Donnerstag, 21. Juli 2016

My first Pony

Gestern war es ja nun sehr heiß. Und ich musste zum Pferd. Ich habe hin und her überlegt, ob ich mir das antue, in glühender Hitze mit gefütterten Stiefeln - Flip Flops sind verboten. Außerdem ist kürzlich ein schrecklicher Unfall passiert. Eine Reiterin wollte ihr Pferd von der Weide holen und da dreht es sich auf einmal um, keilt aus und sie hat jetzt keine Zähne mehr und jeden einzelnen Knochen gebrochen, der im Gesicht brechen kann.

Bin sehr nachdenklich geworden, ob das wirklich das richtige Hobby für mich ist. Es kann eine Menge passieren, weil ein Pferd immer denkt, es wird gleich gefressen. Eine ganz blöde Sache ist das. Dann bricht es plötzlich zur Seite aus, weil eine Weinbergschnecke den Weg kreuzt und wenn ich Pech habe, steh ich falsch. Das ist nichts, was ich kontrollieren kann, niemand kann das.

Und das ist nun mal meine Ur-Angst. Dass irgendwas passiert, womit ich nicht rechne und dem ich nicht ausweichen kann, weil es viel zu schnell passiert.

Ist bestimmt was psychologisches und lässt sich auf mein Leben übertragen, irgendein Grundkonflikt, ein Master-Konflikt, die Mutter aller Konflikte. Ich lerne was für's Leben.

Inzwischen kann ich mich schon richtig harsch durchsetzen, wenn es nicht so will wie ich. Es tut mir auch nur noch ganz wenig leid, dass es sich meinem Willen beugen muss, obwohl mir ja immer lieber ist, dass alle zufrieden sind. Zufrieden ist das Pferd aber nur, wenn ich weiß, was ich will. Alles andere verunsichert es nur und dann wird's nervös, weil es denkt, ich kann es nicht beschützen vor den Weinbergschnecken. Eine Memme darf man nicht sein neben 600 Kilo Fluchtfleisch.

Heute früh die erste offizielle Reitstunde. Also mit einer richtigen Reitlehrerin, mit allem pipapo. Ich bin schon ganz früh da, um 8 Uhr, weil ich noch niemanden gefunden habe, der mir das Pferd putzt und trennst und sattelt. Und selber können die sich ja nicht anziehen. 

Mir ist ein bißchen flau, weil es schon so schwülheiß ist. Ich bin ganz allein, bis auf die polnischen Pferdepfleger, die die Tiere auf die Weide bringen, die Ställe ausmisten und mit ihren Baggern das Heu rankarren. Sie grüßen freundlich, aber sie sehen auch nicht so aus, als wenn sie mir unter die Arme greifen wollten. 

Nach einer halben Stunde bin ich mit allem fertig, ich habe eine weitere halbe Stunde Zeit, bis die Trainerin kommt. Die Spelunke hat noch nicht auf und mein halber Liter Wasser ist längst getrunken. So müssen sich Leute in der Wüste Gobi fühlen. Ich bin schweißgebadet, diese verdammte Reithose würde mich auch auf der Zugspitze wärmen.

Dem Pferd scheint es gut zu gehen, also denke ich, werde ich es mal aufwärmen, damit es nachher keine Kraft mehr hat, mich abzuwerfen. Nach drei Runden im Galopp immer um mich herum bin ich einer Ohnmacht nahe, so schwindelig ist mir. Aber ich darf jetzt nicht nachlassen, es soll platt sein, wenn ich draufsteige. Nach 15 Minuten bin ich praktisch nicht mehr unter den Lebenden, nur meine Hülle steht in der Mitte. Ich hör mich Sachen sagen, wie "Auf", "Galopp" und "Hopp", ich glaube, ich hab Schaum vorm Maul.

Als die Trainerin kommt, falle ich ihr in die Arme, mirissoheiss, ich kann nicht mehr, reiten schon gar nicht. Aber damit kommt man ja nicht durch. Sowas interessiert die nicht. Frauen, die reiten, können auch Weltkonzerne befehligen. 

Mit der Hebebühne Ganz allein steige ich auf's Pferd und schon bin ich froh, dass ich endlich sitzen kann. Ist auch gleich viel luftiger da oben. Ca. 20 Sekunden führt sie mich, dann übergibt sie mir die Zügel - das war so nicht geplant von mir. Dann hält sie mir verschiedene Vorträge, wie man richtig sitzt und so weiter. Das hört sich jetzt nach nichts an, richtig sitzen, das kann doch jeder. Schon, aber auf einem Pferd ist es das Einzige, was man können muss. Und das Schwierigste zugleich. Alles mögliche kann passieren, wenn man das nicht draufhat.

Und so Trullas wie ich, die den ganzen Tag vor dem Rechner sitzen, sind so steif, dass das Pferd das Gefühl hat, es hat einen Rasenroboter auf sich sitzen.

Dann kommt Bewegung in die Sache, denn eine Bremse, ein Mördervieh, handtellergroß, will das Pferd stechen. Es fängt an zu tänzeln, tritt mit der Hufe, aber die Trainerin ist die Ruhe selbst und ich bleibe auch ruhig und sitze das aus.  

Daher kommt übrigens das Wort 'aussitzen'. Das ist eine hohe Kunst. Ist auch was für's Leben, das ich ab jetzt beherzigen werde. Hysterie nützt nie.

Die Trainerin ist auch im Morden gut, zerquetscht die Monster-Bremse am Pferdearsch mit einem Schlag und schon ist wieder Ruhe im Karton. Ich darf wieder absteigen und diesmal gelingt es mir, vornübergebeugt mein rechtes Bein über den Pferdehintern zu schwingen und elegant herunterzuspringen. Schade, dass es zu spät ist, mich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. 

Da ich noch niemanden gefunden habe, der das Pferd wieder auszieht und auf die Weide bringt, bin ich dann doch noch beinah ein Fall für die Notfallambulanz geworden. Auf dem Weg von der Weide zurück stach die Sonne derart, dass mir kurz schwarz vor Augen wurde. Aber dafür konnte das Pferd nichts.

10 Kommentare:

  1. Ich sollte aufhören deinen Blog im Büro zu lesen. Als ich mir einen Rasenroboter auf einem Pferd vorstellte hatte ich ganz schön zu tun nicht zu lachen.... :D

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    1. ;)
      Darf man bei dir im Büro nicht lachen?

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    2. Darf man natürlich. Aber dann kommt sicher die Frage über was ich lache und was ich da mache ;), nicht so gut....

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    3. Was liebe ich mein Einzelbüro!

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  2. Unter all diesen Gesichtspunkten würde ich Reiten zu den Extremsportarten rechnen :) extrem für Mensch und Tier .. Tapfer ziehst du es durch!

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    1. So habe ich das noch gar nicht gesehen: ich bin eine Extremsportlerin. Danke für den Hinweis:))

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    2. Gerne :)

      Hab deinen Post verlinkt, ne eigentlich sind es 3 Posts, weil ich gerne bei dir lese und ich deine Schreibe sehr mag ...

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    3. Danke für die Blumen :)

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  3. Pferde sind prinzipiell großartig.
    Ich bin mit ihnen aufgewachsen (Eltern haben welche gezüchtet) und hatte deshalb erstens im Sommer kaum Zeit fürs Freibad (Kinderarbeit auf dem Feld und so) und zweitens die Gelegenheit, das Ausstrahlen von Ruhe und Autorität gegenüber maximal 500 Kilo (Trakehner sind die etwas elegantere Warmblutversion, die werden nicht so bullig) Fluchtfleisch zu lernen.
    Wenn man raushat, dass man einen verspielt anstürmenden Junghengst rein durch ein sich-zu-im-direkt-umdrehen-dann-aufrichten-und-die-Arme-zur-Seite-nehmen von 50km/h auf Null bremsen kann, bekommt man Allmachtsphantasien. :)

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    1. Deine Kindheit muss ein Traum gewesen sein.
      Mein Kaltblut ist übrigens ein vergleichsweise schmales Kaltblut.
      Und bis ich mich Hengsten in den Weg stelle, werden weitere fünf Jahre vergehen. :))

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