Neulich Sommerfest, ein weiterer Höhepunkt im Datschen-Terminkalender. Sowas lasse ich mir nie entgehen; einmal wegen der Sozialstudien und zum anderen, weil ich jede Gelegenheit nutze, das Kind meiner Nichte zu bepuscheln. Ein derart gutgelauntes Kind habe ich noch nie erlebt.
In der Gunst des Kindes stehen Eltern und Großeltern, alle anderen und ich laufen unter ferner liefen. Vor allem zwischen mir und meinem Schwager entbrennen blutige Konkurrenzkämpfe. Er ist hoffnungslos verliebt und kann nur schwer ertragen, wenn sich weitläufige Verwandte wie ich, Fremde praktisch, um das Kind bemühen. Leider kann das Kind mit dem Wort Blutsverwandschaft noch nichts anfangen und so bleibt mir nichts anderes übrig, als es langsam und unaufdringlich von meinen makellosen Charakter zu überzeugen.
Immer, wenn uns jemand begegnete und ansprach, rannte es zu mir und klammerte sich an mein Bein. Ein Fortschritt: unter Fremden bin ich immerhin die am wenigsten Fremde. Aus der Ferne sah ich meinen Schwager am Gartentor stehen, er beobachtete, ob ich alles richtig mache beim spazierengehen und blieb dort stehen, bis wir langsam zurückschlenderten. Ich überlegte derweil, wie ich ihn am besten um die Ecke bringe.
Auf dem Sommerfest jedenfalls spielte eine Combo. Ein Sänger mit gefärbten Haaren, enormen Koteletten, so eine Art Elvis-Verschnitt, sang deutsche Schlager und auf der Tanzfläche davor gab eine vereinzelte Frau alles. Offenbar stellt man deutsche Schlager pantomimisch dar, sie performte einen Blick auf die Uhr, die Schlafenszeit, den Blick in den Himmel, Herzschmerz, alles was er sang, sang sie kenntnisreich und hochgradig exstatisch mit.
Ich saß auf einer Bank, das Kind auf meinem Schoß, es war ja praktisch sein erstes Konzert und so waren wir - wenn auch aus unterschiedlichen Gründen - gleichermaßen fasziniert von dem surrealen Schauspiel. Ich genoss die stille Konzentration des Kindes und war im Glück, denn es hat die "Zwei-Sekunden-Kuschelphasen" erfunden. Das liegt an dem gottverdammten Urvertrauen, das es hat und seinem unbedingten Willen, in die Welt zu gehen. Es reicht, wenn wir in der Nähe sind. Direkte Nähe braucht es selten, davon hatte es im ersten Jahr offenbar für ein Leben getankt.
Wie ich da so saß und mich freute, dass es keinerlei Anstalten machte, sich - menschlich gesehen - umzuorientieren, kam mein Schwager und schnappte es von meinem Schoß weg. Eine Hasswelle überflutete mich. Ich sah den beiden hinterher und blickte in die bedauernden Augen der anderen, die die Entführung durch den Taliban-Opa beobachtet hatten. Sie zuckten mitfühlend mit den Schultern. Ich sah noch eine Weile lang der Eintänzerin zu und gesellte mich dann mordlustig zu den anderen, die alle um einen Stehtisch standen.
Mein Schwager schlenderte mit dem Kind auf dem Arm umher, aber dann geschah ein Wunder. Als er in unsere Nähe kam, streckte das Kind seine Arme nach mir aus.
Ha! Nimm dies, Schwager!
Ich setzte mich wieder auf die Bank, das Kind auf meinem Schoß und wir sahen dem kotelettierten Sangesbarden und der Veitstänzerin bis zum Schluss zu, ungestört. Blöder Opa. 1:0 für mich.
Später gingen wir zu den Pferden, ja richtig gelesen, die Laubenkolonie-Event-Manager hatten zwei Pferde engagiert, auf denen die Kinder reiten durften. Das Kind rief "Muh!". Naja, daran arbeiten wir noch.
wunderbar
AntwortenLöschenGrandios.
AntwortenLöschenKöstlich!! Ich liebe Deine Schreibe. Man ist direkt drin in der Szenerie. Diese Veitstänzerin ist bei jeder Schlagerdarbietung zu bewundern, sowas schau ich mich auch zu gern an :-)..
AntwortenLöschenDanke schön!
AntwortenLöschenSo schön, dass ich mir beinahe ein eigenes Kind wünschte. Ach.
LöschenIch wünschte mir eine Nichte mit einem solchen Kind. ;)
LöschenTante sein ist toll!
LöschenBitte kauf' meinen 2-jährigen!
AntwortenLöschenMeist gut gelaunte Blondine, kerngesund, trinkt zwar schlecht, frisst aber alles. Pennt nachts 10 Stunden durch und wenn Kika läuft, ist auch fast den ganzen Tag Ruhe.
Na?
Wenn du dann meinen Job machst...
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