Montag, 28. September 2015

Nichts bleibt wie es ist

Schon wieder in der Heimat. Diesmal aber ganz schlau: meine Gartenliege eingepackt, weil ich auf den Puppenstubensofas meiner Mutter Rücken kriege. Ich wär öfter dort, wenn's was zum rumlümmeln gäbe. So greine ich seit Jahr und Tag, vor allen an Weihnachten, wenn sich die heilige Familie zusammenfindet, eng gedrängt und geduckt, denn sie schafft es auch immer noch, eine kapitale Nordmanntanne in die Ecke zu quetschen. 

In der kleinsten Hütte ist Raum, wenn man nur gut packen kann. Ich hab den Trumm von Liege tatsächlich in mein lüttes Auto bekommen und die 5. Staffel von Downton Abbey noch dazu. Mir war klar, dass ich Abends Erholung brauchen werde, denn die Gründe für meinen Besuch waren trauriger Natur. Mehrere Freundinnen trafen sich bei der einen, die im Kaff geblieben ist. 

Ich habe ja schon ab und an erwähnt, dass ich vom sterben nichts halte. Ich prangere das an. Als ich klein war, gab es mal eine Raumschiff Enterprise Folge, die mich entrüstet hat: Besuch auf einem Planeten, auf dem niemand älter als 25 Jahre werden durfte. Wenn es soweit war, wurden die irgendwo hingeführt und dann mussten sie unter dubiosen Umständen sterben. Ich fand das eine Sauerei. 

Bis mir klar wurde: auf meinem Heimatplaneten sieht die Sache nicht viel besser aus (Mal ganz abgesehen von dem göttlichen Kniff, dass man blind wird, wenn man direkt in den Stern guckt, der uns überhaupt am Leben hält). Nur weiß man hier nicht, wann es soweit ist. Ich halte es bis heute für eine der größten Grausamkeiten, zu wissen, wann und wie es geschehen wird. Dank Google und Freunden im Medizinbereich kann man sich eine umfassende Halbbildung anschaffen. Wir wissen einfach zu viel.

Jedenfalls schlenderten wir durch's Dorf bis zu einem lauschigem Garten Café. Dort berieten wir uns. Dass die Einschläge näher kommen. Und dass Altwerden wirklich beschissen ist. Das der Eltern und das eigene sowieso. Dass wir jetzt Zipperlein haben, bestenfalls. Dass es nicht mehr besser wird, allem Anschein nach. Dass da jetzt jemand zuhause sitzt und um sein Leben kämpft, obwohl er doch gerade noch mit 200 Sachen auf seinem Motorrad durch den Harz gekachelt ist. Und seine bekümmerte Frau, mit der war ich doch gestern noch im Steinbruch, um künstlerisch wertvolle Fotos in zweifelhaften Posen zu knipsen. Ich seh uns immer noch am See liegen und murmeln "Er guckt schon wieder rüber." 

Und jetzt? Jetzt geht die andere mit der Mutter zum Arzt, weil sie im Hotel stundenlang umhergeirrt ist auf dem Weg vom Zimmer zum Speisesaal. Sie erkennt mich gerade noch mit Ach und Krach, klein und durchsichtig ist sie jetzt, dabei hat sie doch erst neulich auf der Hochzeit ihrer Tochter getanzt, in ihrem Leopardenjäckchen. 

Auf der Rückfahrt nach Berlin hörte ich die Hörbar Rust, weil ich grundsätzlich nur Radio 1 höre und da wurde ein Lied von Tom Waits gespielt und dann musste ich ein bißchen weinen. Weil nichts bleibt wie es ist.

6 Kommentare:

  1. Tom Waits? Von dem kenne ich nur "Jersey Girl" - ich mag den Song sehr.
    Manchmal wünschte ich, wir könnten wählen zwischen den Dingen, die bleiben sollten wie sie sind - und denen, die sich bitte verändern mögen.

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    1. https://m.youtube.com/watch?v=TKQaSZXEK2s
      Grapefruit Moon

      Das wünschte ich mir auch.

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    2. Ui.... Dieser Titel... hat ja seinen Finger genau in die Wunde gelegt.

      Hier ist der, den ich meinte:
      https://www.youtube.com/watch?v=j-ROB8kI_fw

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    3. Auch schön. Muss mir mal was von ihm holen.

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  2. Du bist aber nicht gut drauf, oder? Mach mal wieder ordentlich einen drauf - das hilft!

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