Montag, 15. Februar 2016

Ich bin verliebt

Ich habe die Karriere von Manfred Krug nicht verfolgt, war nicht meine Sozialisation. Ich war zu jung, als er ausgebürgert wurde, als dass er mich interessiert hätte. Ich war auch kein "Liebling Kreuzberg" Fan und Vorabendserien wie "Auf Achse" waren schon immer unter meiner Würde. Das Gesinge als Tatort Komissar ging an mir vorbei, weil ich kein Tatort Fan bin. 

Einzig eine Erinnerung habe ich an ihn, aber die ist viel mehr mit meinem Vater verbunden: Meine Mutter und ich sahen einen Film, "Das Brot des Bäckers". Der Film hatte einen unglaublichen Sog, nicht, dass wir direkt reingekrochen sind in den Telefunken-Riesentrumm, aber irgendwie ähnlich war es schon. 

Bis zu dem Moment, als mein Vater nach Hause kam, sich auf's Sofa schmiss und umschaltete. Wie schrien beide "Nein!", aber das focht ihn nicht an. Meine Mutter stand auf und ging ins Bett, ich moserte noch ein bisschen - damals herrschte noch die 1-Fernseher-Politik - aber die Würfel waren gefallen. 

Mir blieb nichts anderes übrig, als auch ins Bett zu gehen und für das baldige Ableben meines Vaters zu beten. Wenn der gewusst hätte, dass ich den lieben Gott zu Hilfe rief, er war ein Taliban-Agnostiker und hätte mir gleich sagen können, dass das so nichts wird.

Ich erwartete nichts, nada, niente vom heutigen Tag, als ich auf die PAULA-Preisverleihung ging, schon gar nichts von Krugs Gesangsdarbietungen. 

Er kommt auf die Bühne, fängt an zu sprechen, man erkennt die Stimme und denkt, ich muss doch mehr von ihm gesehen haben, als gedacht und ich bin erstaunt, wie wenig sich die Stimme nach einem knapp Achtzgjährigen anhört. Sie hört sich an wie immer. Kraftvoll, tragend, spöttisch. 

Tja, und dann fängt er an zu singen. Um mich ist's geschehen, ach, was sag ich, um den ganzen Saal ist es geschehen. Er singt im Duett mit der mir gänzlich unbekannten Uschi Brüning, die aussieht, wie eine wackere Hausfrau mit praktischem Kurzhaarschnitt, und dann singt sie mit einer so jungen, zarten, warmen Stimme, die beiden flirten, Baby i'ts cold outside und dann folgt ein herzergreifend trauriger Bossa Nova über das Ende einer Liebe, Adé, und dann ist es auch schon vorbei und der halbe Saal heult. 

Ich bin bereit, direkt nach vorne zur Bühne durchzumaschieren, mir Krug zu schnappen, mit nach Hause zu nehmen und den Rest meines Lebens glücklich mit ihm zu werden, wenn er mir nur jeden Abend etwas vorsingt.

6 Kommentare:

  1. Tja, ist an Dir doch eine Ossilantin verloren gegangen... ;-) Krugs Platten standen bei meinen Eltern im Schrank (und jetzt in meinem) und zu Konzerten mit Uschi Brüning war ich natürlich auch. Hättste also alles haben können dort ;-). Und die Filme - Krugs Darstellung des Zimmermanns Balla in "Spur der Steine" ist Kult...

    Btw - "Taliban-Agnostiker" - ein hinreißendes Wort :-)

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    1. Es gab auch einen Zusammenschnitt aus allen möglichen Filmen. Der Mann sah ja mal so speziell gut aus, Herrschaftszeiten!
      Im Grunde bin ich ja eine Ossilantin, mütterlichseits. Wer hätte das gedacht?

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  2. Oja, singen kann er. Hab ich auch mal gehoert vor einigen Jahren allerdings.
    Wie bist Du an die Karten gekommen?

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  3. au backe. das geht schief. spätestens am zweiten abend vom rest des lebens singt der kerl nur noch kacke. ich kenn die burschen. die tricks. la la la.

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    1. Du meinst, er hat mich schwach gesungen, einfach so, weil er das kann? Verdammt.

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