Montag, 9. April 2018

Brave new Büro World

Eine ganz neue Mode bei uns sind Meetings im stehen. Das fing mal ganz harmlos an, dass wir uns jeden Montag für 10 Minuten in einem Büro trafen und darüber sprechen mussten, was wir die Woche so auf dem Tisch haben werden. Natürlich blieb nur Cheffe stehen, alle anderen lagerten auf den Tischen und erzählten nacheinander, was wir sowieso schon wussten oder keine Sau interessierte.

Daraus wurden ganz schnell tägliche 10 Minuten, zusätzlich zu den Whiteboards, die in jedem Büro aufgestellt wurden, an denen wir auf post its schreiben mussten, was wir zu tun gedenken. Jeder bekam seine eigene Farbe. Vier Spalten gab es: Plan, 25% erfüllt, 50% erfüllt, erledigt.

Einmal pro Woche kam Cheffe in jedem Büro vorbei, stellte sich vor das Whiteboard und ließ sich erzählen, wie weit wir schon waren mit der Aufgabenbewältigung. Das war schon etwas, woran man sich gewöhnen musste, denn das Ding musste à jour sein; also täglich musste man die Post its umkleben. Natürlich klebten wir nur schnell um, bevor Cheffe kam. 

Dann musste das alles noch übertragen werden ins Intranet, weil das für den Rest des Hauses total interessant ist, was wir so machen. Aber nicht einfach so, sondern in Projekträume. Fragt mich, was ein Projektraum ist, ich weiß es nicht und werde es nie begreifen. Und in ein Projektraum darf nur eingetragen werden, was vorher als Prozess definiert wurde. 

Vorteil: wenigstens dürfte man dabei sitzen, wenn man sich das Intranet anschaut, theoretisch, aber dazu hat nun wirklich keiner mehr Zeit. Aber darum geht es Gottseidank auch nicht, nur das befüllen ist wichtig und das drüber reden, im stehen.

Dazu kamen die wöchentlichen Jour Fixe, die wir vorm Tschainsch Manadschment ziemlich genossen, weil wir immer Pizza bestellten und über die neuesten innerbetrieblichen Massaker tratschten. Total old school war das und so konnte das natürlich nicht bleiben.

Als die Geschäftsführung davon hörte, dass wir jetzt immer stehen bei all diesen Meetings, fand die das so toll, dass sie sofort was eigenes machten. Sogenannte Townhall Meetings, bei denen wir gezwungen wurden, uns bis zu anderthalb Stunden die Beine in den Bauch zu stehen. Extra in einem Raum, in dem es nur Stehtische gab. Kein Wasser, kein Kaffee wurde gereicht, weshalb wir nun stets wie Topmodels mit eigenen Wasserflaschen durch's Haus wandern.

Die Stehtische sind harmonisch vor dem Pult von Oberchefin drapiert, aber wie es immer so ist, stand sie ziemlich allein mit den Stehtischen um sich herum, derweil die dumpfe Masse sich an den Wänden weiter hinten herumdrückte. Trotz Aufforderung kamen nur wenige nach vorn. So nah möchte man nicht vor ihr stehen, eine natürliche Barriere ist das.

Sie erzählt dann immer, was für ein toller Haufen wir sind, was nur daran liegt, dass sie so ein tolle Oberchefin  ist, am Ende sagt sie „Hat jemand Fragen?" Die üblichen Verdächtigen stellen eifrig überflüssige Fragen, weil es suizidal wäre, wirklich wichtige Fragen zu stellen und der Rest rollt unauffällig mit den Augen und reibt sich die Krampfadern. 

Danach humpeln wir dann wieder in unsere Büros und kleben neue Post its ans Whiteboard. 

Inspiriert von "später bügelgrundkurs, früher gintonic"

20 Kommentare:

  1. Manchmal bin ich doch froh, in einem kleineren, mittelständischen Unternehmen beschäftigt zu sein. Hat schon irgendwie alles seine Vor- und Nachteile ;)

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  2. In diesem post tauchen gleich 4 Begrifflichkeiten auf, die stark darauf hinweisen, dass wenigstens einer der folgenden Punkte zutrifft:

    1) wir arbeiten in der gleichen Firma
    2) in allen Firmen sind die Vorstände alle gleich dämlich
    3) sie sind NICHT alle gleich dämlich, gucken mangels eigener Denkfähigkeit aber voneinander ab.

    Bin schon gespannt, wann die "business score cards" und die "Cockpit-Tachos" (für den aktuellen Zeitzielerreichungsgrad) wieder zurück kommen :-).

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    1. 2 + 3 sind zutreffend. Von Scores wird bei uns auch viel palavert. Es ist ein Kreuz.

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  3. Ich könnte keine Stunde stehen - ich hätte den Rest des Tages sowas von Rücken...Respekt wenn du das durchhalten kannst....und all diese (un)nötigen Besprechungen klauen bloß Arbeitszeit, in der man evtl. wirklich was erledigen könnte.....wir hatten auch mal vor Jahren einen Chef, der solche morgendlichen Besprechungen (allerdings im sitzen) einführen wollte. Ich habe sie nach ein paar Mal Anwesenheit dauerhaft geschwänzt. Es ging letztendlich besonders montags nur um die Wochenendaktivitäten unseres großkotzigen Möchtegernchefs und das konnte ich mir nicht antun...

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    1. Liebe Hedi, ich geh immer schon nach einer Viertelstunde. Ich kann mir das nämlich auch nicht antun.

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  4. Ohje^^
    Mittlerweile ist glaube ich jeder Mitarbeiter soviel mit Meetings und Reporting beschäftigt wie vor 20 Jahren nur Abteilungsleiter und aufwärts. Sonst hätte man wohl schon längst die 30-Stunden-Woche einführen können...

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    1. Leider nicht. Die Subalternen kloppt Überstunden, um das Operative auch noch zu bewältigen, neben den Zielen, die auf sie runtergebrochen werden.

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  5. Das Beste an dieser Brave New Büro World ist, dass es unendlich viel Content für den Blog gibt. Dafür ist es super.

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    1. Und den Kommentaren ist zu entnehmen, dass ich nicht mal Gefahr laufe, erkannt zu werden, weil es überall so läuft. Was es einem nebenbei auch verleidet, sein Glück anderswo zu versuchen.

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    2. Keine Sorge, du wirst nicht erkannt werden. Überall das gleiche Elend.

      Willst du noch eine innovative Meeting Idee haben? Bei uns gibt es noch Snack & Talk, aktuell zum Thema "Das Büro der Zukunft". Ich zitiere aus der Einladung:

      neue Arbeitsweisen brauchen neue Arbeitswelten. Deshalb werden im Zuge der [hier räudigen Konzernnamen eintragen] Immobilienstrategie die Arbeitsplätze moderner, attraktiver, funktionaler und vor allem flexibler.

      Schätze, den letzten Satz darf man getrost als Drohung auffassen

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    3. Oh ja. Entweder Großraumbüro oder Großraumbüro, in dem sich jeder morgens einen Platz suchen muss. Ich weiß nicht, was die sich noch alles ausdenken, um uns das Leben zur Hölle zu machen.

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    4. Nun, ich verwette meinen fetten Hintern darauf, dass es um "jeden Morgen seinen Platz suchen" geht. Ist ja für die Zahlenknechte auch zu verlockend. Im Schnitt sind bestimmt locker 20% der Belegschaft nicht da (Urlaub, krank, Dienstreise etc.) und wenn man Homeoffice noch ein bisschen ausbaut, sogar noch mehr. Die gravierenden Nachteile sind nicht direkt messbar und werden daher ignoriert.

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    5. Eigentlich möchte man nur noch weinend zusammenklappen.

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  6. Man hab ich es gut. Ich arbeite im Homeoffice, Skype bei Bedarf mit meinen Kolleginnen in D, A und der CH und kann ansonsten in Ruhe meine Arbeit erledigen. Einmal im Jahr gibts ein zweitägiges Meeting und danach gehts wie gewohnt weiter.
    Es hat schon zwei Jahre gebraucht bis ich so viel Disziplin hatte um nicht dauernd das Büro zu verlassen und andere Dinge zu erledigen, ich weiß jetzt einfach ich könnte, wenn ich wollte...

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    1. Einmal im Jahr ein zweitägiges Meeting. Du bist im Paradies, vergiss das nie!

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  7. Ich bin wirklich sehr froh darüber, im Außendienst tätig zu sein. Die (noch) wöchentlichen Meetings ohne erkennbaren Sinn bleiben mir daher erspart. Das Ergenbis lässt auch hier auf sich warten. Irgendwann wird dann nur mehr ausgewertet und besprochen - die Arbeit damit aber regelrecht wegbesprochen.... Modern Times...

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    1. Was wünsche ich mir den Außendienst zurück! Oder noch frühere Zeiten: morgens ins Büro, ein Stapel voller Arbeit, abarbeiten, zwischendurch einen Schwatz, ab nach Hause.

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  8. Sie arbeiten in meiner Firma. Ganz bestimmt!

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