Montag, 31. August 2015

31. August, 36 Grad


Auf der Straße sehe ich einen alten Herrn - man könnte unter ihm den Schotterweg asphaltieren, so langsam und vorsichtig bewegt er sich. Es ist schweineheiß.

Wie ist das, wenn man so alt ist, dass man bei dieser irrsinnigen Hitze zu Fuß gehen muss, weil man kein Auto mehr hat? Der sengenden Hitze lange ausgesetzt ist, weil man sich nicht mehr schnell bewegen kann? Nicht mehr aufs Rad kommt? Wenn man keine Freunde hat, die einen Pool sitten, in den man sowieso nicht mehr reinklettern könnte, weil einem Kraft und Motorik fehlen? Wenn man gar keine Freunde mehr hat, weil schon alle tot sind? Wenn man den ganzen Tag allein ist, der Einkauf die einzige Abwechslung und dann ist es so brüllend heiß, dass dieser Gang zum lebensbedrohlichen Abenteuer wird? Sollte ich nicht einfach anhalten und ihm anbieten, ihn schnell an sein Ziel zu bringen?

Wenn ich nicht mit dem Rad unterwegs gewesen wäre, hatte ich's getan. So kämpfe ich selber mit dieser Affenhitze. Mir wurde im Büro so'n bisschen plemplem und hielt es für eine willkommene Abwechslung, mich um die Mittagszeit krank zu melden, um rasch nach Hause zu radeln und den Rest des Tages zu zelebrieren, diesen letzten brüllendheißen Tag in 2015. In Ruhe Abschied nehmen von diesem Sommer und so. Wehmütig werden, weil es jetzt vorbei ist.

Bei 36 Grad nach Hause zu radeln, ist keine gute Idee. Die Sonne nur von vorne, kein Wölkchen, kein Schatten; die Flasche Wasser, die ich dabei habe, kippe ich mir wie ein Tour de France Fahrer direkt über den Kopf, so sehr verzweifle ich auf den 13 Kilometern. 'Plemplem' beschreibt nicht mehr annähernd, wie ich mich fühle. 

Fast angekommen bin, biege ich noch mal kurz ins Wäldchen ein, um mich abzukühlen. Als ich absteige, um mich kurz auf eine Bank zu setzen, wird mir schwindelig. Kein Wunder, mein Hirn ist warmer Apfelmus. Ich erhole mich, auch weil Schatten mich per se beruhigt. 


Auf allen Vieren krieche ich in meine Wohnung, justiere den Ventilator auf meine äußere Hülle, und warte, dass sich meine verflüssigten Innereien wieder an Ort und Stelle begeben. Ich schau aus dem Fenster, seh die Hitze draußen flirren, aber ich bin in Sicherheit, endlich.



Ab morgen schreibe ich Gehaltvolleres, ich versprech's.

Samstag, 29. August 2015

Fahrerflucht

Als ich in mein Auto steige, wundere ich mich. Ich hatte den Seitenspiegel doch gar nicht eingeklappt. Mach ich nie. Mein Auto ist so klein, das steht noch nicht mal im Weg, wenn ich quer auf der Straße parke. Sehr verdächtig. Da ist doch was im Schwange. Steige wieder aus, der Seitenspiegel hat außen eine Schramme. Nun steht das Auto direkt neben einem Gartentor. Um so eine Schramme hinzubekommen, hätte jemand aus dem Garten fahren müssen und in einer halsbrecherischen Linksabbiegung den Spiegel touchieren müssen. Aus diesem Garten kommt aber nie ein Auto, weil es ein Garten ist.

Ich grübel so vor mich hin. Kombiniere, wenn da oben eine Schramme ist, dann muss weiter unten auch was im Argen liegen. Watson, Watson. Und da: linker Kotflügel zerschrottet, Stoßstange rausgerissen. Wer weiß, wann mir das aufgefallen wäre, wenn der Seitenspiegel nicht eingeklappt gewesen wäre. Wahrscheinlich in drei Jahren. (Naja, das ist jetzt langatmig erzählt, selbstverständlich geschah das alles in Sekundenbruchteilen) 

Heiliger Zorn überkommt mich. Das wird teuer. Leider nur für mich. Wähle 110.

Ich seh mich um, frage die Bauarbeiter, ob sie was gesehen haben. Ja, da habe eben ein Sprinter rangiert. Ach, da vorne, da steht er. 50 Meter entfernt parkt er. Ausgezeichnet. Fahrerflucht mal ganz anders. Bißchen halbherzig. Schnell geh ich hin und sehe die Komplementär-Schramme. Polnisches Kennzeichen. 

Steh so'n bissel dumm rum, was soll ich nun tun? Geh wieder zurück, da kommt ein Mann aus einem Garten. "Gehört der Wagen Ihnen? Ja? Aha. Haben SIE mich angefahren?" Er gesteht sofort. Zerknirscht. Er habe nichts gemerkt, die Musik war so laut. Er wollte keine Fahrerflucht begehen. Das soll ich bloß nicht der Polizei sagen. 

Das habe ich auch nicht vor. Immerhin habe ich affenartiges Glück, dass ich ihn gefunden habe und er geständig ist, ohne dass ich die Gestehen-Sie-Lampe auf ihn richten musste. Ein gütiger Mann, der nichts gemerkt hat. Es gibt Versicherungen, die sowas regeln. Damit ist die Sache für mich erledigt. Außerdem glaube ich ihm. Ein bisschen. Kann passieren. Vielleicht ist er ein Schlitzohr, aber ein sehr freundliches oder ein sehr dummes. Auf jeden Fall nicht besonders effektiv. Ich mein, 50 Meter weiter zu parken, so doof kann man doch gar nicht sein.

Die Polizei kommt. Mit Schutzwesten an und bis an die Zähne bewaffnet. Du meine Güte, ich wohn doch nicht in Beirut. Wir sind inmitten von Bullerbü. Sie glauben seinen blumigen Ausführungen über das laute Radio nicht, er wird nervös. Ich schreite ein, behaupte, dass, als ich zu seinem Wagen ging, er sofort angelaufen kam und sich zu erkennen gab. Nein, keine Fahrerflucht. Wie lange es gedauert habe, bis wir uns gefunden haben? Keine zwei Minuten. Nein wirklich, keine Fahrerflucht. Sie schauen skeptisch, ich schau unschuldig. 

Als sie wieder fahren, sagt der Mann "Schade, dass wir nicht in Polen sind, könnte mein Schwager gleich reparieren." Er sieht mich treuherzig an. Er stellt mir eine Frage, das ist mir klar. Ich grinse. "Übertreiben Sie's nicht." Er lächelt. "Sag ja nur."

So hat ein jeder seine Träume. 

Freitag, 28. August 2015

Wenn Frauen zuviel liegen


Wir liegen jetzt enger beieinander, wir sind ja auch nicht mehr in der Villa, da war mehr Platz. Aber wir haben uns so sehr aneinander gewöhnt beim rumgammeln, dass wir gleich nach der Begrüßung in die Horizontale fallen, um den Pool-Spirit zu re... dings, jetzt fällt mir das Wort nicht ein, zu re... na, zu konservieren trifft's auch. 

Das typische am Single Dasein ist, dass man dazu verdammt ist das Privileg hat, das Leben einer Zwanzigjährigen zu führen; jedenfalls, wenn man klug genug war, auch in bemannten Zeiten seine Freundschaften zu pflegen. Man hat natürlich auch ein paar männliche Freunde, mit denen man durch die Stadt schlendert und nachts telefoniert, aber der eigentliche Rückzugsort ist der Kokon, den Frauen zu spinnen in der Lage sind.

Wir sind erschöpft von vergangenen und aktuellen Waterloos, die wir uns gerne erzählen; wie Frauen überhaupt dazu neigen, sich binnen kurzer Zeit sämtliche Katastrophen ab dem 7. Lebensjahr zu offenbaren. Peinlichkeiten werden nicht ausgelassen, Schwächen, Unzulänglichkeiten, Unsicherheiten, kein Problem, kommt alles auf den Tisch und jede setzt noch einen oben drauf - und dabei wird viel gelacht. Das verbindet und beruhigt: ich bin doch nicht die Döofste unter der Sonne, die anderen haben den gleichen Mist hinter sich. 

Wir sprechen selten von glücklichen Zeiten, wie würde sich das auch anhören "Ach, damals, da war ich so glücklich mit Dingens, unser erster Urlaub, wir haben nur gevögelt, gegessen und geschlafen. Und dann hatte ich noch diesen geilen Job, ich hab mich dumm und dämlich verdient." - das gibt einfach nichts her. 

Viel schlauer lässt sich daher reden über verkorkste Kindheiten und Beziehungen. Wir sind reflektiert und therapiert, wir wissen, weshalb die Kerle so blöd sind und wir sind ja leider auch nicht besser, ja, wir sind inzwischen so klug, dass wir nicht mal mehr DENKEN, Frauen wären toller als Männer. Psychopathen gibt es in männlich und weiblich, man muss ihnen nur aus dem Weg gehen, das ist unser Fazit und gleichzeitig die größte Kunst.

Bis der Normalneurotiker kommt, liegen wir ein bißchen rum, wie damals mit zwanzig.

Montag, 24. August 2015

Nur eine tote Spinne ist eine gute Spinne

Als ich gestern auf dem Sofa lag, huschte ein Riesenvieh von Spinne an mir vorbei, direkt in mein kleines Büro. Die kannte den Weg ganz genau. Umschiffte den Teppich, lief nicht etwa kopflos auf mich zu, sondern bog elegant ab. Als ob sie das täglich macht. Die wusste genau, wo sie hinwollte. 

Bis ich stand, war sie nicht mehr aufzufinden, wobei ich auch nicht gesucht habe, sondern augenblicklich das Zimmer verließ, die Tür schloss und noch ein dickes Handtuch in die Ritze unter der Tür stopfte. Wenn ich Bauschaum gehabt hätte, ich weiß nicht, ob ich mich im Griff gehabt hätte. 

Dabei war ich kurz zuvor noch so glücklich. Ich hatte nämlich über Ebay Kleinanzeigen die Garten-Relax-Liege gefunden, auf der ich in der Villa so viele schöne rückenschonende Stunden verschlafen habe. Und obwohl ich nicht zum tagträumen neige, machte ich gerade eine Ausnahme und sah mich entspannt für den Rest meines Lebens auf dieser Liege. Diese Liege kann mir keiner mehr nehmen. Jetzt muss ich nur noch auf dem Sommerfest der Architektenkammer einen Architekten mit Swimmingpool von mir begeistern. 

Ich flüchtete mich ins Bett und schrieb ein paar Hilferufe an diverse Whatsapp Gruppen. Ob jemand wüsste, wo eine Wohnung frei wäre, in der Nähe, denn ein Verbleib in der meinigen schlechterdings unmöglich - selbst wenn ich mich auf Küche, Bad und Schlafzimmer beschränkte.

Heute früh machte ich keinen Schritt ins Wohnzimmer, obwohl da sogar meine Zigaretten lagen. Werde ich halt Nichtraucherin. Nach Büroschluss holte ich die Liege ab, sie ist wirklich wie neu. Der Oppa hatte sie kurz vor seinem Tod gekauft und nie benutzt, erzählte die Tochter. Ich schleppte sie ins Auto und fuhr los. Binnem kurzen war der Innenraum kontaminiert von durchdringendem Mottenkugelgeruch. Egal, auf dem Balkon wird sie nach ein paar Jahren schon auslüften. 

Zuhause angekommen musste ich wohl oder übel durchs Wohnzimmer, ich wollte in der Abendsonne auf dem Balkon liegen, nicht im Flur oder in der Küche. Ich riss mich zusammen und dann lag ich, von Mottenkugel-Odeur umwabert gemischt mit Febreze - come to where the flavour is. 

Meine wunderbare Nachbarin kam nach Hause und bot mir an, die Spinne zu finden. Ihr Freund ist ähnlich verhaltensoriginell, was Spinnen betrifft und so ließ ich sie dankbar rein. Sie fand sie nach einem kurzen Blick hinter dem Schreibtisch "Schau, sie ist schon tot." - "Gestern war sie aber noch flott unterwegs. Sie sah nicht aus, als ob sie sich zum sterben niederlegen wollte." Aber da lag sie nun, mausetot und ich sagte alle Wohnungsbesichtigungstermine wieder ab.

Dann legte ich mich wieder auf die Liege und schrieb neue Nachrichten über meine heldenhafte Nachbarin, glücklich und entspannt wie nie zuvor. Bis mir ein Freund antwortete: "Du, manchmal häuten sich Spinnen...und das, was übrig bleibt, sieht dann aus wie eine tote Spinne."

Männer sind so grausam. Unsere Freundschaft ist im Arsch. Da kann er mir hundertmal sagen, dass in meiner Wohnung wenigstens keine Giftstoffe sind, weil sonst keine Spinne reinkommen würde. Was ist wohl schlimmer? Asbest oder eine Tarantula, na? Na?

Mir war ja gleich aufgefallen, dass die Spinne so durchsichtig aussah, so ohne Saft und Kraft, obwohl sie ja noch nicht lange tot war. Das fiel mir wieder ein, es war nur so ein kurzer Gedanke, als ich sie in den Garten warf, ich sollte besser auf meine Impulse hören. Also muss sie hier noch sein. Irgendwo. 

Morgen kaufe ich mir Dioxin.


Sonntag, 23. August 2015

Wie mir Udo Jürgens mal einen Gefallen getan hat

Irgendwann im letzten Jahr wurde mir berichtet, man habe ein gaaaanz tolles Geburtstagsgeschenk für mich. Man müsse mir das jetzt schon sagen, damit ich keine anderen Pläne mache. Karten für ein Udo Jürgens Konzert, das genau an meinem Geburtstag stattfinden sollte. "Wirklich?", sagte ich und dachte "Ach herrje." 

Aber ich wollte der allgemeinen Begeisterung nicht im Wege stehen und erwies mich flexibel. Der Rest ist Geschichte, vorher ging er über die Wupper. Ich war heilfroh über sein pünktliches Ableben und bin ihm seitdem zu Dank verpflichtet. 

Eine andere Freundin, der ich von dem geplatzten Konzert erzählte, kannte eine Frau, die eine Patientin hatte, die unheimlich auf den Verblichenen stand (kein Wunder, dass sie behandlungsbedürftig war). Sie stand dermaßen auf ihn, dass sie sich auf einem Konzert in den Backstage Bereich gedrängelt hat und von ihm auserkoren wurde, die Nacht mit ihm zu verbringen. 

Sie war begeistert und konnte es kaum erwarten, mit ihm ins Hotel zu gehen. Sie war sicher, das wird jetzt die Nacht der Nächte, von der sie noch ihren Enkeln erzählen würde. One Night in Braunschweig. Sie kriegte sich kaum ein vor Glück. Bis sie mit Mr. Bombastic im Bett lag. Sein Einsatz: "Nun mach mal!" 

Tja.

Wir sinnierten noch ein wenig, wie es wäre, wenn wir ausnahmslos jeden Mann haben könnten. Wirklich jeden. Immer die freie Auswahl. Selbst mit siebzig. Oder noch älter. Wenn wir noch als Omma dreißigjährige Hardcore Fans hätten. Wir sahen uns schweigend an. Dann lachten wir. Eher friert die Hölle zu.

Mittwoch, 19. August 2015

Thomas macht alles richtig

Nun hatte ich mir neulich einen Temperatursturz gewünscht, ziemlich inbrünstig sogar, es fehlte nicht viel und ich hätte zu Gott gefunden, damit ich den hätte bitten können. Irgendjemanden muss man doch anflehen in der Stunde der Not.

Läuft bei mir, am Sonntag im Englischen Garten zog es sich zu und am Ende kam ich gerade so noch trocken ins Auto. War das eine Erholung. Ich mein, der Körper macht viel mit, aber eben nicht gerne. Er findet sich, weil er muss, selbst an den Drehschwindel morgens nach dem aufwachen gewöhnt man sich; es bleibt einem auch nichts übrig.

Ich wollte auch mal wieder schlafen, also so richtig schlafen, mit müde werden, sich einrollen und wegschlummern. Nicht dieses alle Viere von sich strecken und zu matt zum jammern sein. Das Fenster anstarren und sich fragen, wann gibt's mal wieder richtig Durchzug? Man hätte mich ans Stromnetz hängen und eine mittelgroße Kleinstadt über den Winter bringen können - ein organisches Heizkraftwerk war ich, ohne einen Finger krumm zu machen. Ganz knapp schrammte ich an einer spontanen Selbstentzündung vorbei.

Und nur ein kühler Tag lässt die vergangene Hitze irreal erscheinen. Für mich gibt es kein gestern und kein morgen, ich lebe ganz im Augenblick. 

Ich hatte Außentermine, ließ das Auto vor dem Büro stehen, nahm das Dienstfahrrad (ja, wir haben dolle Sachen), wegen der Staus, auf die ich keine Lust hatte. Plante, auch gleich im Anschluss zu einem privaten Treffen zu radeln, später wieder zurück ins Büro, um dort ins Auto zu steigen. 

Gesagt, getan. Außentermin heißt bei mir: Hotels ansehen auf der Suche nach einem geeigneten Raum für ein feudales Essen. Da sieht man ja viel und muss nicht denken, die Innenarchitekten beweisen Geschmack beim inneneinrichten. Je teurer das Hotel, desto schlimmer wird es.

Jeder Inneneinrichter hat einen Schwager, der eine Teppichbodenfabrik besitzt, in der nur aberwitzig übelkeitverursachende Muster gewebt werden dürfen. Geometrisches wird derart rücksichtslos mit floralem gemixt, dass jeder potentielle Glaukom-Kandidat den Krankheitsausbruch bei vollem Bewusstsein erlebt. Tine Wittler, die alles in Grund und Boden dekoriert, ist in diese Machenschaften ebenfalls verstrickt.


Ich hab Schlimmes gesehen heute. Höhepunkt: das Honecker-Zimmer im ehemaligen Grand Hotel. Wenn ich den Obermufti dort einquartieren würde, lebte ich schon morgen von Hartz 4 und das nicht ganz grundlos.

Nicht nur die Teppiche waren anstrengend, auch das Personal. Kinder, die in merkwürdige Uniformen gesteckt werden, die ihnen viel zu groß sind und merkwürdig steif an ihnen herunterschlottern. Offenbar kriegen die nix zu essen und deshalb können sie auch nicht mehr geradeaus reden. Man spricht also mit dürren Kindern in Anzügen aus Plaste und Elaste, die irgendwie versuchen, den hotelüblichen Terminus technicus fehlerfrei über die Lippen zu bekommen. Sie sind geschult, hören sich aber an, als ob sie in einem Straflager gedrillt wurden, nackte Panik in den Augen. Sie versuchen krampfhaft, souverän zu erscheinen, aber sie sind einfach zu jung für diesen Scheiß. Ich wollte am liebsten eine Leberwurststulle auspacken und sagen, iss das mal und dann leg dich hin und ruh dich einfach mal aus, Kindchen, und vorher besorgste mir noch jemanden, mit dem ich ernsthaft verhandeln kann. 

Erschöpft von den Teppichmustern und Zombies Azubis, die auf mich losgelassen wurden, radelte ich zu meinem Treffen nach Feierabend. Das war es schon recht schattig. Wir saßen draußen und hüllten uns in Fließdecken. Die Füße wurden eisig kalt und noch vorgestern wünschte ich mir nichts sehnlicher - ich war wohl nicht bei Trost. Ich klapperte bereits mit den Zähnen, als ich zurück zum Büro fuhr, um in mein Auto umzusteigen. Erleichtert drehte ich die Heizung auf volle Pulle und dankte dem Herrgott für die Sitzheizung. 

Ich bewunderte einen riesigen Grashüpfer, der sich an der Windschutzscheibe festkrallte und egal wie schnell ich fuhr, stärker als der Fahrtwind war. Ganz schön viel Kraft in so einem Insekt, kein Wunder, dass die uns alle überleben. Ich fuhr auf die Autobahn und dachte, mal sehen, ob er sich bei Tempo 100 immer noch festhält. Respekt, dachte ich.

Bis ich bemerkte, dass er innen an der Scheibe hing. Das war mir dann auch wieder nicht recht, also befahl ich ihm mit Blicken, schön ruhig zu bleiben, dann würde uns beiden nichts passieren. Ich hab ihn praktisch hypnotisiert und dabei eine persönliche Bindung zu ihm aufgebaut. Ich habe ihn im Geiste Thomas genannt. Thomas, habe ich gesagt, Thomas, mach keinen Scheiß, du hast noch alles vor dir, es wäre schade um dich und um mich auch, keine Hektik jetzt auf der A 100, ich hab noch Pläne, ich will einen Swimmingpool und du, du willst es doch auch.

Thomas ignorierte mich weitestgehend, was ich sonst nicht so schön finde, aber heute war es genau das Richtige.

Sonntag, 16. August 2015

Jenseits von Eden

Heute der endgültig letzte Tag am Pool. Selbst die Hunde spüren, dass was anders ist und bleiben in unserer Nähe. Wahrscheinlich, weil wir nur noch traurige Töne von uns geben. Da denken die Tiere, wir sind alle depressiv geworden und wollen uns trösten. 

Bis vor 14 Tagen wusste ich nicht mal, dass ich mich an einen riesigen Kampfhund Labrador gewöhne, ohne mir vor Angst in die Hosen zu machen. Aber der gehört zum Haus, ob mir das nun passt oder nicht. Wär ja alles nicht so schlimm, wenn die nicht so viele Zähne hätten, da können die noch so treudoof gucken, ich vergess das nie.

Eine Stunde bevor wir gehen, verschwindet die Sonne und es beginnt es zu regnen. Das soll uns den Abschied wohl leichter machen. Damit der Pool nicht nass wird, bekommt er ein Hütchen auf.

Was hatten wir es gut. Wir haben natürlich Pläne gemacht. Die Housesitterin muss wird dafür Sorge tragen, dass sie während aller urlaubsbedingten Abwesenheiten der Hausbesitzer das Schlüsselrecht erhält. Nach den Ferien ist vor den Ferien. 

Wir stellen uns auch Weihnachten oder Silvester sehr hübsch vor, weil drinnen ist das Haus auch der Knaller. Man ist gleich ein viel glücklicherer Mensch. Die Frau in der Nachbarvilla hat uns das jeden Abend vorgelebt: in feudaler Umgebung hat man immerzu ekstatischen Sex, mit dem man... na.... locker 100 Meter im Umkreis beschallt. 

Sage einer, Geld mache nicht glücklich. 

Donnerstag, 13. August 2015

Astreine Trennungen

Nee, diesmal wird er sich nicht melden. Er ist nicht so der Typ, der eine Trennung nicht akzeptiert.

Doch wird er sich melden.

Nee, damals, da hatten wir auch keinen Kontakt.

Ach, als du die drei Monate im Koma gelegen hast?

Gelächter.

Ja, dann ist sie aufgewacht und er saß an ihrem Bett, hielt ihre Hand. Hat aber kein Wort gesagt.

Aber Kontakt gehalten. Auf seine Art.

Vielleicht lag auch er im Koma. Konnte er keinen Kontakt halten.

Nebeneffekt: Trennung akzeptiert. 

Noch mehr Gelächter.

Als wir aufhören zu lachen, hören wir, dass nebenan ausgiebig ein Kind gezeugt wird, sie hat offenbar jede Menge Spaß. Wir hören anerkennend andächtig zu.


Ey, Ruhe da drüben, ich bin frisch getrennt!

Sparste dir den Gang zu Ikea.

Sonntag, 9. August 2015

Der größte Stones Fan aller Zeiten

Eigentlich war er viel zu jung, um Stones Fan zu sein; die hatten ihre besten Jahre längst hinter sich und waren für uns schon Großväter. Ihn focht das nicht an. Er war vernarrt in Keith Richards und übte fleißg Bass.

Der erste Mann, der mir das Herz brach. Vorher lief das immer andersrum. Nicht, dass ich es darauf anlegte, Gott bewahre. Aber wenn ich mich ausgeliebt hatte, ging ich. Vorsichtig und nach längerem Überlegen. Ich bot Trost, wenn es gewünscht war. Von Brachial-Trennungen halte ich bis heute nichts. "Wenn ich richtig scheiße zu ihr bin, dann fällt es ihr leichter." Blödsinn. Es wird nur noch schwerer. 

Er war immer auf Anmachstufe 3. Das ging mir auf die Nerven. Ich ging ihm aus dem Weg. Ohne Exklusivrechte lief bei mir gar nichts. Und die gäb's bei ihm nicht, das war mir klar. Ich war gefeit, denn ich war nicht gemeint. Ich eine weitere Kerbe? Never. Sein Ego würde auch ohne mich ganz gut klar kommen.

Das spornte ihn an, damit rechnete ich nicht. Er passte mich ab, wo immer ich auftauchte, was nicht schwer war in dem Kaff. Er entdeckte seine alte Freundschaft zu meiner besten Freundin, pflanzte sich am See zu uns. Er lungerte vor der Buchhandlung rum, in der ich lernte. Auch nicht schwer, es gab nur eine. Er rief bei mir zuhause an und spielte meinem verblüfften Vater "Angie" vor. 

Drei Monate belagerte er mich, den ganzen Sommer lang, bis wir uns in einem noch kleineren Kuhkaff auf einer Party trafen. Es war schon sehr spät oder sehr früh, wie auch immer, es legte jemand 'Fool to cry' auf. Er kam auf mich zu, sah mich traurig an, nahm mein Gesicht in seine Hände und küsste mich. Das war filmreif. Und ich verloren. Hatte so tapfer gegengehalten, aber wer hätte sich da nicht in sein Unglück gestürzt?

Wir waren drei Jahre zusammen. In diesen drei Jahren haben wir uns kein einziges Mal verabredet. Das war er seinem Ruf schuldig. Wir trafen uns im Dorf oder eben nicht. Dann verkrümelten wir uns, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Er legte weiterhin alles flach, was ging. Ich hatte keine ruhige Minute mehr, ich glaub, das drückt's am besten aus. 

Ich machte 84 Mal Schluss, er bekam mich 84 Mal wieder rum. Ich hatte ja noch keine Ahnung von diesem Nähe-Distanz-Schnickschnack. Jaaa, mit dem Wissen von heute... würde ich den ganzen Scheiß wieder machen, aber ich könnte wenigstens die passende Störung identifizieren und dann fleißig entpersonaliseren.

Nach zwei Jahren war ich so durch, dass ich Hals über Kopf nach Berlin ging. Ich wollte nicht mit 67 immer noch sagen, dass jetzt endgültig Schluss ist. Ein Vierteljahr später, ich hatte mich gerade so erholt, zog er auch nach Berlin und stand plötzlich vor meiner Tür. Als ich neben ihm lag - er schlief schon - dachte ich hoffnungsvoll "Ob es jetzt endlich besser wird?" Er sagte laut und vernehmlich "Nein" - im Schlaf. Das war mal ein Zeichen. Und er hielt sich dran. In Berlin gab's ja noch mehr Frauen.

Dann kam die Graue Eminenz. Ihn bewunderte er so sehr, dass ihm schlagartig klar wurde, dass ich die Liebe seines Lebens bin. Aber da war es zu spät.

Samstag, 8. August 2015

What a difference a day makes


Inzwischen gibt es Wartelisten. Es hat sich rumgesprochen, dass wir wie Gott in Frankreich leben. Wir sind uns einig, dass wir was grundlegend falsch gemacht haben im Leben. Irgendwo blöd abgebogen. Auf's falsche Pferd gesetzt. Wir Frauen priorisieren suboptimal.  Leider kein Einzelfall.

Dann kommt früher oder später der Tag, an dem wir es merken. Und dann ist es so spät, dass wir uns als Altenpflegerin examinieren müssen, um in einem noblen Seniorenstift einen netten greisen Herrn davon zu überzeugen, dass er seinen Prachtbau am besten uns blutjungem Ding vermacht.

Aber Schritt für Schritt: zunächst muss die Beziehung der Haushüterin empfindlich gestört werden, denn ihr Freund kommt morgen von einer Reise zurück und dann wollen die beiden Privatsphäre haben, was allerhand ist. Die Selbstbezogenheit dieser zwei Herrschaften grenzt ans Unmenschliche.

Da wir nicht davon ausgehen können, dass sich die beiden zufällig von allein furchtbar streiten, mussten wir was tun gegen die Harmonie. 

Hoffentlich tragen unsere subtilen Hinweise auf die unübersehbaren Charakterdeformationen ihres Liebsten schon Früchte. Wenn alles gut läuft, sollten sie bis morgen Nachmittag, wenn der feine Herr eintrifft, genügend Sprengkraft entfaltet haben, dass sich die zwei die nächsten 14 Tage spinnefeind sind. 

Dann trösten wir sie ausführlich am Pool. Ehrensache. Wenn wir gebraucht werden, sind wir da. Eine für Alle und Alle für Eine. Die Zeit läuft, die Besitzer kommen auch irgendwann wieder, und was wird dann aus uns? Die können sich anschließend wieder vertragen, das reicht dicke. Und was gibt es Besseres als Versöhnungssex? Den hätte sie uns dann ja auch noch zu verdanken.

Und danach? Eine von uns muss im Rosenhof anheuern, hilft alles nix. 

Freitag, 7. August 2015

Fool to cry

Wenn ich mal an diesen Sommer zurückdenke, werde ich mich erinnern, dass er erst im August begonnen hat, bedauerlicherweise nach meinem Urlaub. Was nun vollkommener Quatsch ist, selbst auf Hiddensee hatten wir Sonnentage, die wir bis 22 Uhr nonstop am Strand verbrachten.

Fällt mir ein ganz anderer Sommer ein. Vor langer Zeit. Auch sehr heiß. Ich habe eine wie-du-mir-so-ich-dir-Affaire, obwohl ich eigentlich jemand ganz anderen liebe, aber dem muss ich ja beweisen, dass ich hochgradig begehrt bin. Ich will ihm wehtun, weil er mit einer Freundin gepennt hat und wie das immer so ist, tu ich mir selbst am meisten weh, denn ich bin noch jung und kann Sex ohne Liebe noch weniger abgewinnen als heute. 

Immerhin ein unglaublich hübscher Typ, mit Sixpack, das war damals etwas, was wir noch gar nicht präferierten oder sonstwie erstrebenswert hielten, eher fand ich es komisch, dass er offenbar viel Zeit damit verbrachte, so auszusehen, wie er aussah. Er war auch sonst ziemlich perfekt, schleppte mich zu einem Mondscheinspaziergang in den Wald, es war stockfinster und ich habe bis heute keine Ahnung, wie er uns da wieder raus manövrierte. Das war sicher seine Masche, die Mädchen anschmiegsam zu machen  Und natürlich konnte er auch Gitarre spielen und klampfte abends am See vor sich hin, alles sehr romantisch, der geeignete Mann, dem geliebten Mann das Herz zurückzubrechen, fand ich.

Als wir im Bett landeten, wurde es sehr krampfig. Keine Details, aber sagen wir mal so: Totenstille und Zeitlupe. Warum ich das überhaupt erwähne? Natürlich hat er mit allen verfügbaren Mädchen geschlafen und als ein paar von uns einige Monate später an der Theke saßen, stellte sich das bei dieser Gelegenheit raus. "Sagt mal, habt ihr gemerkt, wann der einen Orgasmus hatte?" - "Ja, wenn er so gemacht hat" - und dann atmete sie kurz und fast unhörbar durch die Nase. Wir bekamen einen Lachflash, als hätten wir einen Jahresvorrat Dope geraucht, aber wir waren einfach nur jung und blöd, aber auf eine niedliche Art. 

Später hat er geheiratet und drei Kinder bekommen, ich bin nach Berlin gegangen, um vor dem geliebten Mann zu flüchten, der konsequent untreu blieb. Aber er folgte mir drei Monate später und so verlängerte sich die erste Beziehung, in der ich unglücklich war, um ein weiteres Jahr. Fool to cry, das war unser Lied, aber das wusste nur ich. Er war der größte Stones Fan aller Zeiten und ich wurde es für eine Weile auch.

Mittwoch, 5. August 2015

Comtess liegt am Pool

Will ja nicht über die Hitze klagen, habe ich schon ausführlich gemacht. Außerdem weiß ich jetzt, was hilft: ein Pool. Ein richtiger Pool, nicht so eine kleine Pfütze. Nein, so ein richtig großes Ding mit 20 Grad kaltem Wasser und 1,50 Meter Tiefe.

Damit lässt sich leben, falls man den ersten Schritt ins Wasser überlebt, denn 20 Grad ist unfassbar kalt, wenn 34 Grad im Schatten sind und man selbst kurz vor der Verflüssigung steht. Da knallt das Herz ein bissel durch, das Hirn friert ein und für eine Weile fällt das Atmen schwer, aber wenn die Gewöhnung einsetzt, lässt sich's entspannt runterkühlen. Ich geh erst wieder raus, wenn ich friere, ist nachhaltiger.

So, wie kommt man jetzt zu einem Pool? Glück gehört dazu. Eine Freundin, die eine Villa hütet und sich Gäste einladen darf. Und schon bin ich eine gemachte Frau. Partizipiere Abend für Abend von fremder Leute Wohlstand.

Ist ja auch mal schön. Ich kann das neidlos genießen. Freu mich, dass ich ausgerechnet jetzt, wo der Klimawandel seine Muskeln spielen lässt, in einem Pool liegen kann. Kommt wie gerufen, Timing vom feinsten, was will ich mehr? 

Überlege, was ich Freitag mache. Da soll es 40 oder sogar über 40 Grad werden. Mir wird schon schlecht, während ich das schreibe. Urlaub nehmen und schon morgens zum Pool fahren? Im klimatisierten Büro übernachten? Auto volltanken, Klimaanlage an und die ganze Nacht durchfahren? Mich beim Aldi rumdrücken? In einem gut gekühlten Hotel einchecken?

Oder ist das jetzt schon sehr pathologisch? Wahrscheinlich. Hört sich so an. Aber Kinder und alte Leute sollen Hitze meiden und ab 35 Grad altere ich im Sauseschritt. Morgens noch das blühende Leben und abends reif für den Friedwald. 

Ups, hab ich doch wieder geklagt. Wird nicht wieder vorkommen. Wahrscheinlich aber doch.