Nachdem Herr Ackerbau von einer schauerlichen Begegnung in der S 1 berichtet hatte, wurde mir nach dem Lesen Angst und Bange, denn heute musste auch ich in diese Geisterbahn. Als passionierte Autofahrerin und Heldin der Straße findet man mich selten im öffentlichen Nahverkehr.
Wenn das aber mit den aus den Boden sprießenden Baustellen so weiter geht (und es wird so weitergehen, wie mir ein befreundeter Verkehrsexperte zuraunte), denke ich über ein zehnjähriges Sabbatical nach, bis endlich alle maroden Leitungen ausgetauscht sind.
Da mir Autofahren also schon lange keinen Spaß mehr macht in dieser maroden Stadt, entschied ich mich heute, die S-Bahn zu nehmen.
Da die S 1 mir immer vor der Nase wegfährt oder ausfällt, war ich sehr früh auf dem Bahnsteig; ich wollte einigermaßen pünktlich sein. Ich bin immer pünktlich, außer morgens. Morgens kann ich mich nicht zur Ordnung rufen. Ich schlumpfe und sumpfe und überlege täglich, ob ich mich krankmelde, damit ich in Ruhe weiter in der Ecke liegen kann. Wenn ich dann erstmal vor die Tür trete bin ich wieder ganz die alte, vor Vitalität vibrierende Frau. Aber dann ist es bereits zu spät, um pünktlich zu sein.
Heute jedoch nicht, Geradezu abartig früh war ich am Bahnsteig und dann kam die S-Bahn eine Minute später. Ich steige immer in den ersten Wagen ein, dann bin ich nah beim Zugführer und das gibt mir ein Gefühl von Kontrolle. Falls die Bahn mal im Tunnel stecken bleibt, könnte ich zur Not ein Gespräch mit dem Zugführer beginnen; das beruhigt mich. Nachteil: wenn er irgendwo drauffährt, erhöht es nicht meine Überlebenschancen, dass ich so nah bei bin.
Ich saß direkt mit dem Rücken zu dem Führerhäuschen; eine Wohltat, da dann keine Leute an mir vorbeilaufen, denn ein Grund, nicht mit den Öffentlichen zu fahren ist die fehlende Privatspähre, oder anders ausgedrückt: all diese Leute. Die Hälfte hat ja ansteckende Tuberkulose.
Ich schloss die Augen, einerseits vor Müdigkeit, andererseits wollte ich nicht die drei spooky rothaarigen Damen entdecken, die schon Herrn Ackerbau angestarrt haben.
Am Nordbahnhof stieg ich aus, viel zu früh, noch eine Stunde bis zum Termin und ratlos, wie ich von dort aus zur Brunnenstraße komme. Ich bin ja völlig hilflos ohne Auto. Ich stieg auf gut Glück in eine Straßenbahn ein und wieder aus, denn es war die falsche Richtung. Also wieder zurück und da segelte der Supergau auf mich zu: eine Kollegin, die dasselbe Ziel hatte.
Wenn ich was hasse, ist es die unverhoffte Möglichkeit, mich in ein Café setzen zu können, um Zeit totzuschlagen und dann jemanden zu treffen, mit dem ich reden muss. "Ich muss noch kurz zum ReWe" versuchte ich sie abzuschütteln. "Ich komm mit." Natürlich, natürlich, sie kommt mit. Wäre ich doch nur mit dem Auto gefahren!
Irgendwann sitzen wir dort, wo wir verabredet sind, in großer Runde, als letztes kommt eine Frau in den Raum mit schwarzem Haar und knallpinken Pullover, Sophia Loren in der späten mütterlichen Ausführung. Später gehe ich mal in die Waschräume und da passiert es. Ich gehe durch die unbekannten Gänge, auf der Suche nach dem WC, da öffnet in der Ferne eine Frau mit schwarzem Haar und knallpinken Pullover eine Bürotür und hinter der Tür steht eine weitere Frau mit schwarzem Haar und knallpinken Pullover. Aber wenigstens sehen sie mich nicht an.
Herr Ackerbau, ich glaube, du hast eine Massenpsychose ausgelöst!
Waren die Frauen etwa im gleichen Alter? (Ich bin mir noch nicht sicher, ob wir hier Zeitreisenden oder Klonen auf der Spur sind).
AntwortenLöschenVom Nordbahnhof zur Brunnenstraße geht man die Invalidenstraße (es sei denn, man nimmt den Weg über die Mauergedenkstätte, was ja gestern gepasst hätte)
Ick hatte ja keine Ortung mehr und am Stand der Sonne konnte ich mich auch nicht orientieren, es goss in Strömen. Wenn ich nicht diese Kollegen getroffen hätte, ich würde dort immer noch umher irren.
LöschenUnd ja: die drei Damen waren im selben Alter. Anders als bei dir.
Moin Annika
AntwortenLöschenAlso wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, dann schenkt Dir Herr Ackerbau ein Pony, das – mit einem Wägelchen – eine Revolution im Berliner öffentlichen Nahverkehr auslöst. Die erste Innovation seit der Erfindung der Verspätung. Und nahtlos anschließend an die unfassbar guten, alten Zeiten. Dann bist Du auch pünktlich, weil Du erst das Tier füttern mußt, was zur Belustigung der Nachbarn ab 4:30 Uhr gar jämmerlich heult. Wir haben hier auch 2 Ponys. Das eine heißt Blobb und das andere weiß ich nicht. Das ist der Kumpel von einem Brauereipferd mit sehr großen Füßen und einem noch größeren Kopf. Ein schwarzes Untier, das im Verdacht steht, schon kleine Kinder mit Haut und Haaren gefressen zu haben.
Wahrscheinlich ist es wahr. Grauenhaft!
Wußtest Du übrigens, daß nach damaligen Berechnungen (um 1850 herum) der Pferdemist in der Stadt New York 1980 eine Höhe von 6 Metern auf den öffentlichen Straßen erreicht haben sollte? Zum Glück kam Henry Ford auf die Idee, wie man das Problem aufschieben konnte und als Konsequenz dieselbe Höhe in Meerwasser durch die globale Erwärmung erreichen kann. Man kann den Mann gar nicht genügend bewundern!
Der von Dir produzierte Mist kann also als Schutzwall gegen die globale… na gut, das ist jetzt etwas spekulativ!
Auf jeden Fall bin ich wild entschlossen, einen frühen Morgen zu opfern, um das Schauspiel sowohl des greinenden Huftieres wie der stolzen Besitzerin beim Anspannen zu genießen. Mit einer Zigarette auf meinem Motorrad, lächelnd und ein Haiku dichtend.
Die alte Straße
Ein Pony schlägt den Huf
Oh, das Fluchen der Annika
So oder so ähnlich. Ich hab ja Zeit für das Schauspiel.
Liebe Grüße,
Pantoufle
Nein, das Pony krieg ich deshalb:
Löschenhttp://ackerbaupankow.blogspot.de/2017/11/feine-kleine-blogaktion.html
Und ich will auch kein Wägelchen dran machen, und in den Berliner Verkehr muss es auch nicht. Ich stell es auf die Wiese hinterm Haus, da mäht sowieso keiner, da hat es zu tun und ist im Glück.
Das kannst du natürlich auch lächelnd beobachten und dabei dichten. Ich filme das alles, weil das werden hinterher die schönsten Erinnerungen.
P.S. Henry Ford habe ich so noch gar nicht betrachtet.