Montag, 28. Dezember 2015

Und es begab sich...

Der heutige Abend war von allen Weihnachtsverabredungen der Skurrilste.

Eingeladen bei einer Kollegin, die in einer riesigen vollgestopften Altbauwohnung lebt, die ich zuvor noch nie betreten habe. Alle anderen auch noch nicht oder das letzte Mal vor zehn Jahren.

Daher war erstmal Wohnungsbegehung angesagt. Ich schau mir ja liebend gerne die Wohnungen anderer Leute an, aber diesmal wurde uns die Geschichte eines jeden Wandtellers (örgs), eines jeden Reisemitbringsels erklärt. 

Nach anderthalb Stunden (auf 150 qm kann man eine Menge Ehe-Historie unterbringen, außerdem gehören sie zu Sammlern von Gedöns "alles mit Zertifikat") konnten wir uns endlich hinsetzen, die immer anwesende Schwiegermutter meinte trocken, dass sie doch noch einen Museumsbesuch wagen könne nach der heutigen Tortur Führung, auch mit ihren 92 Jahren. 

Das Essen war erwartungsgemäß toll und ich kann Menschen gar nicht genug wertschätzen, die sich den ganzen Tag in die Küche stellen, um für andere Leute ein mehrgängiges Menü zu zaubern. Ich bin da rustikaler, ich kann zwei, drei Sachen, die nach was aussehen, aber keinerlei Mühe machen und die gibt es seit Jahren. 

Dann lagen wir satt und matt in den Seilen und unterhielten uns. Die Schwiegermutter begann ein Gespräch mit mir über Flüchtlinge und die Hilfsbereitschaft der Menschen, die allerdings doch viel besser angelegt wäre in ehrenamtlicher Betreuung von alten Menschen in Pflegeheimen, erstmal sollte man doch "den eigenen Leuten" helfen und weshalb niemand für die Alten auf die Barrikaden ginge, die ein schreckliches Dasein in Altenheimen zu erdulden hätten. 

Ihr Sohn, das sah ich aus den Augenwinkeln, lief rot an, stand auf und holte sein Tablet. Dann, inzwischen auf 180, verbat er sich diese "fürchterlichen Gesprächsthemen" und kündigte an, dass er uns nun eine moderne Fassung der Weihnachtsgeschichte vorlesen werde. Sein Tablet stürzte zwischendrin immer wieder ab, was ihn noch wütender machte, seine Frau versuchte mit hysterischem Gelächter zu deeskalieren, was der Gesamtsituation keinen Gefallen tat. 

Nach Ende des Vortrags unterhielt ich mich nunmehr mit meiner Kollegin über eigentlich belanglose Dinge, was ihm aber auch nicht gefiel und er unterbrach uns brüsk, dass er weitere Geschichten vorzutragen gedenke, diesmal nahm er sich ein Buch zur Hand, das könne wenigstens nicht abstürzen. Es handelte sich um Geschichten, wie berühmte Literaten den Weihnachtsmann sehen, in deren Schreibe. 

Er fing mit Bukowskis Sicht auf den Weihnachtsmann an, wo es viel um Feuchtigkeit und eintauchen in eine gewisse Cindy oder Mary ging, was seine Mutter mit Contenance zur Kenntnis nahm, und endete mit Kolumbus, eine nicht enden wollende Geschichte, die in Echtzeit um 1492 bis zur Entdeckung des Weihnachtsmannes bei einem Landgang handelte - wir schliefen erkennbar ein, was meine Kollegin erneut zu hysterischem Gelächter animierte, um einerseits ihre Gäste wachzuhalten und andererseits ihren Mann so subtil wie möglich und ohne einen Gesichtsverlust für ihn zu riskieren, darauf hinzuweisen, dass er zum Ende kommen möge.

Verächtlich schnaufend und unbeirrt las der Hausherr weiter und als der blöde Kolumbus den blöden Weihnachtsmann endlich gefunden hatte, sprangen wir fast gleichzeitig auf, schützten Termine am nächsten Tag vor, leider, es war so ein schöner Abend, aber nun... es ist ja auch schon spät geworden. 

Ich fuhr ehrenamtlich die Schwiegermutter nach Hause.

8 Kommentare:

  1. Ou - Profilneurosen allerorten ...
    Du hattest hoffentlich genug Popcorn dabei?
    Ansonsten hat Dich hoffentlich das Essen gut entschädigt.

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    1. Aber ja.
      Ich find's nicht schlimm, wenn Leute so Bluna sind, ich beobachte gern.

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  2. Ich glaube, für solche Ausschweifungen bin ich inzwischen viel zu nervös und unhöflich. Ich muss dann husten und schnell aufbrechen. Was anderes ist es, wenn jemand etwas über sich erzählt. Das interessiert mich eigentlich immer, auch stundenlang und ausufernd.
    Dass jemand Bluna ist, habe ich noch nie gehört, gefällt mir aber aber, die Redewendung (heisst was genau? Verstrahlt?).

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  3. Das haben Sie doch erfunden? Oder? ODER?

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    1. Liebe Annika, ich vermisse weitere Posts, wie das Leben im neuen Jahr weitergegangen ist. Ich hoffe, es ist alles in Ordnung und wir dürfen bald wieder von Deinen großartige Erlebnissen hören! Herzliche und sehnsuchtsvolle Grüße!

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    2. ??? Ich schreib doch Tag und Nacht.

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