Dienstag, 13. Dezember 2016

Baby Content

Das Kind meiner Nichte sollte asap zum Ausgleichssport angemeldet werden oder Ritalin Eierlikör bekommen. Kaum ein Jahr alt, robbt es in Redneck-Manier durch die Wohnung, zerlegt energisch die Wohnung und hetzt das verstörte Haustier.

Schon direkt nach der Geburt meinte die Ärztin, mit dieser kleinen Person werde man noch viel Spaß haben, eine Körperspannung vom feinsten. Ich glaube, dass es nicht von dieser Welt oder in irgendeinen Topf gefallen ist, jedenfalls scheint sich stets etwas Bahn brechen zu wollen.

Ich bedauerte meine Nichte neulich, dass sie niemals die Erfahrung machen wird, wie es ist, ein Kind im Arm zu halten, wie sie eins war. Immer schläfrig blinzelte sie in die Welt und ließ sich in alle Arme sinken, die sich anboten. Dort blieb sie, bis sie zum schlafen ins Bett gelegt wurde. Ein außergewöhnlich sanftmütiges Kind.

Ihr eigenes hat von außen voll in den Genpool des Vaters gegriffen und von innen... man weiß es nicht. Es ist natürlich das objektiv hübscheste Kind der Welt, aber wenn man es auf dem Schoß hat, denkt man, es ist Orang-Utan-Klaus.

Irgendwann wurde es müde und so schnappte ich es mir, weil ich nie etwas gegen einen kleinen Power Nap habe. Erst nuckelte es noch zufrieden an der Flasche, dann ließ sich nicht mehr ignorieren, dass ich nicht die Mutter bin. Es fing an zu weinen, dann zu schreien. Ich nahm es auf den Arm, fand den Nuckel und legte mich mit dem kleinen Hulk auf dem Bauch vorsichtig wieder hin.

Es schlief sofort ein und ich erinnerte mich an letztes Jahr. 

Ähnlich selig wie seinerzeit musste ich nicht mehr darauf achten, ob es noch atmet, eigentlich brauchte ich Oropax, um es nicht schnaufen zu hören. Ich hielt es vorsichtig fest, damit es nicht von mir runterkullert. Nach ein paar Minuten schwanden mir die Sinne, denn das Köpfchen lag direkt auf meinem Kehlkopf, aber ich war trotzdem sehr glücklich.

Wie kriegt man einen Lagerungswechsel hin, ohne dass das Kind es bemerkt? 

Gar nicht. 

Dieses Kind hat einen leichten Schlaf (ein Fluchttier, darin der Oma - meiner Schwester - ähnlich, die schon früh mehr als einmal ihren kleinen roten Pappkoffer packte und auszog, weil es ihr bei uns nicht mehr gefiel. Sie trappste los, heimlich von mir bewundert für ihre cosmopolitische Ader und klingelte bei der Nachbarin, die das schon kannte und sie freundlich in Empfang nahm. Eine halbe Stunde später holte sie meine Mutter wieder ab, gegen ihren erbitterten Widerstand). 

Als meine Vitalfunktionen immer schwächer wurden, ließ ich es sanft neben mich gleiten, das Köpfchen lag nun auf meiner Schulter, aber dann bekam ich den Klammergriff zu spüren, von dem ich schon gehört hatte: die kleine Hand suchte und fand die kleine Einbuchtung an meiner Kehle. Ich lief langsam blau an, war aber immer noch glücklich. 

Solch kleinen Menschen verzeiht man ja alles.

5 Kommentare:

  1. Irgendwie macht mir das gerade etwas Angst, bzgl. was da auf mich zu kommt -.-

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    1. Das würde wohl jedem Angst machen. Aber Sie sollten sich nicht vor lauter Angst davon abhalten lassen, sich die Kleinen auf den Bauch zu legen und sich unsterblich in sie zu verlieben. Das haben die verdient; niemand hat sie gefragt, ob sie auf die Welt kommen wollten und Sie haben es letztlich nicht verhindert. Die drei haben also das Beste verdient.

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    1. Ich nehme an, jede werdende Mutter hat AUCH Angst, neben allem anderen.

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