das ist nichts, was ich kontrollieren kann, niemand kann das.
Und das ist nun mal meine Ur-Angst. Dass irgendwas passiert, womit ich nicht rechne und dem ich nicht ausweichen kann, weil es viel zu schnell passiert.
Ist bestimmt was psychologisches und lässt sich auf mein Leben übertragen, irgendein Grundkonflikt, ein Master-Konflikt, die Mutter aller Konflikte. Ich lerne was für's Leben.
Inzwischen kann ich mich schon richtig harsch durchsetzen, wenn es nicht so will wie ich. Es tut mir auch nur noch ganz wenig leid, dass es sich meinem Willen beugen muss, obwohl mir ja immer lieber ist, dass alle zufrieden sind. Zufrieden ist das Pferd aber nur, wenn ich weiß, was ich will. Alles andere verunsichert es nur und dann wird's nervös, weil es denkt, ich kann es nicht beschützen vor den Weinbergschnecken. Eine Memme darf man nicht sein neben 600 Kilo Fluchtfleisch.
Heute früh die erste offizielle Reitstunde. Also mit einer richtigen Reitlehrerin, mit allem pipapo. Ich bin schon ganz früh da, um 8 Uhr, weil ich noch niemanden gefunden habe, der mir das Pferd putzt und trennst und sattelt. Und selber können die sich ja nicht anziehen.
Mir ist ein bißchen flau, weil es schon so schwülheiß ist. Ich bin ganz allein, bis auf die polnischen Pferdepfleger, die die Tiere auf die Weide bringen, die Ställe ausmisten und mit ihren Baggern das Heu rankarren. Sie grüßen freundlich, aber sie sehen auch nicht so aus, als wenn sie mir unter die Arme greifen wollten.
Nach einer halben Stunde bin ich mit allem fertig, ich habe eine weitere halbe Stunde Zeit, bis die Trainerin kommt. Die Spelunke hat noch nicht auf und mein halber Liter Wasser ist längst getrunken. So müssen sich Leute in der Wüste Gobi fühlen. Ich bin schweißgebadet, diese verdammte Reithose würde mich auch auf der Zugspitze wärmen.
Dem Pferd scheint es gut zu gehen, also denke ich, werde ich es mal aufwärmen, damit es nachher keine Kraft mehr hat, mich abzuwerfen. Nach drei Runden im Galopp immer um mich herum bin ich einer Ohnmacht nahe, so schwindelig ist mir. Aber ich darf jetzt nicht nachlassen, es soll platt sein, wenn ich draufsteige. Nach 15 Minuten bin ich praktisch nicht mehr unter den Lebenden, nur meine Hülle steht in der Mitte. Ich hör mich Sachen sagen, wie "Auf", "Galopp" und "Hopp", ich glaube, ich hab Schaum vorm Maul.
Als die Trainerin kommt, falle ich ihr in die Arme, mirissoheiss, ich kann nicht mehr, reiten schon gar nicht. Aber damit kommt man ja nicht durch. Sowas interessiert die nicht. Frauen, die reiten, können auch Weltkonzerne befehligen.
Und so Trullas wie ich, die den ganzen Tag vor dem Rechner sitzen, sind so steif, dass das Pferd das Gefühl hat, es hat einen Rasenroboter auf sich sitzen.
Dann kommt Bewegung in die Sache, denn eine Bremse, ein Mördervieh, handtellergroß, will das Pferd stechen. Es fängt an zu tänzeln, tritt mit der Hufe, aber die Trainerin ist die Ruhe selbst und ich bleibe auch ruhig und sitze das aus.
Daher kommt übrigens das Wort 'aussitzen'. Das ist eine hohe Kunst. Ist auch was für's Leben, das ich ab jetzt beherzigen werde. Hysterie nützt nie.
Die Trainerin ist auch im Morden gut, zerquetscht die Monster-Bremse am Pferdearsch mit einem Schlag und schon ist wieder Ruhe im Karton. Ich darf wieder absteigen und diesmal gelingt es mir, vornübergebeugt mein rechtes Bein über den Pferdehintern zu schwingen und elegant herunterzuspringen. Schade, dass es zu spät ist, mich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren.
Da ich noch niemanden gefunden habe, der das Pferd wieder auszieht und auf die Weide bringt, bin ich dann doch noch beinah ein Fall für die Notfallambulanz geworden. Auf dem Weg von der Weide zurück stach die Sonne derart, dass mir kurz schwarz vor Augen wurde. Aber dafür konnte das Pferd nichts.
Sonntag, 17. Juli 2016
Der Himmel über Berlin
Nachdem ich mir eine Woche lang eine Auszeit genommen habe und nach dem Büro die Abende still auf dem Balkon gelegen und in den Himmel geschaut habe, mir quasi diesen gewaltigen Tritt in den Arsch weggehechelt habe (mein Körper tat sein übriges, erst zog ich ins Klo ein, dann zerhämmerte mir der Kopf und zum Schluss klemmte ich mir einen Nerv im Hals ein und konnte nur noch geradeaus kucken), was mir nur so halb gelang, ich daher beschloss, gar nicht mehr daran zu denken, weil es einfach so beschissen ist, dass ich keinen Schritt weiter komme mit Fleiß, Freundlichkeit und Kooperation nett sein... hach, mir schwillt schon wieder der Kamm, lassen wir das, also, nachdem diese Woche auch irgendwie rumgegangen ist, habe ich mich lustlos den Wochenendeinladungen gestellt.
Alle werden 50 - auch so eine Sache: wie konnte das passieren, dass wir alle schon so hornalt sind? Und so affenartig schnell ging das. Schon übermorgen steh ich an der Bushaltestelle, geh auf Rheumadeckenfahrt, als Lektüre die Apotheken-Rundschau auf's Ipad geladen.
Jedenfalls wurde heute zum Picknick geladen. Merkwürdigerweise nach Pankow, in den Bürgerpark. Der Jubilar wohnt gleich hinter dem KaDeWe. Ich lag vormittags schon wieder auf dem Balkon, erholte mich von dem samstäglichen 50. Geburtstag, den ich erst um 4 Uhr morgens verließ und sah in den strömenden Regen, sehr beruhigend war das; weniger beruhigend die Aussicht, dass ich mich in Bälde durch die ganze Stadt auf den Weg machen muss, um auf einer matschigen Wiese zu sitzen.
Als ich ankam, irrte ich eine Weile umher, weil ich den Rosengarten nicht fand, freundlicherweise beschrieb mir eine Frau den Weg. Der neben ihr sitzende Mann starrte angestrengt in sein Handy und schnaufte verächtlich, als ich weiterging - ich wollte schon heulen, weil ich doch gerade so sensibel bin. Plötzlich stoppte er neben mir auf seinem Rad.
"Es is ma'n Bedürfnis."
"Ja?"
"Se sind uff'm falschen Weje. Die Madame hatte keene Ahnung. Jehnse mal zurück und hintam Café rechts rin, dann könnses nich vafehln. Ick vasteh dis eenfach nich, wennde Leute keene Ahnung habn, sollnse eenfach de Klappe halten. Juten Tach und juten Weech."
Ich steh auf Berlin.
Weiter irritierte mich, dass wir uns in einer Einflugschneise befanden, im Drei-Minuten-Takt donnerten uns die Flugzeuge direkt über den Haaransatz. Ich fragte das Geburtstagskind, weshalb wir hier feiern.
"Die Marie hat heute auch Geburtstag, da sie hier in der Nähe wohnt, wollten wir hier zusammen feiern, aber sie hat eben abgesagt, die Grippe."
Marie ist seine Tochter, eine typische u-30-Hedonistin, die daran gewöhnt ist, dass sie einen liebenden Vater und deshalb Urvertrauen im Übermaß hat, was leider gar nicht das gebracht hat, was vor ca. 25 Jahren erhofft wurde, als es ganz modern war, Kindern von Anfang an einzubläuen, dass sie qua Geburt und durch die Bank Master of the Universe sind - ich selbst bin da keine Ausnahme - irgendwie dachten wir alle, wir müssen es dringend anders machen als unsere Eltern, damit aus den lieben Kleinen starke große Leute werden, voller Selbstgewissheit. Aber pampern allein ist auch nicht die Lösung, wie sich jetzt zeigt.
Anyway, wegen Marie also befanden wir uns in einem Inferno. Gespräche waren schwierig, weil wir uns alle drei Minuten anbrüllen mussten, um uns noch zu verstehen. Ich hielt es genau drei Stunden aus, was ich für eine beachtliche Leistung halte, dann trollte ich mich wieder in den lauschigen Berliner Süden.
Und schon lag ich wieder auf dem Balkon, starrte in den Himmel und dachte noch eine Weile über das Paar nach, das ich beim Picknick kennengelernt hatte. Ein unglaublich gutaussehender 25 jähriger, groß, trainiert, à la mode von Hacke bis Nacke tätowiert, einer Stimme wie Seide und sanft wie ein Lamm. Sie 52, klein, drahtig, androgyn, mit einer unglaublich tiefen, versoffenen Stimme.
Wo die Liebe hinfällt. Beneidenswert, Rheumadecken wird sie nicht brauchen.
Alle werden 50 - auch so eine Sache: wie konnte das passieren, dass wir alle schon so hornalt sind? Und so affenartig schnell ging das. Schon übermorgen steh ich an der Bushaltestelle, geh auf Rheumadeckenfahrt, als Lektüre die Apotheken-Rundschau auf's Ipad geladen.
Hab neulich gelesen, dass Deutschland noch nie soviele Frauen hatte, die zur selben Zeit in die Wechseljahre kommen. Ich möchte nicht gerade behaupten, dass von mir eine ernsthafte Gefahr ausgeht, aber wenn ich ehrlich bin, so cirka dreimal pro Tag möchte ich schon ein Kapitalverbrechen begehen. Aber das ist ein anderes Thema.
Jedenfalls wurde heute zum Picknick geladen. Merkwürdigerweise nach Pankow, in den Bürgerpark. Der Jubilar wohnt gleich hinter dem KaDeWe. Ich lag vormittags schon wieder auf dem Balkon, erholte mich von dem samstäglichen 50. Geburtstag, den ich erst um 4 Uhr morgens verließ und sah in den strömenden Regen, sehr beruhigend war das; weniger beruhigend die Aussicht, dass ich mich in Bälde durch die ganze Stadt auf den Weg machen muss, um auf einer matschigen Wiese zu sitzen.
Als ich ankam, irrte ich eine Weile umher, weil ich den Rosengarten nicht fand, freundlicherweise beschrieb mir eine Frau den Weg. Der neben ihr sitzende Mann starrte angestrengt in sein Handy und schnaufte verächtlich, als ich weiterging - ich wollte schon heulen, weil ich doch gerade so sensibel bin. Plötzlich stoppte er neben mir auf seinem Rad.
"Es is ma'n Bedürfnis."
"Ja?"
"Se sind uff'm falschen Weje. Die Madame hatte keene Ahnung. Jehnse mal zurück und hintam Café rechts rin, dann könnses nich vafehln. Ick vasteh dis eenfach nich, wennde Leute keene Ahnung habn, sollnse eenfach de Klappe halten. Juten Tach und juten Weech."
Ich steh auf Berlin.
Weiter irritierte mich, dass wir uns in einer Einflugschneise befanden, im Drei-Minuten-Takt donnerten uns die Flugzeuge direkt über den Haaransatz. Ich fragte das Geburtstagskind, weshalb wir hier feiern.
"Die Marie hat heute auch Geburtstag, da sie hier in der Nähe wohnt, wollten wir hier zusammen feiern, aber sie hat eben abgesagt, die Grippe."
Marie ist seine Tochter, eine typische u-30-Hedonistin, die daran gewöhnt ist, dass sie einen liebenden Vater und deshalb Urvertrauen im Übermaß hat, was leider gar nicht das gebracht hat, was vor ca. 25 Jahren erhofft wurde, als es ganz modern war, Kindern von Anfang an einzubläuen, dass sie qua Geburt und durch die Bank Master of the Universe sind - ich selbst bin da keine Ausnahme - irgendwie dachten wir alle, wir müssen es dringend anders machen als unsere Eltern, damit aus den lieben Kleinen starke große Leute werden, voller Selbstgewissheit. Aber pampern allein ist auch nicht die Lösung, wie sich jetzt zeigt.
Anyway, wegen Marie also befanden wir uns in einem Inferno. Gespräche waren schwierig, weil wir uns alle drei Minuten anbrüllen mussten, um uns noch zu verstehen. Ich hielt es genau drei Stunden aus, was ich für eine beachtliche Leistung halte, dann trollte ich mich wieder in den lauschigen Berliner Süden.
Und schon lag ich wieder auf dem Balkon, starrte in den Himmel und dachte noch eine Weile über das Paar nach, das ich beim Picknick kennengelernt hatte. Ein unglaublich gutaussehender 25 jähriger, groß, trainiert, à la mode von Hacke bis Nacke tätowiert, einer Stimme wie Seide und sanft wie ein Lamm. Sie 52, klein, drahtig, androgyn, mit einer unglaublich tiefen, versoffenen Stimme.
Wo die Liebe hinfällt. Beneidenswert, Rheumadecken wird sie nicht brauchen.
Donnerstag, 14. Juli 2016
Nachwehen
Ich lieg auf dem Sofa, das sehr groß ist und deshalb komme ich mir klein vor, innen wie außen. Ich schlaf auch gleich ein, ohne Decke; tagsüber schlafen ist eine passive und sehr angenehme Art, sich die Wunden zu lecken. Nach drei Stunden werde ich wach, weil jemand anruft. Ich geh nicht ran. Fühle mich benommen und immer noch lütsch. Erinnere mich, wie mein Oppa immer Püppi zu mir gesagt hat.
Fühl mich so winzig, dass ich gar nicht verstehe, dass alles, was ich sehe, mir gehört. Habe ich nicht eben noch bei meinen Eltern gewohnt, in meinem kleinen Dachzimmer mit den schrägen Wänden, dem honigfarbenen Licht, zur Westseite hin? Hat nicht eben noch mein Vater gerufen, dass ich zum Abendessen runterkommen soll? Oder zur Bescherung. Roch nicht eben noch alles nach Uhu?
Wie konnte das so schnell gehen, dass ich jetzt hier lebe, umgeben von all den Sachen, die ich im Lauf der Jahre angehäuft habe. Es ist so erstaunlich, was mir alles gehört, wie etabliert das aussieht und überlege, was das wohl alles wert ist. Ich fange an zu zählen und höre nach einer Minute wieder auf, was soll denn dieses bilanzieren auch? Außerdem bin ich nicht gut im rechnen, schon gar nicht mit retardierter Matschbirne.
Bleibe noch eine Weile in den weichen Kissen liegen und wünschte, ich könnte noch mal alle Verantwortung für mein Leben abgeben, an eine höhere Instanz, genannt Eltern, die für alles sorgen und mit denen ich Samstag Abend Wetten dass kucken könnte und meine Mutter würde für uns alle ein Schüsselchen mit geschälten Orangen bringen oder warmen Schokoladenpudding mit Leibnizkeksen drin. Und mein einziges Problem wäre, dass sie mich zu früh ins Bett schicken.
Dabei hatte ich damals noch Angst vor der Geisterstunde, Frau Lavendel schrieb neulich drüber. Ich sah also schon zu, dass ich vor Mitternacht einschlief, wer weiß, was alles passieren würde. Jedes Mal, wenn ich nachts auf Toilette musste, war ich überzeugt, dass mich im dunklen Flur ein Gerippe erwarten würde. Und wie groß war erst der Schreck, als mir klar wurde, dass ich auch ein Gerippe habe, direkt unter meiner Haut, ziemlich nah fand ich das. Ich überlegte, wie wohl mein Schädel aussieht und gruselte mich zu Tode. So gesehen waren das auch handfeste Probleme.
Später am Abend übernimmt mein erwachsenes Selbst wieder das Ruder und ich lache ziemlich oft, als ich eine Persiflage auf diverse Horrofilme sah. Scream 5 oder so ähnlich. So groß bin ich schon, dass ich mir das angucke, jawohl. Es war allerdings auch weit vor Mitternacht.
Fühl mich so winzig, dass ich gar nicht verstehe, dass alles, was ich sehe, mir gehört. Habe ich nicht eben noch bei meinen Eltern gewohnt, in meinem kleinen Dachzimmer mit den schrägen Wänden, dem honigfarbenen Licht, zur Westseite hin? Hat nicht eben noch mein Vater gerufen, dass ich zum Abendessen runterkommen soll? Oder zur Bescherung. Roch nicht eben noch alles nach Uhu?
***
Wie konnte das so schnell gehen, dass ich jetzt hier lebe, umgeben von all den Sachen, die ich im Lauf der Jahre angehäuft habe. Es ist so erstaunlich, was mir alles gehört, wie etabliert das aussieht und überlege, was das wohl alles wert ist. Ich fange an zu zählen und höre nach einer Minute wieder auf, was soll denn dieses bilanzieren auch? Außerdem bin ich nicht gut im rechnen, schon gar nicht mit retardierter Matschbirne.
Bleibe noch eine Weile in den weichen Kissen liegen und wünschte, ich könnte noch mal alle Verantwortung für mein Leben abgeben, an eine höhere Instanz, genannt Eltern, die für alles sorgen und mit denen ich Samstag Abend Wetten dass kucken könnte und meine Mutter würde für uns alle ein Schüsselchen mit geschälten Orangen bringen oder warmen Schokoladenpudding mit Leibnizkeksen drin. Und mein einziges Problem wäre, dass sie mich zu früh ins Bett schicken.
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Dabei hatte ich damals noch Angst vor der Geisterstunde, Frau Lavendel schrieb neulich drüber. Ich sah also schon zu, dass ich vor Mitternacht einschlief, wer weiß, was alles passieren würde. Jedes Mal, wenn ich nachts auf Toilette musste, war ich überzeugt, dass mich im dunklen Flur ein Gerippe erwarten würde. Und wie groß war erst der Schreck, als mir klar wurde, dass ich auch ein Gerippe habe, direkt unter meiner Haut, ziemlich nah fand ich das. Ich überlegte, wie wohl mein Schädel aussieht und gruselte mich zu Tode. So gesehen waren das auch handfeste Probleme.
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Später am Abend übernimmt mein erwachsenes Selbst wieder das Ruder und ich lache ziemlich oft, als ich eine Persiflage auf diverse Horrofilme sah. Scream 5 oder so ähnlich. So groß bin ich schon, dass ich mir das angucke, jawohl. Es war allerdings auch weit vor Mitternacht.
Dienstag, 12. Juli 2016
fucked up
Wenn man der hinduistischen Theorie folgt, dass man den Scheiß, den man in früheren Leben verbrochen hat, als Wiedergeborene auszubaden hat, dann muss ich in vorherigen Inkarnationen einigen Mist verzapft haben.
Nicht, dass ich wirklich viel zu klagen hätte, es bewegt sich doch alles in einem Rahmen, um den mich die Hälfte der Weltbevölkerung heiß beneiden würde. Aber in meinem eigenen kleinen Mikrokosmos, so um den Bauchnabel herum, werde ich derzeit gefordert.
Jetzt habe ich es sogar zu einem Bauernofper gebracht. Also, nicht ich habe jemanden geopfert (das sähe mir auch nicht ähnlich), sondern ich bin das Bauernopfer.
Da sollte und - nach längerer Überlegung - wollte ich mich verändern, was mich einige schlaflose Nächte gekostet hat (leider weiß man immer erst hinterher, ob es gut ausgehen wird). Ich warf meinen Hut in den Ring, getreu dem Motto no risk, no fun. So groß war das Risiko nicht, denn man wollte mich haben.
Aber es kam, wie es öfter kommt. Jemand muss dringend versorgt werden, weil er so schön schweigt, pekuniär wohl ausgestattet, aber ohne nennenswerte Weisungsbefugnisse und ohne Zugehörigkeit in den erlauchten Zirkel der wirklich großen Jungs. Und dann wurde gebastelt im Verschiebebahnhof. Das Interieur bekam ein saftiges Upgrade, damit nicht allzu augenscheinlich wird, dass es keine echte Club-Mitgliedschaft ist. Lohnt sich trotzdem, und letztlich hat jeder seinen Preis.
Et moi? Zurück ins Glied. Ach die... die hat doch jetzt den, den sie immer haben wollte. Das versteht die schon. Und wenn nicht, wen interessiert's?
Nicht, dass ich wirklich viel zu klagen hätte, es bewegt sich doch alles in einem Rahmen, um den mich die Hälfte der Weltbevölkerung heiß beneiden würde. Aber in meinem eigenen kleinen Mikrokosmos, so um den Bauchnabel herum, werde ich derzeit gefordert.
Jetzt habe ich es sogar zu einem Bauernofper gebracht. Also, nicht ich habe jemanden geopfert (das sähe mir auch nicht ähnlich), sondern ich bin das Bauernopfer.
Da sollte und - nach längerer Überlegung - wollte ich mich verändern, was mich einige schlaflose Nächte gekostet hat (leider weiß man immer erst hinterher, ob es gut ausgehen wird). Ich warf meinen Hut in den Ring, getreu dem Motto no risk, no fun. So groß war das Risiko nicht, denn man wollte mich haben.
Aber es kam, wie es öfter kommt. Jemand muss dringend versorgt werden, weil er so schön schweigt, pekuniär wohl ausgestattet, aber ohne nennenswerte Weisungsbefugnisse und ohne Zugehörigkeit in den erlauchten Zirkel der wirklich großen Jungs. Und dann wurde gebastelt im Verschiebebahnhof. Das Interieur bekam ein saftiges Upgrade, damit nicht allzu augenscheinlich wird, dass es keine echte Club-Mitgliedschaft ist. Lohnt sich trotzdem, und letztlich hat jeder seinen Preis.
Et moi? Zurück ins Glied. Ach die... die hat doch jetzt den, den sie immer haben wollte. Das versteht die schon. Und wenn nicht, wen interessiert's?
Mittwoch, 6. Juli 2016
Schlimme Bilder auf Zigarettenschachteln
Als ich eben Zigaretten kaufte, erwischte ich die erste Packung mit dem Bild einer Leiche, die gerade in einen Sack verzurrt wird. Drunter stand: "Rauchen verursacht Herzanfälle" Ich hoffe doch sehr, das war ein Mannequin und keine echte Leiche.
Ich wurde auch gleich sauer. Ich, die nicht trinkt (krieg ich Kreislauf von), noch nie Drogen genommen hat (viel zuviel Schiss) und fast immer Vollkornbrot isst, wird jetzt von Staats wegen in Angst und Schrecken versetzt.
Gerecht fänd ich, wenn auf jeder Pulle Alkohol Fotos von Säufern im Endstadium gezeigt werden. Mit Texten drauf "Trinken verursacht Leberzirrhose, ekligen Nachtschweiß, grauenvolle Verkehrsunfälle, stinklangweiliges Geschwafel, unattraktive Gangstörungen, missliche Persönlichkeitsveränderungen und den Hang zu Streitigkeiten mit wem auch immer".
DAS wär gerecht.
Ein Raucher ist doch von allen Substanzabhängigen der harmloseste Geselle. Er sitzt still in der Ecke, meistens allein, weil er ja in Gesellschaft kaum noch rauchen darf, er bekommt weder gute noch schlechte Laune vom rauchen, ist nicht manischer oder depressiver als sonst, er kann problemlos Auto fahren, ins Büro gehen und will auch nicht öfter jemanden vermöbeln, als ohnehin schon - er ist der Gemütsmensch unter den Süchtigen.
Inzwischen muss er schon Kleinkredite aufnehmen, um seine Sucht zu finanzieren, während es in bestimmten Etablissements (Lidl) den Sprit spottbillig gibt, geradezu hinterhergeschmissen, wenn auch keine Qualitätsware.
Bei anderen Süchtigen wird mitfühlend anerkannt, dass es sich um eine Sucht handelt, behandlunsgbedürftig, krankhaft, allein nicht zu schaffen, auf gar keinen Fall. Arbeitgeber sind dazu angehalten, ihre Fürsorgepflicht gegenüber einem Mitarbeiter zu erfüllen, der über das Stadium hinaus ist, seine Sucht mehr oder weniger erfolgreich verbergen zu können.
Ein Raucher hingegen wird verächtlich als Luftverpester gehandelt, der sich nicht im Griff hat. Alle Nichtraucher, die gerne mal was trinken, möchte ich erleben, wenn eine Flasche Bier 7 € kosten würde, wenn es keine Kneipe mehr geben würde, in denen sie trinken dürften, oder wenn jemand neben ihnen in der Kneipe sagen würde: "Müssen Sie hier unbedingt trinken, ich bin schwanger.", wenn sie zuhause nur noch trinken dürften, wenn sie allein leben, wenn sie Trinker Ecken aufsuchen müssten, im Winter und im strömenden Regen. Ich hör es schon "In der Trinker Ecke ist es immer am gemütlichsten!"
Je länger ich drüber nachdenke, desto besser finde ich die Idee. Aus paritätischen Gründen.
Natürlich müsste es dann - wie zur Prohibition - geheime Treffpunkte geben, in denen Raucher und Trinker entspannt zusammen sitzen, mit Freizeitkleidung in gefälligen Farben und ein jeder den lieben Gott einen guten Mann sein lässt.
Ich wurde auch gleich sauer. Ich, die nicht trinkt (krieg ich Kreislauf von), noch nie Drogen genommen hat (viel zuviel Schiss) und fast immer Vollkornbrot isst, wird jetzt von Staats wegen in Angst und Schrecken versetzt.
Gerecht fänd ich, wenn auf jeder Pulle Alkohol Fotos von Säufern im Endstadium gezeigt werden. Mit Texten drauf "Trinken verursacht Leberzirrhose, ekligen Nachtschweiß, grauenvolle Verkehrsunfälle, stinklangweiliges Geschwafel, unattraktive Gangstörungen, missliche Persönlichkeitsveränderungen und den Hang zu Streitigkeiten mit wem auch immer".
DAS wär gerecht.
Ein Raucher ist doch von allen Substanzabhängigen der harmloseste Geselle. Er sitzt still in der Ecke, meistens allein, weil er ja in Gesellschaft kaum noch rauchen darf, er bekommt weder gute noch schlechte Laune vom rauchen, ist nicht manischer oder depressiver als sonst, er kann problemlos Auto fahren, ins Büro gehen und will auch nicht öfter jemanden vermöbeln, als ohnehin schon - er ist der Gemütsmensch unter den Süchtigen.
Inzwischen muss er schon Kleinkredite aufnehmen, um seine Sucht zu finanzieren, während es in bestimmten Etablissements (Lidl) den Sprit spottbillig gibt, geradezu hinterhergeschmissen, wenn auch keine Qualitätsware.
Bei anderen Süchtigen wird mitfühlend anerkannt, dass es sich um eine Sucht handelt, behandlunsgbedürftig, krankhaft, allein nicht zu schaffen, auf gar keinen Fall. Arbeitgeber sind dazu angehalten, ihre Fürsorgepflicht gegenüber einem Mitarbeiter zu erfüllen, der über das Stadium hinaus ist, seine Sucht mehr oder weniger erfolgreich verbergen zu können.
Ein Raucher hingegen wird verächtlich als Luftverpester gehandelt, der sich nicht im Griff hat. Alle Nichtraucher, die gerne mal was trinken, möchte ich erleben, wenn eine Flasche Bier 7 € kosten würde, wenn es keine Kneipe mehr geben würde, in denen sie trinken dürften, oder wenn jemand neben ihnen in der Kneipe sagen würde: "Müssen Sie hier unbedingt trinken, ich bin schwanger.", wenn sie zuhause nur noch trinken dürften, wenn sie allein leben, wenn sie Trinker Ecken aufsuchen müssten, im Winter und im strömenden Regen. Ich hör es schon "In der Trinker Ecke ist es immer am gemütlichsten!"
Je länger ich drüber nachdenke, desto besser finde ich die Idee. Aus paritätischen Gründen.
Natürlich müsste es dann - wie zur Prohibition - geheime Treffpunkte geben, in denen Raucher und Trinker entspannt zusammen sitzen, mit Freizeitkleidung in gefälligen Farben und ein jeder den lieben Gott einen guten Mann sein lässt.
Dienstag, 5. Juli 2016
Mördermücken gefährden den Weltfrieden
Als wir am Samstag im Garten saßen und Fußball schauten (und dann noch weiter bis 3 Uhr morgens, erst 'Leon, der Profi' ((wo jemand bei der Schlusszene, als das Mädchen die Bezugspflanze von Leon im Garten verbuddelt, meinte 'Aber die ist doch nicht winterhart!')) und dann noch 'Sherlock', weil wir nicht müde wurden nach den 18 Elfmetern), wurde ich das Opfer einer Taliban Mücke.
Und zwar stach sie mir in den Knöchel, ganz in die Nähe eines anderen Stichs, der auch schon nicht ausieht wie ein Stich, sondern, als ob mir jemand ein winzig kleines Stück Fleisch rausgebissen hätte, so, als wäre das keine Mücke gewesen, sondern eine aus Nord Korea importierte Mini-Drohne, die ihre mörderischen Pläne zur Vernichtung der Menschheit an mir erprobt.
Jedenfalls haben sich diese fiesen neumodischen Insekten einer Invasion gleich in unserem Garten breit gemacht. Dabei wird doch immer gesagt, die Viecher sind nur in Süddeutschland von Belang, betreffs ihrer Fähigkeit zu nachhaltiger Gesundheitsbeeinträchtigung. Stimmt nicht, die sind jetzt hier, im beschaulichen Berlin, wo sie ein Start up nach dem anderen aus dem Boden stampfen.
Ich kann seitdem keine Nacht mehr durchschlafen, weil mich quälender Juckreiz und nicht unerhebliche Schmerzen aus meinen Träumen reißen. 40 Grad Fieber habe ich auch, lokal, also unten am Knöchel.
Heute, in einer langweiligen Besprechung, sah ich auf den Boden und die Kollegin neben mir tat mir schon sehr leid, wegen ihres unattraktiv plumpen Fußes, der nun wirklich keinen Fetischisten hinter dem Ofen hervor locken würde, also echt jetzt, das sah schon Scheiße aus, die Ärmste. Bis mir klar wurde, das ist mein Fuß.
Ich erschrak ein bisschen; das war nun eine Steigerung des Problems, vor der ich nicht mehr die Augen verschließen konnte, denn zwei Dinge an mir finde ich perfekt und das eine davon sind meine absolut hinreißenden Mädchenfüße, die sich gleichmütig jedem Alterungsprozess verweigern. Die sehen total unbenutzt aus, um nicht zu sagen betörend, ganz objektiv gesehen.
Und dann passierte noch etwas anderes in diesem ermüdenden Meeting. Etwas, was schon seit langem hätte passieren müssen. Jemand kühlte (schon wieder) sein Mütchen an mir und das war der Tropfen. Und ich? Stand auf und ging. War etwas von der Kraft der Mördermücke auf mich übergegangen? Sind das schon die ersten Persönlichkeitsveränderungen? Was werde ich demnächst alles tun, so ganz ohne Impulskontrolle und ohne die Fähigkeit to face the consequences? Man weiß es nicht.
Naja, und dann bin ich zum Arzt. Weil, solche Füße will ich nicht. Wer weiß, was dahinter steckt. Nicht, dass was Schlimmes draus wird. Ich will meinen BMI nicht durch eine Amputation verbessern, sondern nur durch Selbstliebe.
Und zwar stach sie mir in den Knöchel, ganz in die Nähe eines anderen Stichs, der auch schon nicht ausieht wie ein Stich, sondern, als ob mir jemand ein winzig kleines Stück Fleisch rausgebissen hätte, so, als wäre das keine Mücke gewesen, sondern eine aus Nord Korea importierte Mini-Drohne, die ihre mörderischen Pläne zur Vernichtung der Menschheit an mir erprobt.
Jedenfalls haben sich diese fiesen neumodischen Insekten einer Invasion gleich in unserem Garten breit gemacht. Dabei wird doch immer gesagt, die Viecher sind nur in Süddeutschland von Belang, betreffs ihrer Fähigkeit zu nachhaltiger Gesundheitsbeeinträchtigung. Stimmt nicht, die sind jetzt hier, im beschaulichen Berlin, wo sie ein Start up nach dem anderen aus dem Boden stampfen.
Ich kann seitdem keine Nacht mehr durchschlafen, weil mich quälender Juckreiz und nicht unerhebliche Schmerzen aus meinen Träumen reißen. 40 Grad Fieber habe ich auch, lokal, also unten am Knöchel.
Heute, in einer langweiligen Besprechung, sah ich auf den Boden und die Kollegin neben mir tat mir schon sehr leid, wegen ihres unattraktiv plumpen Fußes, der nun wirklich keinen Fetischisten hinter dem Ofen hervor locken würde, also echt jetzt, das sah schon Scheiße aus, die Ärmste. Bis mir klar wurde, das ist mein Fuß.
Ich erschrak ein bisschen; das war nun eine Steigerung des Problems, vor der ich nicht mehr die Augen verschließen konnte, denn zwei Dinge an mir finde ich perfekt und das eine davon sind meine absolut hinreißenden Mädchenfüße, die sich gleichmütig jedem Alterungsprozess verweigern. Die sehen total unbenutzt aus, um nicht zu sagen betörend, ganz objektiv gesehen.
Und dann passierte noch etwas anderes in diesem ermüdenden Meeting. Etwas, was schon seit langem hätte passieren müssen. Jemand kühlte (schon wieder) sein Mütchen an mir und das war der Tropfen. Und ich? Stand auf und ging. War etwas von der Kraft der Mördermücke auf mich übergegangen? Sind das schon die ersten Persönlichkeitsveränderungen? Was werde ich demnächst alles tun, so ganz ohne Impulskontrolle und ohne die Fähigkeit to face the consequences? Man weiß es nicht.
Naja, und dann bin ich zum Arzt. Weil, solche Füße will ich nicht. Wer weiß, was dahinter steckt. Nicht, dass was Schlimmes draus wird. Ich will meinen BMI nicht durch eine Amputation verbessern, sondern nur durch Selbstliebe.
Freitag, 1. Juli 2016
Reiten für Doofe
Diesmal war ich schlauer. Ich zog mich schon mal schicker an, falls ich wieder an Spiegeln vorbei reiten muss. Ich kramte trotz der Wärme meine Reithose aus dem Schrank, weil, es gibt keine Hose, in der graziler aussehe (was für sich gesehen praktisch ein Ding der Unmöglichkeit ist, aber sie holt das Beste aus mir raus), denn wenn man sich besser fühlt, kommt man auch besser auf's Pferd. Ich hab Mörderbeine in der Hose und vielleicht kommen die so hübsch verpackt besser über den Pferderücken, und so war es dann auch.
Vielleicht lag es auch daran, dass der Sattel fehlte, denn ich sollte ja mit diesem Voltigiergurt reiten, das ist so ein Ding mit zwei Haltegriffen, fast, als säße man im Bus und hielte sich am Sitz vor einem fest.
Aber erst mal stellte ich das Pferd in den Schatten, damit ich nach dem putzen und trensen und was weiß ich noch alles nicht gleich schon wieder mit Hitzschlag aufsteigen muss. Vor dem großen Moment sollte ich es scheuchen, damit es wirklich keinen Bock mehr hat, sich noch zu bewegen, wenn ich erst draufsitze.
Dazu führt man das Pferd auf einen kleinen runden Platz, hat eine Gerte mit einem langen Seil in der Hand und die muss man nur in Richtung Pferdepo leicht anheben und schon trabt es los. Das hat sich die Natur günstig ausgedacht, dass Pferde losrennen, wenn sich hinter ihnen was bewegt. In freier Wildbahn treiben Hengste so ihre Herde an und es ist erstaunlich, dass so ein läppisches Seil einen Hengst ersetzt. Und was noch toller ist: bewegt man sich aus der Mitte zwei Schritte in Richtung Pferdekopf, bremst es sofort, dreht sich um und rennt in die andere Richtung.
Ich selbst kämpfte gegen den Schwindel an, weil man sich ja nur auf der Stelle im Kreis bewegt, während das Pferd wie verrückt um einen herumgaloppiert. Mir wurde sehr karusselIich im Oberstübchen und leider lag der Platz in sengender Sonne. Wenigstens musste ich nicht selber im Galopp rumrennen. Die Besitzerin meinte irgendwann, das Pferd sei jetzt genug erwärmt und es sei hohe Zeit für den nächsten Schritt.
Was soll ich sagen? Ich bin eine Amazone. Ohne Sattel ist viel besser. Sie führte mich natürlich und ich musste gleich Übungen machen. Mit der rechten Hand an den linken Schuh kommen, mit der linken Hand hinten an den Schweif.
Ich war froh, dass ich das in einem unbeobachteten Moment üben konnte, denn ich bin die ungelenkigste Frau, die je versucht hat, Sitzgymnastik auf einem Pferd zu machen. Stellt euch einfach vor, dass ich im Grunde nur verhindert habe, wie ein Mehlsack entweder nach hinten oder vorne zu plumpsen. Das mit der Eleganz und der Körperspannung muss ich dringend optimieren, weil sich das Pferd sonst nur mit mir blamiert. Besser ging Arme über den Kopf, weit ausgestreckt (ich bin die Königin der Welt), jedenfalls durfte ich mich an den Haltegriffen nie festhalten, die waren nur für die Psychohygiene.
Wir latschten über Beton zwischen den Ställen und Reithallen umher und das Geräusch, dass es macht, wenn ein Pferd über Asphalt läuft, schläferte mich geradezu ein und ich kam dem Gefühl vom Glück der Erde ziemlich nah. Die Luft wie Seide, die Vögel zwitscherten, das Pferd schnaubte, ich klammerte nicht, bewegte mein Becken vorbildlich und versuchte, meine Sitzhöcker zu spüren, was mir nicht gelang, denn vor allem spürte ich die Wirbelsäule, aber nicht meine.
Hinterher aßen wir Bratkartoffeln auf der Terasse der Spelunke, die zum Hof gehört, es gesellten sich noch ein paar Leute dazu und erzählten von ihren weltbesten Unfällen zu Pferde. Das machen Reiter immer, wenn sie miteinander sprechen. Ich hörte aufmerksam zu. Retrospektiv wurde mir klar, dass ich mich doch irgendwie in Lebensgefahr befunden hatte, aber wie durch ein Wunder überlebt habe.
Vielleicht lag es auch daran, dass der Sattel fehlte, denn ich sollte ja mit diesem Voltigiergurt reiten, das ist so ein Ding mit zwei Haltegriffen, fast, als säße man im Bus und hielte sich am Sitz vor einem fest.
Aber erst mal stellte ich das Pferd in den Schatten, damit ich nach dem putzen und trensen und was weiß ich noch alles nicht gleich schon wieder mit Hitzschlag aufsteigen muss. Vor dem großen Moment sollte ich es scheuchen, damit es wirklich keinen Bock mehr hat, sich noch zu bewegen, wenn ich erst draufsitze.
Dazu führt man das Pferd auf einen kleinen runden Platz, hat eine Gerte mit einem langen Seil in der Hand und die muss man nur in Richtung Pferdepo leicht anheben und schon trabt es los. Das hat sich die Natur günstig ausgedacht, dass Pferde losrennen, wenn sich hinter ihnen was bewegt. In freier Wildbahn treiben Hengste so ihre Herde an und es ist erstaunlich, dass so ein läppisches Seil einen Hengst ersetzt. Und was noch toller ist: bewegt man sich aus der Mitte zwei Schritte in Richtung Pferdekopf, bremst es sofort, dreht sich um und rennt in die andere Richtung.
Ich selbst kämpfte gegen den Schwindel an, weil man sich ja nur auf der Stelle im Kreis bewegt, während das Pferd wie verrückt um einen herumgaloppiert. Mir wurde sehr karusselIich im Oberstübchen und leider lag der Platz in sengender Sonne. Wenigstens musste ich nicht selber im Galopp rumrennen. Die Besitzerin meinte irgendwann, das Pferd sei jetzt genug erwärmt und es sei hohe Zeit für den nächsten Schritt.
Was soll ich sagen? Ich bin eine Amazone. Ohne Sattel ist viel besser. Sie führte mich natürlich und ich musste gleich Übungen machen. Mit der rechten Hand an den linken Schuh kommen, mit der linken Hand hinten an den Schweif.
Ich war froh, dass ich das in einem unbeobachteten Moment üben konnte, denn ich bin die ungelenkigste Frau, die je versucht hat, Sitzgymnastik auf einem Pferd zu machen. Stellt euch einfach vor, dass ich im Grunde nur verhindert habe, wie ein Mehlsack entweder nach hinten oder vorne zu plumpsen. Das mit der Eleganz und der Körperspannung muss ich dringend optimieren, weil sich das Pferd sonst nur mit mir blamiert. Besser ging Arme über den Kopf, weit ausgestreckt (ich bin die Königin der Welt), jedenfalls durfte ich mich an den Haltegriffen nie festhalten, die waren nur für die Psychohygiene.
Wir latschten über Beton zwischen den Ställen und Reithallen umher und das Geräusch, dass es macht, wenn ein Pferd über Asphalt läuft, schläferte mich geradezu ein und ich kam dem Gefühl vom Glück der Erde ziemlich nah. Die Luft wie Seide, die Vögel zwitscherten, das Pferd schnaubte, ich klammerte nicht, bewegte mein Becken vorbildlich und versuchte, meine Sitzhöcker zu spüren, was mir nicht gelang, denn vor allem spürte ich die Wirbelsäule, aber nicht meine.
Hinterher aßen wir Bratkartoffeln auf der Terasse der Spelunke, die zum Hof gehört, es gesellten sich noch ein paar Leute dazu und erzählten von ihren weltbesten Unfällen zu Pferde. Das machen Reiter immer, wenn sie miteinander sprechen. Ich hörte aufmerksam zu. Retrospektiv wurde mir klar, dass ich mich doch irgendwie in Lebensgefahr befunden hatte, aber wie durch ein Wunder überlebt habe.
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