Montag, 16. März 2020

In allerletzter Minute...

Mein liebes Mütterlein musste knapp 80 werden und eine Pandemie direkt vor der Tür stehen haben, bis sie sich endlich bereit erklärte, sich als Notfallpatientin auf die Gustloff zu begebenden OP-Tisch  zu legen, um sich einen Gallenstein herausoperieren zu lassen.
Seit mindestens 20 Jahren reden wir auf sie ein, sie möge sich doch bitte endlich die Galle entfernen lassen. No Chance. Nach jeder Kolik fand sie zu neuer Zuversicht zurück und schränkte ihre Essgewohnheiten noch weiter ein, um ihre Galle bei Laune zu halten. Letzte Woche nun das finale grande: nun aber wirklich unerträgliche Schmerzen, die sie tapfer eine Woche ertrug, um mir dann am Donnerstagabend mitzuteilen, dass sie ihren Krankenhauskoffer schon mal gepackt habe, ‚für alle Fälle‘. Nun, das waren alarmierende Töne – ich hatte so eine ungefähre Ahnung, dass es ihn nun saudreckig gehen muss.
Ich bat sie, mich sofort zu informieren, wenn sie beschließe, 112 zu wählen, sms reiche.
Aber nun ist es mit ihr schon immer so, dass sie die klassische Krisenkommunikation der totalen Geheimhaltung bevorzugt, die zum einen daraus besteht, keine Nachricht zu schicken und zum anderen, das Handy ganz auszuschalten. Also maximale Nichterreichbarkeit herzustellen. 
Ich wache also Freitag früh auf, gegen 6 Uhr, schreibe eine sms, ‚Wie war die Nacht?‘ – keine Antwort, kein blaues Häkchen, nichtmalzwei grauen Häkchen. Warte bis 7 Uhr, rufe auf dem Festnetz an. Keine Antwort. Ich warte bis 7:30 Uhr, rufe bei den Nachbarn an, die haben einen Schlüssel. Die irren durchs Haus, finden meine Mutter nicht. 
Ich rufe alle Krankenhäuser an, ‚Ach, ich hab sie schon, seit heute Nacht ist sie hier, auf Station 7, Moment, verbinde.‘
Werde verbunden, ‚Sie sind die Tochter? Kann Sie trotzdem nicht verbinden, ich sage ihrer Mutter Bescheid, dass sie Sie zurückruft. Nein, Auskünfte kann ich nicht erteilen.‘
Gegen 9 Uhr Anruf meiner Mutter, sie habe mir um 6 Uhr morgens eine sms geschickt, aber die sei nicht durchgegangen, im Krankenhaus sei das Internet wohl kaputt. Nun sei sie schon im OP-Hemd, gleich sei sie dran.
To be continued

23.3. Edit: es geht ihr bombig. 

5 Kommentare:

  1. Wie geht es Ihrer Mutter?

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  2. Sorry - das Mütterle ist puppenmunter! Sie ist so ähnlich wie ich: erst nicht zum Arzt gehen, bis es nicht mehr geht, dann OP und das Ableben vor Augen und nach dem Aufwachen voller Dopamnin, das minimum drei Wochen vorhält.

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  3. Na, Gott sei's gedankt..!

    Ich bin genauso wie deine Mutter und wie du. Erst wenn das glühende Hackebeil kurz vor der Kehle ist, sie schon sachte aufschlitzt, mache ich mich dann doch langsam auf zum Bus, Richtung Hausarzt.

    Hilfe.

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  4. „Das nächste Mal kommen Sie bitte ein wenig eher....“ - Liebster Hausarztsatz. Aber man will ja auch nicht unangenehm mit quasi nichts beim Arzt auffallen.
    Schön, dass es Ihrer Mutter wieder besser geht.

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