Sonntag, 29. Juli 2018

Einmal Hölle und zurück

"Gehen Sie ohne Umweg über Los direkt in Krankenhaus" - so oder ähnlich wurde einer Freundin befohlen. Der berüchtigte Zufallsbefund. Sie erzählte niemandem davon, 24 Stunden lang. Dann rief sie mich an. Sie wolle nicht ins Krankenhaus. Ich verstand das gut. Aber "Morgen früh hole ich dich ab, ich bring dich hin."

Mir wurde schlecht vor Angst, erstmal vor dem, was sie erwarten würde und vor den sieben Stunden in der Aufnahme, die ich bei 34 Grad durchleiden würde. Ich schalt mich, dass sie liebend gerne mit mir tauschen würde, mit Kusshand, aber ich konnte mein "Problem" nicht relativieren, so sehr ich wollte.

Am nächsten Morgen ein kleines Proviantpaket geschnürt, kurz überlegt und eine große Schüssel dazu, in die ich notfalls Wasser füllen könnte, um unsere Haxen zu kühlen. Es gibt Wetter, bei dem mir völlig gleich ist, wie schrullig ich wirke. Hömma. sieben Stunden Notaufnahme! Drunter machen die das in Berlin nicht. Da ist mir meine Außenwirkung scheißegal. 

Im Krankenhaus angekommen, wurden meine  Befürchtungen noch übertroffen, es kann sich kein Mensch vorstellen, wie stickig und brüllend heiß es dort war. Ich musste aber doch Arschlochsruhe und Zuversicht ausstrahlen, einen Kreislaufkollaps konnte ich mir wirklich nicht leisten. Ich musste stark sein, unbedingt. Einmal nicht jammern über diese beschissene Hitze; einfach die Fresse halten, neben mir saß jemand mit einem echten Problem.

Wir besprachen die Fragen, die sie stellen wollte; damit ich sie daran erinnere, falls sie vor Angst keinen Ton rausbekommen würde. 

Später im Arztzimmer sah ich weg, als sich der Chirurg die MRT Bilder ansah. Ich starrte die Wand an und hielt die Hand meiner Freundin. Dann sagte der Arzt lakonisch "Ja, das ist ein gutartiger Tumor. Muss zwar histologisch geklärt werden, aber sieht definitiv gutartig aus."

Wir sahen uns an und konnten es kaum fassen. "Wir rufen Sie nächste Woche an und nennen Ihnen den OP Termin, wenn überhaupt operiert werden muss." Das wurde ja immer besser!

Wieder draußen war uns die Hitze völlig egal, wir blieben auf einer Bank im Schatten sitzen und sie bat mich um das Proviantkörbchen. "Ich hab so einen Hunger jetzt!" sagte sie. Dann rauchten wir, obwohl ich bei dieser Hitze überhaupt nicht rauchen kann, jedenfalls nicht draußen. 

"Ich bring dich jetzt heim und du schläfst dich erstmal richtig aus."
"Nein, das feiern wir. Wir gehen jetzt richtig schön essen.“

Oh je, feiern. Weitere Stunden draußen, und ich dachte, wie schaffe ich das nur? In diesen unwirtlichen Zeiten bin ich noch nie solange außerhalb klimatisierter Räume gewesen; aber dem Anlass angemessen wuchs ich über mich hinaus und kollabierte nicht.

Gegen 16 Uhr trennten wir uns. DoKo am Abend strich ich. Ich hatte wirklich genug frische Luft gehabt. Zuhause schlief ich sofort auf dem Sofa ein.

Um 19 Uhr wachte ich auf, sprang unter die Dusche und fuhr zum Doko. Und sie? Kam gegen 22 Uhr dazu. Wir sprachen kein Wort über den Tag und die anderen dachten, es wäre ein Abend wie jeder andere. Bis Nachts um 1 Uhr saßen wir draußen, es wurde sogar ein klein bisschen kühl. Und den Blutmond haben wir auch gesehen.

Ich bin jetzt mit allen Wassern gewaschen. Die Hitze...so what?


5 Kommentare:

  1. Glückwunsch an ihre Freundin und super, wie Sie sich als Freundin gezeigt haben!

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    1. Unter 25° wäre ich ohne mit der Wimper zu zucken drei Tage neben ihr sitzen geblieben. Das ist Freundschaft.
      Aber jetzt... war es richtig hart.

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  2. Die Hölle, meine Liebe, die Hölle ist so warm, da verdunstet der Schweiss sofort.

    Ja, dämlich son Kram, hab ich auch die Tage hinter mich gebracht. Das Angesicht der Endlichkeit sollte aber ab einem gewissen Alter keine Sorge mehr bereiten, oder?

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    1. Wenn das mal nicht die Kröte ist?

      Die Endlichkeit wird mir Sorgen bereiten, bis es zu Ende ist.

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  3. Ich glaub, ich kenne nur einen, der sich in gewissen Situationen so sehr selbst beobachtet wie du (hier: bei unmenschlicher Hitze), und das bin ich.

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