Nachdem wir in Steglitz ausziehen mussten, weil ich vor Gericht kläglich versagt hatte, hatten wir zwei Wohnungen in der Oppelner Straße gefunden, mir war nach etwas mehr Privatspähre, also war für mich eine kleine 2-Zimmer Wohnung vorgesehen. Das ganze Haus wurde saniert und es war nicht klar, ob es zum Auszugstermin bezugsfertig sein würde. Das lag auch an dem Besitzer, einem komplett irren Giftzwerg, der uns zwang, stundenlang seinen Kriegserinnerungen zu lauschen. Sobald man aufbrechen wollte, drohte er, er könne die Wohnungen auch immer noch anderweitig vermieten. Also blieben wir sitzen. Es herrschte Wohnungsnot.
An einem regnerischen Osterwochenende stand ich in der Küche und strich die Wände. Schlüssel hatte ich schon, aber noch keinen Mietvertrag. Giftzwerg klopfte an der Tür und schwadronierte, wie er damals in der Gletscherspalte von seiner Blockflöte gerettet wurde, die sich in seiner Brusttasche quergestellt verhinderte, dass er abrutschte in sein sicheres Verderben. Ich war nicht in der Lage, übermäßig Interesse zu heucheln, genauer gesagt, war er doch nicht so taub, wie angenommen, daher hörte er mein hingemurmeltes "Auf Gletscherspalten ist auch kein Verlass mehr.", also beendete er postwendend unser Mietverhältnis. Ich saß praktisch auf der Straße und musste dringend eine Bleibe finden.
Also doch wieder WG. In meiner Not zog ich in die Rognitzstraße am Kaiserdamm, direkt an der Autobahn. Ich bezog das Zimmer nach hinten raus, da war es stockstill. Meine Mitbewohnerin hatte denselben Vornamen wie ich und die zwei Zimmer nach vorne raus und baute in die Kammer neben meinem Zimmer ein Hochbett ein; es war dann doch nicht so stockstill, denn sie hatte ein ekstatisches Liebesleben mit hässlichen Typen, was mich wunderte, denn sie war eine Schönheit.
Eine kalte Schönheit allerdings. Nordish by nature. Sie zockte die Typen ab, ebenso, wie sie mich abzockte. Als sie mal ein paar Wochen verreist war (sie war eine etablierte Maskenbildnerin und oft auf Reisen), bekamen wir Post vom Vermieter. Ich öffnete den Brief, derlei Gleichberechtigung war ich aus Steglitz gewohnt, und bekam zu lesen, dass ich dreiviertel der Miete zahlte, Gestöhne inbegriffen. Ich hatte einen Hals bis Paris. Als sie zurückkam, stellte ich sie zur Rede, unwillig minderte sie meine Miete. Sie war stinksauer, weil ich den Brief geöffnet hatte.
Von ihren hässlichen Kameramännern und Regisseuren ließ sie sich aushalten, obwohl sie einen Haufen Geld verdiente. Aber die Kerle waren ihr hörig und übten sich stets in Täterbeschwichtigung, denn sie hatte sehr klare Vorstellungen davon, wie die Dinge zu laufen haben.
Hände waschen, ohne anschließend mit einem trockenem Tuch das Waschbecken zu wienern? Himmel steh mir bei. Nahrungsmittel ins falsche Kühlschrankfach legen? No go. Ihren ziemlich gewöhnlichen Nachnamen sprach sie konsequent französisch aus und palaverte was von Hugenotten, dabei hatte der rein gar nichts hugenottisches. Ihr Lieblingswort war 'erstklassig'. Meinen Freund konnte sie auch nicht ausstehen, er war ihr nicht unterwürfig genug, sie hassten sich ausgiebig (ich bin mir sicher, er fand sie rattenscharf, aber ich war auch nicht ohne, so what?)
Das einzig positive an der Zeit mit ihr war, dass sie mich oft mit zu Dreharbeiten oder in die Maske des Theater des Westens mitschleppte, was im übrigen gruselig war, die ganzen Wände voll künstlicher Haare, aus denen Perücken geflochten wurden, nix mit beleuchteten Spiegeln und Schminktöpfchen. Und sie erzählte mir die Tricks alternder Schauspielerinnen: die zurrten sich überflüssige Gesichtshaut mit Tesafilm hinter die Ohren und steckten alles mit Haarklammern fest.
Noch Jahre später rief sie mich sporadisch an und wollte Bücher über mich kaufen, mit Personalrabatt natürlich und als ich sie kürzlich bei Ikea an der Kasse sah, tat ich, als ob ich sie nicht sehe. Aber ich googelte sie: sie hat jetzt mit einer ihrer Töchter (denen sie wahrhaft wahnwitzige Namen aus der griechischen Mythologie gab) ein Kosmetikstudio. Sie ist also in der Schminkbrangsche geblieben, wenn auch nicht mehr first class.
Schön !
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