Sonntag, 28. Februar 2016

Dem Manager ist nichts zu schwer

Was meinen Job zunehmend auszeichnet, sind Meetings, Kick offs und Workshops. Die Hälfte meiner Arbeitszeit sitze ich in Besprechungen. Weil, wir haben jetzt eine heilige Kuh, den Projektmanager. So ein junger, eisig agierender Mensch, dem die Digitalisierung am Herzen liegt. 

Ja, die Digitalisierung. Was ist das eigentlich? Wir sind doch schon digitalisiert. Wir haben astreine Datenbanken, die vernetzt sind mit Hinz und Kunz. Hat man das zunächst undurchsichtig erscheinende System nach ca. vier Jahren endlich durchschaut, muss man neidlos anerkennen, da hat sich mal jemand echt Gedanken gemacht. Aber offenbar noch nicht genug. 

Das bedeutet im Einzelnen nichts anderes, als das für das alte gut funktionierende System ein neues instabiles implementiert wird. Bei der Datenmigration wird für gewöhnlich das alte System zerschossen, will sagen: man hat jetzt zwei parallel laufende instabile Systeme. 

Die Mitarbeiter leisten passiv-aggresiven Widerstand und benutzen nur das alte, was ihnen keiner so recht mit einer Abmahnung vergelten kann, da nicht rauskommen soll, dass das neue, naja.... irgendwie suboptimal läuft.

Das gefällt dem Projektmanager nicht, der über allem wacht und dafür wahrscheinlich ein Heidengeld kassiert. Und, nebenbei gesagt, ein Heidengeld ausgibt, das kostet ja alles. So versenkt er einen Haufen Kohle, worüber beredt geschwiegen wird. Im Zweifel sind die armen Admin-Schweine schuld. Am besten sagt man gar nichts, denn eins zwei fix eilt einem der Ruf eines schwierigen Mitarbeiters voraus.

Deshalb hört man Kritik nur unter der Hand und im vertrauten Kreis. Ehrlich gesagt, der vertraute Kreis umfasst die gesamte Belegschaft, nur eben die Geschäftsführung und den Projektmanager nicht.

Sobald ein Projektmanager am Werke ist, wird arbeiten praktisch unmöglich gemacht. Zunächst mal verlangt er ausführliche Prozessbeschreibungen für alles, was man tut und zu tun gedenkt. Das muss in absurd komplizierte Access-Datenbanken eingepflegt werden, denn die ISO Zertifizierung liegt ihm auch am Herzen. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass das operative Tagesgeschäft mehr oder weniger brach liegt.

Verkauft wird einem das als Transparenz oder etwas grobschlächtiger - für Leute die schwer von Begriff sind: "Wennde morgen tot umfällst, kann man da reingucken und weiß genau, wie dein Job funktioniert hat. Das wird eine riiiesige Wissensdatenbank." Haben wir zwar längst, das gute alte Orga-Handbuch, aber schon da guckt keiner rein, wohl auch deshalb, weil sich bisher noch niemand getraut hat, während der Bürozeiten tot umzufallen.

Während man sich mit der Access-Datenbank die Tage um die Ohren schlägt, nachdem man wochenlang darüber diskutiert hat, was überhaupt alles ein Prozess ist, erfährt man, dass der Projektmanager schon längst an einer neuen Software laboriert, ganz der innovative Tausendsassa.

Man sitzt in Projektgruppen, dann werden Steuerungskreise gebildet, Arbeitsgruppen, in denen Flipcharts vollgekritzelt werden, wie mal alles werden soll, weshalb dann alles besser ist, und dann beginnt der wahre Hohn: es werden nach Monaten ergebnisloser ergebnisoffener Meetings hinter verschlossenen Türen die gemeinen Mitarbeiter befragt, also die, die in den untersten Gehaltsgruppen die grassierende Dateikorruption weghecheln und an genau die werden dann auch die Aufgaben delegiert.

Jetzt dürfen die aber nicht einfach drauflos arbeiten, sondern werden geadelt, indem sie ebenfalls monatelang in Meetings sitzen müssen dürfen, um Flipcharts vollzuschmieren. Bald ist ein Jahr vergangen, nichts ist umgesetzt, was aber niemanden zu beunruigen scheint. Ohnehin hat der Projektmanager längst 20 neue Ideen geboren, die alten sind obsolet. Nein, anders: so wie bei den Katholen im Bedarfsfall eine unliebsame Ehe annulliert wird, so werden Projekte stillschweigend an einem unbekannten Ort begraben, man spricht nicht mehr drüber. 

War was?

An die Headhunter dieser Welt: ihr sucht nach den falschen Leuten. Wenn eine Firma gut funktioniert, dann nicht wegen Cheffe, sondern trotz Cheffe. Anders ausgedrückt: hinter jedem großen Manager steht eine Sekretärin, die sich wundert. 


Hier ein Blick von der anderen Seite

15 Kommentare:

  1. ...ich erkenne erschreckende Ähnlichkeiten zu "meiner" Firma...

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  2. Udo Jürgens Vielen Dank für die Blumen * 1981*
    ...

    https://www.youtube.com/watch?v=_mXg8Q7OtJA

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  3. Headhunter leben vom head hunten.

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  4. Ha Ha............
    Aber so isses. Ein weites Feld.
    Schön ist auch der Jugendwahn.
    Da wird ein junger Man, frisch aus der Master-Arbeit, flugs zum Chef einer wichtigen Abteilung gemacht.
    Ohne je einen Beruf, jetzt nicht gelernt, aber ausgeübt zu haben.
    Wobei Ausüben und Lernen in dem Zusammenhang das gleiche bedeutet.
    Älter Leute, so 30-40, die schon lange in der Abteilung sind, werden vor den Kopf gestoßen.
    Und die soz. Kompetenz der jungen Männer ist auch unterirdisch.
    Aber so muss es sein.
    Nur seltsam, daß in den wahren Entscheidungsgremien der Schnitt bei 70 liegt.
    Muss ich das verstehen ?

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    1. 30-40 jährige sind ältere Leute? Soweit isses schon?

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  5. Hallo Annika,
    ich hoffe Du weißt, dass mein Beitrag zum Thema natürlich vor Ironie nur so trieft. Ansonsten wäre ich meinen Job wahrscheinlich schon längst los. Ich stehe wie Du richtig bemerkt hast auf der anderen Seite und betrachte beide Fronten sehr genau. Gerade in IT Projekten sind Veränderungen immer wieder nötig um sich zu verbessern und im Wettbewerb zu bleiben. Gerade neue IT Projekte sind allerdings immer wieder fehleranfällig da noch nicht ausreichend getestet und schnell in den Markt geschleudert. Das ist leider nicht änderbar, denn wenn man sich damit Zeit lassen würde, wäre man Wettbewerbsletzter. Und genau das führt dann auf beiden Seiten zu Ärgernissen. Deshalb ist Kommunikation das Wichtigste an unser beider Job. Erwartungen klar definieren und die eintretenden Veränderungen vorher besprechen und abstecken.

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    1. Hallo Juliena, und ich hoffe, dass du weißt, dass mein Beitrag ebenfalls vor Ironie trieft :)

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    2. Mein Kommentar nicht !
      Es ist die harte Realität.
      Ach ja, IT.
      Was soll man denken, wenn man ein "neues" CAD aufgebrummt bekommt, das im Jahre 2016 immer noch nicht einen Kreis korrekt darstellt ?
      Sondern einen mit einem 8-Eck alleine lässt ?

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    3. Ich möcht nicht mit ITlern tauschen :)
      Ich bin übrigens immer sehr nett zu ihnen, aus Prinzip. Sie wissen Dinge, die ich in meinem ganzen Leben nicht kapieren werde.,

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  6. "..so werden Projekte stillschweigend an einem unbekannten Ort begraben, man spricht nicht mehr drüber. "

    Genau! Wenn man noch jünger ist, geht man noch mit Begeisterung auf die Besprechung neuer, oft auch etwas hinrissiger Projekte ein, man diskutiert lange und vergeblich.....
    Wenn man älter ist, weiß man, dieses Projekt muß man nur aussitzen. Und wenn man zu dieser Weisheit gelangt ist, sind diese Besprechungen recht entspannend ;-)

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  7. "hinter jedem großen Manager steht eine Sekretärin, die sich wundert."

    Wohl wahr! ich habe schon Firmen den Bach runter gehen sehen, weil der Chef zu geizig war, sich eine ordentliche Sekretärin zu leisten. Auf einmal stand das Finanzamt vor der Tür und die Buchhaltung war völliges Chaos und/oder nicht existent. Steuernachzahlungen bis zur Insolvenz.

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    1. Auch wenn er eine ordentliche Sekretärin hat: es ändert nichts. Wenn die ihn auffliegen lässt, greift das Prinzip "Den Verrat liebt man, den Verräter nicht". Da können die Compliance-Regeln an alle Wände tapezieren, solange Cheffe Rückendeckung von oben hat, wird keine Sekretärin piep sagen. Und wenn er schon ganz oben ist, erst recht nicht.
      Die Firmen gehen also nicht wegen unfähiger Sekretärinnen den Bach runter, sondern weil zuviel geschwiegen wird (oder nicht zugehört, siehe VW)

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  8. "Die Firmen gehen also nicht wegen unfähiger Sekretärinnen den Bach runter, sondern weil zuviel geschwiegen wird (oder nicht zugehört, siehe VW)"

    Jap. Wie gesagt, ich kenne Chefs, die sich nicht mal eine Sekretärin leisten wollen, weil sie denken, sie schaffen das auch alles ganz alleine. Wenn dann das Finanzamt vor der Tür steht, ist Chaos vorprogrammiert.

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