Mittwoch, 18. Februar 2015

Neues vom Praktikanten

Der Kugelblitz wird in die Annalen eingehen, ich spür das; schon jetzt eine interaktive  Legende. 

Wir gehen gemeinsam in den Fahrstuhl. Er lehnt sich lässig an die Wand, betrachtet mich sinnend mit halb geschlossenen Augen (Ich hatte sie alle), "Und? Wie geht's uns heute?" Ich fang an zu lachen. Er: "Ich mein ja nur. Frag ich halt nicht mehr, wie's dir geht." - "Kannste schon, aber wir sind ja nicht bei der Visite."

Ausnahmsweise Mittagspause mit einer Kollegin. Normalerweise hasse ich das. Will nix sehen, hören oder reden. Ich geh nicht aus strategischen Gründen essen. Nur mit Leuten, die ich gerne habe und nicht nerven. Sitze also in der Kantine mit Blingbling, einer Kollegin, die von Hacke bis Nacke appliziert ist mit schauerlichem Glimmerzeug, aber sie ist ein Seelchen, man muss sie gern haben und so schimmert sie vor sich hin und wir erfreuen uns an unserem Schwatz. Wie aus dem Nichts segelt der Praktikant auf uns zu "Ich hab euch gar nicht gesehen!", empört er sich und setzt sich zu uns, ohne zu fragen, ob er stört. Ich nehme an, seine Eltern haben ihm eingetrichtert, dass er allerliebst und jedem Mitmenschen ein Quell der Freude ist. Wir gucken irritiert, unser Gespräch stockt, sind aber sowieso kurz vor dem Aufbruch. "Wir gehen dann mal." - Er sieht auf: "Dann geht mit Gott, aber geht." Häää?

Veranstaltung, ich steh am Empfang mit meinen Helferlein in einer Reihe. Bringe kurz einen VIP an den VIP-Tisch, komme zurück, da steht der Praktikant an meinem Platz. Rührt sich keinen Millimeter weg. "Würdest du bitte?" - "Der Dings hat gesagt, ich soll mich hier hinstellen." - "Aha. Jetzt bin ich aber wieder hier." - "Er hat aber gesagt, dass ich mich hier hinstellen soll, damit ich den Ablauf mitbekomme." Als ob man zwei Meter weiter weg den Ablauf nicht auch mitbekommen würde. Und was will man schon mitkriegen? Gäste kommen, Gäste gehen, so ist das Leben. Ich aber muss an mein Tablet, um sie elektronisch abzuhaken. Er rührt sich nicht vom Fleck, ich kann ihn schlecht vor allen Leuten mit einer Rechts-Links-Kombination niederstrecken. Ich quetsche mich dazwischen, er ruht stoisch wie ein Fels in der Brandung. Ich versuche, nicht zu schreien.

Ich steh in der Küche und schnippel Obst. Er schleicht sich von hinten ganz dicht ran, ich erschreck mich zu Tode, "Darf ich mal?" und zupft mir Haare vom Rücken. Ich dreh mich um und seh ihn mordlustig an. "Ich mein ja nur." 

Demnächst mehr in diesem Theater. Falls er überlebt.

5 Kommentare:

  1. Falls DU überlebst.. ;)
    Große Güte, der Typ ist so emphatisch wie ein Teller bunte Knete. Krieg ich Schnappatmung von..

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  2. Wehret dem Anfang ... DAS sind die Kerle, die später zu unerträglichen Lehrern/Chefs/Ehemännern werden. Hätte sie doch bloß jemand im Referendariat/Praktikum/ersten Flirt gestoppt ;-)
    Annika ... die Nation vertraut auf dich ... nicht dass dieser Typ noch Bundes ... werden will!

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  3. Och, ich glaube, der ist ganz nett und fürsorglich zu seiner Freundin. Er gefällt sich halt als Elder Statesmen, idiotisch ist nur, dass er erst 26 ist. Außerdem ist Cheffe schuld, er hat ihm gesagt, dass er als Mann mit dem Blick von außen jederzeit seine Eindrücke kundtun soll. Er ist also im Auftrag des Herrn unterwegs.

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  4. Vielleicht solltet Ihr etwas Nachsicht üben mit den Kindern der Generation Praktikum, wie man die Sinnsuchenden heute nennt. Sie mussten schon als Babys etwas darstellen, in der frühkindlichen Förderung brillieren, damit ihre Eltern entspannt waren und zugleich sollten sie ganz sie selbst sein. Wer schon auf dem Töpfchen den tollsten Kackhaufen fabrizieren muss, agiert als Praktikant doch doppelt konditioniert: Auch wenn du noch wenig bist, tu so, als wärest du schon ein Großer. Vielleicht sagst du ihm das nächste Mal: "Du darfst dich hier ganz entspannen, genieße die Zeit, es wird das letzte Mal im Leben sein, wo du noch nichts leisten musst und trotzdem voll okay bist." Entweder bricht er in Tränen aus, weil er schon sein ganzes Leben darauf gewartet hat, dass ihm das jemand sagt, oder er macht in Zukunft einen großen Bogen um dich.
    So oder so kannst du nur gewinnen.

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  5. Eine ganz neue Sichtweise :) Gefällt mir.

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