Ich sitz dann da, die Hände in die Stuhllehne verkrampft, Adrenalin schießt durch meine Adern (oder Venen, was weiß denn ich), mein Ruhepuls pendelt sich bei 110 ein und mein ganzes Sinnen ist darauf ausgerichtet, alles sofort wieder zu verdrängen, was ich eben gehört habe. Und das gelingt auch. Ich lerne immer wieder auf's Neue, wie die stabile Seitenlage geht und ab wann ich reanimieren muss.
Manches bleibt hängen, die ganz dramatischen Sachen, wie zum Beispiel, dass man, wenn man im Eis einbricht und das Glück hat, aus dem Wasser gefischt zu werden, die Sache damit noch längst nicht ausgestanden ist. Man darf dann nämlich nicht in warme Decken gehüllt vor dem Kamin abgelegt werden, weil das Herz dann sofort versteinert; das sogeannte Stone Heart Syndrom. Als ich Freunden davon berichtete, fingen die furchtbar an zu lachen "Wenn sie jetzt im Winter nach Hause kommt, bleibt sie zur Sicherheit noch eine Weile im Mantel im Flur stehen, zur langsamen Erwärmung." Ha ha.
Heute zur Auffrischung. Der Sanitäter hat eine Präsentation mitgebracht, die mich traumatisiert. Bilder. Schreckliche Bilder. Schlüssel im Auge. Ein aufgeschlitztes Pferd in der Windschutzscheibe. Ein aufgespießter Torero. Ein Parcour-Jugendlicher, der sich entmannt und den Kiefer gebrochen hat. Der unvermeidliche Ewald Lienen. Ich könnte noch stundenlang weiter erzählen. Mach ich aber nicht. Ich will ja vergessen.
Ich stopfte mir die Finger in die Ohren und wimmerte "Katzenbabies, Katzenbabies". Ich setzte meine Brille ab, denn obwohl ich die meiste Zeit die Augen geschlossen hielt, überraschte er listig mit einem kleinen Klick mit immer neuen Gräuslichkeiten auf dem Smartboard. Er hatte viel Spaß dabei, unser Aufstöhnen und Gequieke war sein Applaus. Oder Lebenselixier. Oder eine Form von Müll abladen. Solche Erinnerungen sind ja quasi Sondermüll. Ich krieg ja sowas tagelang nicht raus. Und dann gibt es andere, die schauen sich Enthauptungsvideos freiwillig an. Die suchen extra danach. Mir un-be-greif-lich.
Um mein entzündetes Hirn zu beruhigen, bin ich mit der halben Firma zum Team Staffel Lauf gelatscht, die brauchten noch Jubel-
"Da ich zur Jugendweihe schwören musste, alles, also wirklich alles, zu tun, um den Frieden und den Sozialismus ( das war früher natürlich das selbe ) zu schützen und voranzubringen, habe ich sozusagen um des lieben Friedens Willen zugestimmt, ganz hinten auf der Ersatzläuferliste zu stehen.
Im Ergebnis halte ich fest, dass die Ausbildung an "imperialistischen Westschulen" die Themen Zuverlässigkeit, Einsatzbereitschaft und Kollektivgeist (Team Sprit / Esprit de Corps) nach wie vor nicht zu vermitteln vermag.
Das geht soweit, dass hochgebildete (naja, wie gesagt am imperialistischen Maßstab gemessen hoch) Kollegen tatsächlich wegen eines zwickenden Knies oder Schluckauf o.ä. Ihre vier Staffelkameraden an der Startlinie verrecken lassen würden, wäre nicht in der Hinterhand die "Rettende Rennschnecke" (neuer Kampfname zur Motivation im sozialistischen Wettbewerb)!
So siehts doch aus. Natürlich gibt es rühmliche Ausnahmen, die früher sicher zu viel Osten geguckt haben. Genug gejammert! Ich sehe Dich auf der Stecke."
Ich weiß, wann ich gebraucht werde.
Und er hält formvollendet deine Hand an seine haarige Brust gedrückt. Was kann einem da noch widerfahren.
AntwortenLöschenPS: Ich hab im Ersthelferkurs mal eine umkippen sehen, weil sie sich selbst am Hals den Puls messen sollte, du bist dagegen Hardcore.
Siehst du, wie ich mich festkralle? Das kam vom Trauma.
LöschenStudenten sind nicht arm, sondern reich im Geiste, jedenfalls vor Bologna. :-)
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