Ich glaub ja doch, dass ich noch Zeuge eines Mordes im Affekt werde. Eines Tages wird Bling-Bling eines unnatürlichen Todes sterben. Ich kenne keinen Ehemann, der seine Frau so sehr hasst und sie gleichzeitig mit soviel Schmuck überhäuft; wahrscheinlich will er damit seine Gewaltphantasien maskieren, auch und vor allem vor sich selbst.
Und ich kenne keine Frau, die die eruptiven Ausbrüche ihres Mannes mit soviel kindlicher Verve ignoriert; ja, man kann fast vermuten, sie bemerkt sie gar nicht, denn sonst würde sie erschrocken schweigen oder zurückkeifen, anstatt weiterhin auf ihn einblubbern, als ob ihn das beruhigen würde - was es nicht tut.
Mit äußerster Körperbeherrschung ignoriert er, in welchem Film er gefangen ist; wahrscheinlich, weil sie der einzige Mensch auf Erden war, ist und sein wird, die ihn so sieht, wie er sich selber sehen will: als einen hochintelligenten, attraktiven, geschmackvoll gekleideten, souveränen Mann, nach dem sich alle Frauen die Finger ablecken. Was er nicht ist, subjektiv wie objektiv.
Jetzt ist wohl klar, dass ich mit den beiden unterwegs war; allein mit ihr geht nicht, denn er bewacht sie wie ein Schießhund, offenbar ist er der Meinung, dass sie auf dumme Gedanken kommen könnte, wenn sie sich ohne seinen allumfassenden Schutz in die Welt bewegt. Vielleicht denkt er auch, ich habe einen schlechten Einfluss, was nicht ganz ausgeschlossen ist. Andererseits ist er auch rasend eifersüchtig auf ihren stockschwulen Jugendfreund, bei dem sie nun wirklich keine Chancen hätte. Aber die Gefahren lauern überall.
Wir waren in der Deutschen Oper, Ballett, Romeo und Julia. Ich treffe einen früheren Kollegen, der mir von unserem früheren Senior-Chef erzählt, der jetzt, mit knapp 89 Jahren immer noch 'arbeiten' geht, allerdings von allen Seiten gestützt und behütet wird. Gottseidank fährt er nicht mehr Auto, seit einem Jahr, und er kommt auch erst gegen Mittag ins Büro. Neulich ist er im Büro zusammengeklappt und er wurde auf seinem Bürostuhl nach vorne gerollt, wo ihn die Sanitäter abtransportierten. Es dauerte keine zwei Stunden, da rief er schon aus dem Krankenhaus an, er wolle abgeholt werden, er habe zu tun.
In der Pause treffe ich ihn wieder und er sagt "Weißt du, was am Ballett so schön ist? Dass die nicht reden. Drücken alles mit Körpersprache aus." Genau das dachte ich auch. Wie mit dem Pferd, das reagiert auch punktgenau auf meine Körpersprache. Wenn ich nicht deutlich genug bin, reagiert es gar nicht. Im Grunde sind Ballettänzer die geborenen Pferdeflüsterer. Wenn sie noch Zeit hätten, in den Stall zu gehen, könnten sie beizeiten eine verwertbare Zweitkarriere in Schwung bringen.
Als die Oper dem Ende zuging und die arme Julia neben ihrem toten Romeo erwachte und sich vor Kummer gleich selbst entleibte, schluchzte Bling-Bling laut auf. Ich hoffe nicht, dass sie die Zukunft ihrer Ehe assoziiert.
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