Dienstag, 9. Januar 2018

Nie, nie wieder reiten

Während ich auf Usedom schlief, blieben meine Freundinnen, die Auftragsmörderin und die Dezemberaffaire, in Berlin nicht untätig. Sie taten gewissermaßen alles, um ein wenig Schwung in die Sache zu bringen.

Die Auftragsmörderin wollte ins Glück springen. Das ist so ein blöder Brauch, der - vollständig ausgeführt - beinhaltet, dass man Punkt Mitternacht in roter Unterwäsche dreimal vom Stuhl springt und dabei 12 Weintrauben isst. Sie wurde nur informiert, dass sie jetzt vom Stuhl zu springen habe, ins neue Jahr, ins Glück halt. 

Sie tat wie ihr beschieden, nur war der Boden glitschig, weshalb es ihr die Beine wegschoss und sie mit dem Hinterkopf auf die Stuhlkante krachte. Sie sah doppelt, ihr war schwindelig, es tat auch ziemlich weh, aber ein anwesender Arzt meinte "Du sprichst ja noch ganz ordentlich und kotzen musst du auch nicht, alles okay." Weshalb sie dann noch bis 4 Uhr morgens weiterfeierte, aber mit höllischer Nackensteifigkeit am nächsten Tag erwachte und auch die Doppelbilder verschwanden nicht. Das beobachtete sie zwei Tage, bis sie ins Krankenhaus ging. 

In der Notaufnahme musste sie gar nicht lange warten, sie wurde umgehend in die Röhre geschoben. Glück gehabt. Keine Blutungen, kein Bruch. Es ging ihr gleich besser.

Heute sms von der Dezemberaffaire. Sie sei vom Pferd gefallen, 5.ter Lendenwirbel gebrochen, sie sei im Krankenhaus, ob man ihr was zu lesen und Make up vorbeibringen könne. 

Die Auftragsmörderin und ich rasten los und dann lag sie da, kläglich im OP Hemd. 

Gestern hatte sie eine Reitstunde auf ihrem Pferd, ein riesiges Tier, das sie seit acht Jahren besitzt. Er war schon die ganze Stunde tricky, so wie Pferde im Winter immer sind, deren Wohlfühltemperatur ist nämlich 5 Grad und man tut gut daran, sie zunächst ohne Reiter zu scheuchen, damit sie ihre überflüssige Energie loswerden. Das hat sie aber nicht getan und einen Tag zuvor wurde er gar nicht geritten. Er war also unter Dampf.

Am Ende der Stunde wollte sie ihm ein bisschen Galopp gönnen. Das fand er überfällig und 900 Kilo liefen wie von Sinnen und bockend los. Sie dachte noch "Oh je, ich werde absteigen", da öffnete jemand die Hallentür, was das Tier zu einer Vollbremsung animierte. Sie flog im hohen Salto kopfüber über das Pferd und landete auf dem Rücken, schnappte nach Luft und hatte erhebliche Schmerzen im Rücken. Sie wollte gleich aufstehen, aber alle Anwesenden machten alles richtig und hinderten sie daran.

Der Krankenwagen wurde gerufen, man transportierte sie ab, schob sie in die Röhre, glatter Bruch, aber irgendeine Hinterwand war stabil, daher keine Querschnittslähmung. Man beriet, ob man operieren solle. Sie fragte den Arzt, wie hoch ihre Chance sei, unter der OP eine Lähmung zu bekommen. "Leider stehen die Chancen sehr hoch" meinte der Arzt, weshalb sie von einer OP absah. Nun liegt sie und für eine ganze Weile muss sie liegenbleiben. 

"Ich werde nie wieder auf dieses Pferd steigen. Der hat mich schon dreimal abgeworfen, weil er aus dem Nichts wie ein Wahnsinniger losgerannt ist. Da hatte ich immer nur Rippenprellungen. Es reicht. Der wird verkauft." Und dann schob sie hinterher:

"Er ist ja kein böses Pferd." 
"Naja" sagte ich, "Das sehe ich ein bisschen anders. Wann immer ich den gestriegelt habe, wollte er mich an die Wand drücken und er hat pausenlos mit dem Kopf geschlagen, um den Panikknoten zu lösen. Wenn ich da an das Pferd denke, das mich betreut hat, eine Seele von Kamel."

(Ganz ehrlich? Ich werde auch nie wieder auf ein Pferd steigen. Beschlossene Sache. Dieser erfahrenen Reiterin ist das passiert, wovor ich immer Angst hatte. Ein Fluchttier ist ein Fluchttier ist ein Fluchttier. Steckste nicht drin.)


Ansonsten hat sie ihren Optimismus nicht verloren. Sie ist sich sicher, am Wochenende nach Hause zu kommen, was sehr zur Erheiterung der Ärzte beigetragen hat. Sicherheitshalber hat sie uns für Sonntag zum Doppelkopfspielen eingeladen.  

Ich bin so froh, dass ich die beiden nicht im Rollstuhl schieben muss. 




12 Kommentare:

  1. Himmel! Nochmal gut gegangen! *klopft auf Holz und spuckt dreimal über die Linke Schulter*

    ...das Pferd, dass mich betreut hat... :D sehr schön.

    Ich würde mich trotzdem auch niemals mehr auf eins draufsetzen. Als Teenie bin ich mal runtergefallen, weil ohne Sattel geritten, zum Glück nur in leichtem Trab. Ich rapple mich auf und in dem Moment in dem ich mich runterbeuge um meine Knie zu begutachten, kommt das Pferd mit seinem Kopf hoch, in der Mitte trafen wir uns.

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    1. Erst hattest du kein Glück und dann kam noch Pech dazu...

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  2. " … dass man Punkt Mitternacht in roter Unterwäsche dreimal vom Stuhl springt und dabei 12 Weintrauben isst." Ist das euer Ernst? Ansonsten noch gute Besserung! ;-)

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    1. Ich kenne diesen Brauch, weil ihn mir eine frühere Nachbarin erzählt hat. Es sei ein spanischer Brauch, und da sie in sehr enger Beziehung mit ihrem Kaninchen gelebt hat, ist sie jedes Jahr an Silvester mit dem Karnickel auf dem Arm vom Sofa gesprungen und nie ist etwas dabei passiert. Tempelhofer Öhmchen haben halt was zu erzählen und ich merk mir so'n Scheiß.

      Aber die Auftragsmörderin wurde dieses Jahr an einem anderen Ort, mit anderen Menschen, zur abgespeckten Version überredet: 1x vom Stuhl springen.

      Ich selbst springe von nirgendwo ins Glück, weder in roter Lingerie noch dabei Weintrauben kauend.

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  3. Äh, ich kenne das so, dass man zu Silvester
    - in Skandinavien vom Stuhl ins Glück springt
    - in Spanien um Mitternacht zu den Glockenschlägen 12 Trauben isst
    - in Italien zum Jahreswechsel rote Unterwäsche trägt
    Interessant, dass alles zu kombinieren...
    Da hattest du ja einen nervenaufreibenden Jahresauftakt. Möge das Jahr ansonsten entspannt und fröhlich werden!
    Christine

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    1. So wird ein Schuh draus! Da ist ja meine Tempelhofer Nachbarin ein Effizienz Wunder gewesen. Und das alles auch noch mit Kaninchen auf dem Arm. Dass sie überhaupt überlebt hat ist das reinste Wunder.

      Dir auch ein schicket neuet Jahr mit allem pipapo

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    2. ich lach mich tot

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  4. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  5. au weia. zweimal glück (?) im Unglück.. doch alle guten Dinge sind drei, Annika. an deiner Stelle würde ich die nächste Zeit lieber ohne Rücken & Hinterkopf rumrennen.

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    1. Mein Lieber, das dachte ich auch schon, ängstlich wie ich bin. Ich hatte es gerade verdrängt gehabt. Und nun holst du es wieder aus der Tiefe meines UBWs. Das ist nicht schön :-((

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  6. Uff.
    Seit mich mal ein Pferd abgeworfen hat, bin ich auch für alle Zeiten bedient. Es hatte sich erschreckt wegen eines Spatzen in der Halle...

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    1. Manche erschrecken sich auch vor den sehr gefährlichen Schnecken im Gras...

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