Ich bin prinzipiell überhaupt nicht wichtig und für jemand anderes Fortkommen kann ich auch nichts tun. Aber ich muss nur sagen, wo ich arbeite, schon stürzt sich ein junger Mann auf mich, der meint, ich müsse dafür sorgen, dass seine Firma den Markt von Nigeria erobern kann, er habe auch schon in meiner Firma angerufen, weil die ihm die Reise dorthin bezahlen soll. Ich bin sehr belustigt und sage "Träum weiter." Wir bezahlen keine Reisen nach Nigeria und auch sonst nirgendwo hin. Er solle sich lieber mal an die Senatskanzlei wenden und versuchen, Teilnehmer einer der Delegationsreisen mit dem Regierenden zu werden - aber auch der werde ihm nicht das Ticket zahlen.
Er ist begeistert. "Du hast bestimmt einen Kontaktmann und du hast die Macht, dem zu sagen, dass ich mitfahren kann."
Ich habe weder einen Kontaktmann noch die Macht und frage interessiert, welche Drogen er intus hat.
"Nicht mehr als die üblichen" meint er und fängt dann übergangslos an, von Christian Kracht zu sprechen, den er heiß bewundert, den er unbedingt kennenlernen will, aber vor dem er eine Scheißangst hat. "Kennst du das?" Nein, antworte ich, und komme mir ein bisschen dröge vor, weil ich so gar keine manischen Züge in mir trage, im Gegenteil zu dem jungen Mann, der nach einer längeren Schwärmerei über Kracht und dessen Interview mit Harald Schmidt nun schon weitergesprungen ist zu Goethe, den er auch über alles bewundert, wegen seines Weltbildes, und wenn man das erst mal begriffen hat, dann kann man ihn nur noch bewundern und er sei so froh, dass er Deutscher ist, weil er Goethe auf deutsch lesen kann und nicht wie alle anderen Menschen auf der Welt darauf angewiesen ist, blöde Übersetzungen zu lesen. Das sei ja nicht dasselbe. Immerhin kann er keine Ängste entwickeln, ihn kennenzulernen, dafür ist es ja nun zu spät.
Sein Handy klingelt, er geht dran, spricht ein paar Worte und reicht mir dann sein Handy. "Da ist meine Freundin dran. Sprich mit ihr." Ich habe eine verwirrte Frau dran, die erkennbar wissen will, wer ich bin und ich sage beruhigendes, wie, dass sie doch schnell zur Party kommen soll, hier sei es sehr nett und dann gebe ich ihm das Telefon zurück. Es ist höchste Zeit, jemand anderen kennenzulernen.
Ich finde mich kurz bei meinen Freundinnen ein, wir essen Currywurst von Curry 36, die offenbar den Sprung ins High Class Catering geschafft haben, sonst wären sie ja nicht hier. Ich kann den Hype um Currywürste wirklich nicht verstehen. Wurst ist Wurst, für mich hängt alles vom Ketchup ab, oder?
Später sitze ich mit einem russischen Journalisten zusammen, mit dem ich Verschwörungstheorien austausche. Er sagt, dass er seit 30 Jahren zwischen Russland und Deutschland pendelt und dass es ihm das Herz bricht, dass es mit Deutschland zuende geht und da gebe ich ihm Recht, ich habe auch so ein Gefühl. Die Infrastruktur bricht uns unterm Hintern zusammen, die Straßen werden kaum noch repariert und was unter den Straßen los ist, davon will ich gar nicht erst anfangen. Marode Schulen, keine Fachkräfte mehr, Hungerlöhne für Pflegekräfte, der ganze Scheiß halt.
Er will auf etwas anderes raus und das habe ich befürchtet. Es gibt ja so Menschen, die fest daran glauben, dass die Welt von vielleicht zehn Familien beherrscht werden, die die Geschicke lenken. Einig sind wir uns, dass alle Politiker Marionetten sind und wir nichts glauben können, was in der Presse steht. Im übrigen gäbe es auch in Deutschland keine Pressefreiheit mehr, ebensowenig wie in Russland. Aber hier werden doch wenigstens noch keine Journalisten ermordet, sage ich. Er lächelt müde und versichert mir, dass ein jeder, der die Wahrheit schreiben würde im Knast oder in irgendeiner Klapse landen würde. Auch hier. Und dass der Untergang von Deutschland schon längst beschlossene Sache sei und niemand mehr etwas daran ändern könne, außer, wir wachten endlich auf und würden uns wehren. Dann fängt er noch von den Flüchtlingen an, aber das ist so krude, dass ich das hier nicht zum Besten gäbe.
Er schaut auf und lächelt jemanden an, der hinter mir steht. Ich dreh mich um. Seine Frau, eine schrecklich kaputt operierte Russin, in seinem Alter immerhin. Sie sieht ein bisschen aus die Begum Aga Khan aus, nur in zwanzig Jahre älter (oder schlechter operiert, wer weiß das schon?), sehr bleich und mit grotesk verzogener Mimik. Dennoch entzückend freundlich. Sie gehen respektvoll und freundlich miteinander um, was mich rührt und sie erzählt, dass sie morgen zwei neue kleine Kätzchen abholen und der Verschwörungstheoretiker zückt sein Iphone und zeigt mir eine Aufnahme der zwei Katzenbabies. Wir verabschieden uns herzlich voneinander und ich gehe wieder zu meinen Freundinnen.
Die eine erzählt, dass sie neulich ein Foto von sich zugeschickt bekam und erschrocken war. "Ich sah aus wie eine besoffene Hafennutte!" Zwei schwule Männer, die sich ganz in unserer Nähe aufhielten, drehten sich um und fingen an, über uns zu tuscheln. Wahrscheinlich deshalb, weil keine von uns wie eine besoffene Hafennutte aussieht und die sich dachten, dass sich eine von uns aber für sehr wichtig nimmt.
Dann machten sie weiter mit ihrem
Später, als ich mit der Auftragsmörderin das Fest verließ, standen die beiden schon am Fahrstuhl, ineinander verkeilt. Lasst euch nicht stören, meinte die Auftragsmörderin, dann kam der Aufzug. Wir stiegen ein und auf dem Weg nach unten sagte ich zu dem Älteren, dass er aussieht wie Lex Barker. "Echt? Das hat mir neulich schon mal jemand gesagt. Findest du?" Der Jüngere kannte ihn nicht. "Old Shatterhand, aus den Winnetou Filmen? Tarzan?" Kein Begriff. Nö. "Naja", sagte der Ältere, "Ich bin in dem Alter, dass ich den noch kenne. Er nicht." Wir grinsten. Aber pass auf, sagte ich, Lex Barker ist jung gestorben. Der Suff. "Ach, der ist schon toooot?" Yep, mausetot.
Unten, als die Auftragsmörderin und ich uns trennten, meinte sie, dass sie was für mich habe. Sie holte aus ihrem Rucksack ein Buch. "Wiener Straße" von Sven Regener. "Habe ich dir gekauft, weil du doch so auf den abgefahren bist."
Und da dachte ich wieder, es geht doch wirklich so gut wie gar nichts über gute Freundinnen.
Die Palette der üblichen Drogen scheint mir inzwischen doch sehr massiv erweitert...
AntwortenLöschenUnd, na sicher, Afrika braucht noch ganz viel mehr Importe aus Europa. Wegen solcher Nasen ist die Welt so, wie sie ist. Und sein Cheffe lacht sich in's Fäustchen.
Na, wenigstens gab es 'nen sympathischen Russen zum Ausgleich.
Ja, der Russe war das Highlight, definitiv.
Löschenach wie interessant hört sich das immer alles an. und ist es sicher auch. ein bißchen botox, ein bissl hippe schwule, den weltverbesserer vielleicht noch und einen durchgeknallten yuppie, der sich und seine ideen für einzigartig hält. hier must du dafür jahre warten, bis du evtl. mal alle exemplare getroffen hast...
AntwortenLöschenUnd so eine Freundin ist das Beste überhaupt!
Letztendlich kannst du über jede Busfahrt schreiben, wenn du möchtest. Es sind immer ein paar Menschen dabei, die interessant sind. Oder unangenehm. Man muss nur hingucken :)
LöschenKlingt nach einer netten Party.
AntwortenLöschenEs gab auf jeden Fall etwas zum bloggen...
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