Sonntag, 18. Februar 2018

Berlinale und zwei Hunde

Als ich am Dienstag heim kam, schrieb ich meiner Perle, dass wenn ich im Lotto gewönne, sie jeden Tag kommen müsse und nicht nur zweimal im Monat, wie es meine derzeitige finanzielle Ausstattung erlaubt. Sie hatte einen derart guten Job gemacht, dass man aus meiner Wohnung sofort ein zeitgenössisches Museum hätte machen können. Alles schien unberührt, es roch frisch und abends, als ich ins frischbezogene Bett sank, schwor ich mir, diesmal diesen Zustand zu erhalten. 

Und das schaffte ich auch bis Samstag. Jeden Tag, den ich nach Hause kam, war alles so unberührt, wie am Tag zuvor; es war die reine Freude; ist doch gar nicht so schwer, alles gleich wegzuräumen. Ich kann mich nämlich nur so richtig entspannen, wenn es nicht wie in einer Bruchbude mit einigermaßen geschmackvoller Möblierung aussieht. 

Sobald ich die Räume wieder in das übliche Chaos verwandelt habe, kann ich nur mit unguten Gefühlen entspannen, im Grunde gar nicht, weil ich immer ganz gereizt daran denken muss, endlich aufzuräumen. Natürlich denke ich nicht mal im Traum daran, mein Vorhaben auch umzusetzen. 

Am Freitag begleitete ich die Auftragsmörderin zur Verleihung des Deutschen Drehbuchpreises in die Landesvertretung Schleswig-Holstein, oder war es Rheinland-Pfalz? Ich finde es immer reizend, wenn sie mich mitnimmt, gleichwohl finde ich wenig Genussvolles an proppenvollen Stehempfängen. Und Filmleute reden besonders viel Unsinn. 

"Du, ich habe deinen Film nicht geliked, weil ich ihn erstmal ansehen musste, aber das habe ich inzswischen, ich like ihn noch, versprochen."
 "Ach, dass du ihn gefunden hast, das wundert mich." 

"Wie findest du meine Idee?"
"Ich habe drüber nachgedacht und ich denke immer noch nach."
"Aber jetzt erst mal einen Wein."
"Genau, nichts geht über Wein."

Als ich auf die Toilette verschwinde, putzt sich in der Nachbarkabine eine Frau die Nase. Sie trompetet ausgiebig und ohrenbetäubend; ich denke, was muss das für eine Walküre sein? Kurz danach begegnen wir uns beim Händewaschen. Sie ist eine überirdisch schöne Elfe, die mich freundlich anlächelt. Ich stelle mir den Mann vor, der in Ohnmacht fällt, wenn er sie sieht und dann zwei Tage später seinen Freunden erzählt "Das ging gar nicht, wie die sich die Nase putzt, da fallen die Mauern von Jericho um." Es zählen ja heutzutage die kleinen Dinge bei der Beziehungsanbahnungsverhinderung. Ich selber könnte eine Enzyklopädie damit füllen, was mir alles nicht gefällt.. 

Ich blieb also nicht allzu lang, außerdem hatte ich wegen des Empfangs extra bis 20 Uhr im Büro ausgeharrt und das am Freitag... und dann auch noch gleich weggehen, das hält die stärkste Seemannsbraut nicht aus.

Ich hatte die Nase voll von der glamourösen Filmwelt, die ja doch nur aus geschwätzigen Hipstern und verlebten Gesichtsruinen besteht, wo ich immer nur denke, gut, dass ich mit denen nicht schlafen muss, deshalb lieh ich mir am nächsten Tag ihren Hund aus. Zurück zur Natur - ich wollte ihn bekannt machen mit dem neuen Welpen aus meinem Haus und ansonsten niemanden mehr sehen. Bei zukünftigten Ausleihaktionen können die sich artgerecht beschäftigen. Treffpunkt auf neutralem Gebiet, denn meine Wohnung ist praktisch seine Wohnung; nicht, dass er den Welpen gleich massakriert. 



Nachdem der Hund auch im Garten gezeigt hat, wer der Herr auf der Wiese ist, obwohl genau gesehen er ja der Gast ist und nicht der Welpe, ging ich mit beiden Hunden - nachdem mir der Welpenbesitzer versichert hatte, dass der Welpe nicht mehr in die Wohnung kackt - in meine immer noch unberührte, blitzsaubere Wohnung. Binnen fünf Minuten lag alles in Schutt und Asche. 

Nach fast drei Jahren Bekanntschaft mit dem Hund hatte ich vormittags eine Hundedecke erworben und obwohl er sie erst zwei Sekunden kannte, wusste er genau, dass es seine Decke ist und nicht die des Welpen, was der Kleine aber nicht noch wusste. Ich musste gleich ein Blutbad verhindern und ich bin doch immer wieder erschrocken, was für ein Gebiss der Hund hat und wie gefährlich er wirkt, wenn er mit den Zähnen fletscht. Ich durfte mich dem Welpen auch nicht nähern, weil das sofort Eifersuchtsdramen nach sich zog. 

Der Welpe zeigte sich von alldem recht unbeeindruckt, er machte zur rechten Zeit die nötigen Unterwerfungsgesten, aber die waren nur gespielt, dann ging er gleich wieder in den Angriffsmodus über; er wollte sich unbedingt befreunden. 

Ich machte mir etwas zu essen und obwohl ich schwören könnte, dass mir beide Hunde gebannt dabei zusahen, muss es einen unbeobachteten Moment gegeben haben. Als ich mit dem Teller ins Wohnzimmer kam, dachte ich noch, Mensch, hat der Hund wieder gefurzt, da vergeht einem ja der Appetit. 

Dann sah ich was komisches auf dem matt-hellgrünen und sehr langflorigen Teppich vor dem Sofa. Was soll ich sagen, der Welpe kackt doch noch in die Wohnung und zwar gewaltig. Ein kapitaler Dünnschisshaufen krönte das Ambiente und als ich schnell in die Küche lief, sah ich, dass er auch im Flur auf die idiotischerweise ebenso hellgrüne Schmutzmatte sein Geschäft gemacht hatte.

Ich fluchte, während ich ergebnislos rumputzte; warum nur habe ich keinen Laubsauger? Beide Teppiche dann über die Balkonbrüstung gelegt, Hände desinfiziert, denn natürlich habe ich keine Gummihandschuhe und dann war das Essen kalt. Ich rief den Nachbarn ab, er möge bitte seinen Welpen abholen.

Dann legte ich mich erschöpft auf's Sofa, das Wohnzimmer war unterdessen mehr oder weniger verwüstet und die Küche letztlich auch. Ich nahm mir eine 0.33 Colaflasche, öffnete sie und obwohl ich sie tagelang im Kühlschrank liegen hatte, hatte sie nichts besseres zu tun, als vorzugeben, ich hätte sie ausgiebig geschüttelt. Die Hälte des Inhalts auf mir und dem Sofa. Vor Schreck kippte auch noch der Aschenbecher um und ich gab das Projekt "Blütenreine Wohnung forever" endgültig auf. 

Ich suchte mir im Fernsehsonderangebot eine schöne Serie aus und suchte mein Heil in Ablenkung; der Hund durfte zu mir auf's Sofa, nun war auch schon alles egal. Eng aneinandergeschmiegt sahen wir fern. Nach 23 Uhr klingelte es. Es kann auch ein Nachteil sein, eng mit Freunden zu wohnen. "Ich hab noch Licht bei dir gesehen." Ich brauche Verdunkelungsrollos.  

Nach einem Schwatz machten wir zusammen den letzten Spaziergang um Mitternacht, eine halbe Stunde ums Carrée. Kein Kettensägenmörder hätte eine Chance bei diesem Hund, dachte ich befriedigt; ich hatte ja nachmittags gesehen, dass er im Grunde doch keine lebende Wärmflasche ist, sondern ein brandgefährliches Raubtier. 

Da kann er mich noch so lieb anschauen; ich weiß jetzt, was in ihm steckt. 


8 Kommentare:

  1. Da hab ich letztens noch irgendwo ein frenetisches Loblied auf alle Hunde gelesen, und dann kommt Annika daher und zeigt uns, wo der Hund seinen Haufen hinhängt. Hätte er mal lieber auf den Roten Teppich geschissen.

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    1. Das wäre mir ein Fest gewesen, die hatten da nämlich wirklich einen roten Teppich ausgelegt. Mein erster red carpet; kam ich mir vielleicht dämlich vor!

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  2. Da heißt es Zähne zusammenbeißen und durch den Dünnschiß! Das vergeht und wird gelernt – und was ist schon ein Stinkehaufen gegen die treuen Augen, die Dir sagen, daß ausgerechnet Du der einzig wertvolle Mensch im Universum bist.

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    1. Die kucken doch nur so lieb, weil wir bessere Dosenöffner sind. Da darf man sich nichts vormachen. Das ist ein asymmetrisches Abhängigkeitsverhältnis. Naja, mich becirct er dennoch...

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  3. Ach Annika, hätte ich nicht immer noch so einen Brummschädel wie nach einer dreitägigen und dreinächtigen Party - ich tät mich so herrlich ausschütten vor Lachen.
    Immerhin hat er die grünen Teppiche gewählt. Grün! Woher soll das arme Ding wissen, dass der Mensch die Wiese nachbaut und sich ins Zimmer legt?
    Auf dem roten wäre das niemals nicht passiert! :D

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    1. Wirst lachen, so hatte ich das noch gar nicht gesehen. Grüne Wiese. Kein Wunder.
      Bist du etwa krank? Dann gute Besserung.

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    2. Danke!
      Ich bin krank wegen grünem Gras *kreisch*
      Spinatblätter kann man doch als grünes Gras bezeichnen, oder? Und nach dem 3. Mal, wo das schiefging, realisierte sogar ich: Irgendwas verträgste nicht.
      Ganz so erfahrungsresistent bin ich also wohl doch nicht ;)

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    3. Krank wegen Spinat? Du lässt aber auch kein Vergnügen aus.

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