Sonntag, 12. August 2018

Ruhe in Frieden, lieber W.

Nun hat er es doch nicht geschafft, the grumpy old man on his grumpy old horse.  

Er hat sich seine Beerdigung in einem Friedwald gewünscht, unter irgendeinem Baum, der nicht markiert ist, ohne einen Gedenkstein, weil er nicht wollte, dass "aktiv" an ihn erinnert wird. Er hing keinem Glauben an, was seinem nüchternen Charakter entsprach, also übernahm der Förster das Procedere.

Wir versammelten uns auf dem Parkplatz am Waldrand und warteten, bis alle vollzählig waren. Der halbe Reiterhof war gekommen und als besondere Geste hatte seine Witwe eine Sondergenehmigung erwirkt. 

Sein Pferd durfte dabei sein.  

Es wurde gebracht und geführt von der Reiterhofbesitzerin, die im wahren Leben the grumpiest woman of the world ist, aber ihm die Ehre zu erweisen, war selbst ihr wichtig. 

Mir jagte es Tränen in die Augen, als wir uns - das Pferd mitten unter uns - in einer langen Prozession durch den Wald zum Andachtsplatz machten. 

Es war meine erste Beerdigung in einem Friedwald. Wir wurden vorab gebeten, unsere Bekleidung "den Gegebenheiten des Waldes" anzupassen. Ich dachte natürlich an festes Schuhwerk und überlegte ernsthaft, meine potthässlichen aber superbequemen Schreckenssandalen anzuziehen, aber da ich die nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit trage, sah ich davon ab und passte mein Schuhwerk lieber den Gegebenheiten einer Beerdigung an.

Der Andachtsplatz selbst bestand aus einem Halbrund von Baumstämmen, die als Sitzfläche fungierten, einem Pult aus Holzstämmen gezimmert und einem Baumstamm, auf dem die Urne stand. Die Szene hatte etwas Unwirkliches und dem Pferd, das etwas versteckt hinter den Bäumen stand, wuchs ein Einhorn, ich schwöre es.

Enge Verwandte und Freunde hatten Reden vorbereitet, aber da der Verblichene ebenso bestimmt hatte, nicht über ihn zu reden, näherte man sich ihm mit Texten, die seiner Frau Trost geben sollten. Eine junge Frau mit Querflöte spielte Stücke von Telemann und Debussy, was sich träumerisch verloren anhörte so mitten im Wald.

Danach verbeugte sich der Förster knapp vor der Urne und sagte, dass wir ihm nun alle folgen sollen zur letzten Ruhestätte. Wir gingen und gingen und gingen und ich dachte, du meine Güte, er wollte wohl auch wirklich ausschließen, dass ihn jemals jemand besucht, so tief rein ging es in den Wald. 

Aber es gab auch lustige Momente: einer hochschwangeren Frau, seit zwei Tagen über den Termin, wurde von einem anwesenden Gynäkologen gesagt, das "Macht gar nix, machen wir halt eine Waldgeburt."

Angekommen stellten wir uns im Kreis auf und der Förster ließ, wiederum mit einer knappen Verbeugung, die Urne in die Erde. Keine Kränze, keine Reden, kein Asche zu Staub, nur Blütenblätter, anderes ist nicht erlaubt im Wald. Ganz nach meinem Geschmack.

Das Pferd schnaubte, wusste aber mit Sicherheit nicht, weshalb es zur Unzeit nicht etwa auf die Weide durfte, sondern in den Transporter geladen wurde, um mit einem Haufen Menschen durch den Wald zu spazieren. Auf dem Rückweg hatte das Pferd es zunehmend eilig, es hatte langsam die Nase voll. 

Als es Abend wurde und dunkel, dachte ich an ihn, wie er da jetzt ganz allein mitten im Wald liegt, unfindbar für jeden von uns, mürrisch und weltabgewandt, wie er wohl auch im Leben war, obwohl ich das nur aus Erzählungen weiß, denn zu mir war er immer entzückend charmant, wohl weil ich ihm stets begeistert begegnete über die Jahre nach unserem "Wochenendreitkurs für Ängstliche", an dem er sich als völlig angstfrei entpuppte und schon vier Wochen später wie ein Bekloppter über die Felder galoppierte - etwas, was ich in diesem Leben nicht mehr schaffen werde. 



2 Kommentare:

  1. Ich finde es toll, daß sein Pferd mit dabei sein durfte - auch wenn es eher symbolisch ist. Aber wenn es ihm viel bedeutet hat...
    Mein Ponymädchen wird mich hoffentlich schon erwarten, wenn es soweit ist - sie ist schon vorausgegangen. Und nun brauche ich schon wieder Taschentücher.

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    1. Oh je! Aber es wird hoffentlich noch eine Weile dauern, bist du ihm folgen wirst...

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