Damals in Niedersachsen war es unter Frauen en vogue, einen
Hexenschuss zu erleiden. Ich weiß nicht, wie oft ich meine Mutter, Tanten und
Nachbarinnen klagen hörte, dass sie die Hexe geschossen hat. Meine kindliche
Phantasie ging mit mir durch (ebenso wie bei dem Satz „Es ist etwas Kleines auf
die Welt gekommen“ – weil „die Welt“ für mich auf dem Vordach zum Treppenhaus
verortet war, aber niemals ein Baby dort abgelegt wurde); ich sah mich des Öfteren
um, ob eine Hexe in der Nähe ist, um mich zu exekutieren. Ich blieb unversehrt.
Bis heute. Ich bückte mich harmlos und mir schoss ein
Schmerz in den Rücken, von dem mir kotzübel wurde. Aus der gebückten Haltung
kam ich nicht mehr hoch. „Verdammt!“, dachte ich, „man kommt ja wirklich nicht
mehr hoch.“ Ich blieb eine Weile so stehen und hechelte den Schmerz weg. Wenn
ich mich zufällig über einen schönen Blumenstrauß gebeugt hätte, wäre das eine schöne
Gelegenheit zur inneren Einkehr gewesen, aber ich hing über dem Mülleimer. Mir
brach der Schweiß aus.
Ich trippelte zum Küchentisch, stützte mich erleichtert ab
und beglückwünschte mich zu diesem gelungenen Wochenende, an dessen Ende ich
stehend und mumifiziert aufgefunden sein würde, vielleicht auch erst am Dienstag.
Nach endlosen Minuten richtete ich mich langsam wieder auf.
Ein paar Stunden sind seitdem vergangen und ich weiß nun die
Vorzüge der Somatisierung zu schätzen:
vor dem Knacks war mir so’n bissel oll zumute, denn ich habe heute, am heiligen
Samstag, keine Verabredung und da bin ich noch ganz Mädchen geblieben, am
Samstag keine Verabredung, dem bin ich nicht gewachsen und werde es nie sein;
da hilft auch nicht, dass ich mich
gestern, an meinem ebenso geheiligten Freitag (Freitags geh ich nie weg) auf
einer epochalen Party bis tief in die Nacht herumgedrückt habe, der Samstag muss für eine geglückte Lebensplanung aushäusig
verbracht werden.
Aber seitdem ich mich vor Schmerzen krümme, bin ich versöhnt
mit diesem Tag, denn nun habe ich ein Motiv, ein Alibi, ich könnte gar nicht vor die Tür, selbst
wenn ich wollte. Ist das nicht schön?
Diclofenac intus, Wärmflasche im unteren
Lendenwirbelbereich, bewege ich mich in Schonhaltung durch meine vier Wände,
gekleidet in Flausch und Wolle, zufrieden mit mir und der Welt. Bis auf die fiesen
Schmerzen halt und dem Unvermögen mich aus einem Sessel zu erheben, weil diese
Vorwärtsbewegung viehisch weh tut.
Es wird Zeit für einen Notknopf, den ich um den Hals trage.
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