Mittwoch, 21. Januar 2015

Omma parkt ein

In meiner Straße ist es totenstill. Die einzigen Krawallschachteln hier sind Amseln. Und Omma von nebenan. Omma ist 93 und fährt noch Auto. Einen uralten Golf Diesel. Tief gebeugt vom Morbus Bechterew tapert sie tagein, tagaus zum Auto, fährt weg, kommt wieder; sie hat Termine. 

Sie "behandelt privat", die Rente reicht nicht. Sie ist Physiotherapeutin. Ich stell mir vor, dass die Privatpatienten eigentlich kaum was von der "Massage" spüren können, denn sie wirkt so kraftlos mit ihren zarten 27 Kilo Lebendgewicht; vielleicht sind die Patienten aber auch schon 87 Jahre alt, haben Glasknochen und so sucht sich die Wunde die passende Wunde. 

Anyway: wir haben schon manch lustige Stunden auf Balkon und im Garten verbracht, wenn sie einparkt. Das sind zu Herzen gehende, halbstündige Versuche, sämtlich zum Scheitern verurteilt. Dabei haben wir keine Parkplatzprobleme. Wenn wir mal 30 Meter zur Haustür laufen müssen, sind wir schon beleidigt.

Sie kommt an, wir stöhnen auf. Sie findet einen Platz, fährt hin und zurück, zurück und hin, der Motor jault auf, noch mal hin, noch mal zurück. Sie steigt aus, geht in Zeitlupe ums Auto und stellt fest, dass sie einen Meter vom Bordstein entfernt steht. Mühsam fummelt sie den Schlüssel wieder ins Schloss, steigt ein, schnallt sich an, vor und zurück, der Motor qualmt. Erste Vergiftungserscheinungen machen uns benommen, die Bäume kommen nicht hinterher mit der Photosynthese, ich drück sicherheitshalber die Zigarette aus. 

Nebel umwabert uns, der Motor kreischt, die Vögel suchen das Weite, der Himmel wird dunkel, sie fährt vor und zurück, steigt aus, tapert ums Auto, 20 cm näher an der Kante, immer noch nicht optimal, also wieder rin inne Kiste. Anschnallen nicht vergessen, man weiß nie, die meisten Unfälle entwickeln sich aus Bagatellen.

Sie kurvt und kurvt, fährt noch mal los, dreht eine Runde um den Block, nimmt einen neuen Anlauf, mit Schwung, in der Hoffnung, dass sie das rechte Augenmaß beweist, steigt aus, es bleibt bei einem Meter Abstand. 

Es liegt sicher daran, dass sie nur nach unten gucken kann, sie sieht das große Ganze nicht mehr, nicht den Kontext, kann keine Kausalkette herleiten, es ist ein Jammer, sie steigt wieder ein - wir hören mit dem kichern auf, kommen nicht in den Himmel, wenn wir uns weiter amüsieren, soviel ist klar.

Irgendwann gibt sie auf, der Wagen steht immer einen Meter entfernt, egal wie oft sie es versucht. Macht aber nix, fährt man halt drumrum. Die Feinstaubwerte sind unter die Decke geknallt, es stinkt wie auf dem Nürburgring. Aber dass sie keine Lust hat Bus zu fahren, kann ich gut verstehen. 

2 Kommentare:

  1. Herrlich! Selten so gelacht.
    Könnte meine Ex-SchwieMu sein, die kam nach fast jeder Fahrt mit einer neuen Beule zurück und konnte nie erklären, was oder wen sie diesmal an- bzw. umgefahren hatte. "Mein Außenspiegel ist ja plötzlich weg! Komisch, ich hab nix gehört!"

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  2. Du hast ja keine Ahnung, wie mich DAS ehrt, dass du über Kampfparking Omma lachst - ich habe nämlich vor Wochen, als ich deinen Blog von hinten bis vorne in einem Rutsch durchlas, teilweise Erstickungsanfälle vor Lachen bekommen! Andere dachten, ich habe Heulkrämpfe, aber das war nur die Erschöpfung. So'n Zwerchfell ist auch nur ein Mensch.

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