Einladungen zu Veranstaltungen sind begehrt. Wenn wichtig-wichtig eine Rede hält und's was zu essen gibt, sagt Hiltrud zu Kurt sagt: "Geh da mal hin.", damit sie eine Weile Ruhe vor ihm hat. Kurt ist auch wichtig oder war es zumindest mal. Ehemals Wichtige kommen immer. Wegen Hiltrud und weil sie noch mal sehen und gesehen werden wollen.
Ich will nicht alterdiskriminierend sein, erstens werde ich selber mal alt und zweitens, weil ich verstehe, dass Hiltrud ihren Pflegeverpflichtungen temporär entkommen will. Nur wenn die Kurtchens der Nation unübersehbar dement sind, sich offenkundig 40 Jahre jünger wähnen und die Azubinen mit brüchig hohen Stimmchen anbaggern, mir absurde Gespräche aufdrängen und den ganzen Betrieb aufhalten, dann streiche ich sie von der Gästeliste.
Aber das alles ist nichts gegen die Leute, die nicht eingeladen sind. An jeder Ecke der Einladung steht in rot und fett, dass sie nicht übertragbar ist. Es werden aber bestenfalls rein kosmetische Gründe hineingelesen, womöglich denken die, ich wolle dem Layout einen farblich ansprechenden Kniff geben. Schlimmstenfalls weckt dieser Hinweis den Kampfgeist einer Sekretärin, die von ihrem Chef beauftragt wurde, ihn mit Hauen und Stechen reinzuschmuggeln, nachdem er die Einladung von irgendeinem Buddy weitergeleitet bekam.
Ich erhalte Mails in Befehlston, Herr Meier bedanke sich für die Einladung und sagt gerne zu, ich möge geschwind eine Bestätigung senden. Ich bedanke mich meinerseits für das Interesse, könne aber leider nicht helfen, da Herr Maier gar nicht eingeladen und eine Übertragung bedauerlicherweise nicht möglich sei, worauf ja bereits im Anschreiben hingewiesen wurde.
Ein paar Tage vergehen. Eine neue Mail kommt, was denn nun sei, Herr Meier will kommen, wann denn die Bestätigung komme. Seufzend greife ich zum Telefon, was jetzt kommt wird aus reinem Selbstschutz nicht verschriftlicht. Das alte Sprichwort "Wer schreibt, der bleibt" verkehrt sich hier ins Gegenteil. Besser keine Beweise hinterlassen.
"Guten Tag, hier ist blabla, ich erhalte eben Ihre Mail. Leider kann ich Ihnen nichts Positives sagen, wie schon geschrieben, ohne Einladung kann ich niemanden auf die Gästeliste setzen."
Man würde doch annehmen, dass der Adressat meines Vortrags spätestens jetzt - zwar frustriert, aber würdevoll - den Rückzug antritt. Welcher gesunde, vernunftbegabte Mensch bricht einen Streit vom Zaun, um sich mit Gewalt Einlass zu verschaffen? Tja, mehr als man denkt. Der Ton wird schärfer.
"Aber Herr Müller (der eigentlich geladene Gast) kann nicht."
Ja und? denke ich.
"Ja?" sage ich.
"Und ihm ist sehr wichtig, dass unser Unternehmen auf der Veranstaltung vertreten ist."
Mir persönlich scheißegal.
"Es tut mit leid, es handelt sich um persönliche Einladungen an einen ausgesuchten Personenkreis. Ich kann da leider gar nichts für Sie tun."
"Sagen Sie mal, ist Ihnen das nicht begreiflich zu machen? Herr Müller kann nicht und deshalb kommt Herr Meier."
Wohl kaum. Und so schon gar nicht.
Das Ganze ist nicht ungefährlich für mich. Hier ist emotionale Intelligenz gefordert. Gerne schreiben die unwichtigen Wichtigtuer ellenlange Beschwerdebriefe direkt an den Obermufti und je länger der Brief, desto alarmierter der Obermufti. Eine Gesetzmäßigkeit, die ich nie begreifen werde. Vielleicht liegt das an ihrem heimlichen Wunsch, dominiert zu werden, was sie sonst nur gegen Kohle von Fachkräften geboten bekommen.
Ich wende die Verbrüderungstaktik an.
"Schaun Sie, Sie sind Assistentin, ich bin Assistentin. Ich weiß, dass Sie auf Anordnung Ihres Chefs handeln und ich handel auf Anordnung meines Chefs. Ich bin hier nicht die Bestimmerin, die Ihnen Böses will, aber ich komme in Teufels Küche, wenn ich meine eigenen Gesetz aufstelle, wer wüsste das besser als Sie?"
Damit kriege ich sie immer.
Jedenfalls, wenn ich die Sekretärin am Hörer habe. Ist es Herr Meier himself, sieht die Sache schon wieder anders aus. Es bleibt immer ein Restrisiko, dass Meier der Nachbar eines Cousins eines alten Studienfreunds von Obermufti ist. Ich versuche, hellsichtig herauszuhören, ob Meier in die Riege der potentiellen Briefeschreiber gehört.
Falls ja, kommt er rein, da verkämpfe ich mich nicht. Falls nein, darf er gerne kommen, als Begleitperson von Herrn Müller. Das ist perfide, erzielt aber die gewünschte Wirkung, erstaunlicherweise. Es ist ein Nein, das sich wie ein Ja anhört. Denn Müller kann ja nicht, aber das vergisst Meier in dem Moment, er ist besänftigt und diese milde Sekunde muss ich umgehend nutzen, um das Gespräch zu beenden. Damit er mich in guter Erinnerung behält und nicht doch noch anfängt, lästige Briefe zu schreiben.
Hört sich anstrengend an? Ist es auch. Was von Sekretärinnen verlangt wird, wissen nur Sekretärinnen.
Puhh... fang ich schon beim Lesen an den Nacken zu Verkrampfen und zu Schwitzen..
AntwortenLöschenMein Gehalt ist an manchen Tagen eher Schmerzensgeld.
LöschenDa bekommt einer aber nicht oft Einladungen, wenn er so drauf draengt. Waere er wichtig, waere er wahrscheinlich froh, wenn er da nicht auch noch hingehen muss...
AntwortenLöschenStimmt haargenau!
LöschenGerade in Berlin hat es ständig events mit Wissenschaftlern, Politikern, Internationalen, CEOs ..., inzwischen genieße ich lieber meine Freizeit beim Sport etc., anstatt diesen PR-Abenden beizuwohnen.
AntwortenLöschenFür den Job solltest Du aber wenigstens auch 10k im Monat bekommen.