Donnerstag, 19. November 2020

Kaufen gegen Corona

So ein Dingsi habe ich mir heute gekauft, weil ich von unten so schrecklich aussehe, wie ich nie vermutet habe, dass ich aussehen könnte. Das ist ja das Schlimmste an diesen endlosen Online Meetings, dass man sich selbst so oft sieht, sich beim reden zusieht und ich denke immer, meine Güte, was für Grimassen ich schneide, ich habe gar nicht so viel tolle Gesichtsausdrücke, dafür aber jede Menge, die verdächtig nach Hackfresse aussehen. Das wusste ich vorher nicht und wer hätte dieses Wissen gebraucht?

Überhaupt: ich habe in mich selbst investiert. Schreibstischstuhl und Schreibtischlampe, ich konnte es nicht mehr aushalten, mir auf meinem ollen Stuhl den nächsten Bandscheibenvorfall zu ersitzen und bei dem funzeligem Licht draußen und drinnen hätte ich mir auch bald meine Augen komplett ramponiert.

Also bin ich nach Prenzlauer Berg zu Büro Müller gefahren, kann ich nur empfehlen. Riesige Auswahl, aber das Beste: ein kompetenter Verkäufer, der offenbar mit jedem einzelnen Stuhl eine lebenslange Verbindung eingegangen ist - er wusste auswendig alles über jeden Stuhl. Faszinierend. Und er hatte Zeit, weil ich in der riesigen Halle die einzige Kundin war. Und das Allerbeste: Aufbau und Lieferung für 30 €. 

Während ich also zuhause bin, möchte ich mir lauter teure Sachen kaufen, die meine Kemenate perfekt machen. Wasserkocher verkalkt? Bitte einen neuen, dann aber auch gleich den Toaster erneuern und einen Induktions-Milchschäumer, aber alles in derselben Farbe oder alles in Edelstahl - während über mir das Damokleschwert schwebt und die Gesamtsituation immer bekloppter wird, erhöhe ich das Bruttosozialprodukt, aus Trotz oder Frust oder beidem oder weil ich meine Wohnung jetzt so oft sehe, wie nie zuvor und mir all diese Ecken auffallen, die dringend einer Erneuerung bedürfen, obwohl man doch wegen des Klimas unbedingt aufhören muss soviel zu konsumieren, was ich auch nie, nie, nie getan habe, aber jetzt, JETZT will ich es. 

Ich hoffe, da schreibt später mal jemand eine Dissertation drüber, wie ich damals in 2020 anfing, mir auszudenken, was ich noch alles kaufen könnte und wie ich das auch noch ins Internet schrieb.

Relevantes zum Thema findet ihr hier 

Ach, und jetzt werde ich selbstreferentiell (Die Suchbegriffe haben Traffic bei diesem 4 Jahre alten Post verursacht).

Sonntag, 1. November 2020

Keep calm

So, jetzt kommen sie alle heraus,"mit der Wahrheit", "seit 6 Monaten schweige ich", genau, aber jetzt, da "muss ich es sagen", weil "das grenzt an Krieg." Aha, soso. 

Seitdem ich einer engen Freundin dabei zusehen muss, wie sie seit vier Wochen gegen Corona kämpft, Einzelheiten erspare ich euch; ganz ehrlich, jeder der mir jetzt noch damit kommt, Corona sei Fake, dem hau' ich auf's M... - so wütend macht mich das Geschwaller.

Entweder bin ich ein extrem talentiertes Rädchen im Getriebe, das sich klaglos an notwendige Vorgaben hält und Einschränkungen erträgt, sobald ich Gefahr laufe, von einem Virus dahingerafft zu werden, nicht weil ich so dumm und naiv bin, sondern weil ich erkenne, dass derzeit niemand genau wissen kann, wie dieser Horrofilm endet, in dem wir uns kollektiv befinden, und daher das mache, was angezeigt erscheint.

Überträgt sich ein Virus durch Atemluft, bleibe ich möglichst dort, wo nur ich atme. Das ist doch irgendwie logisch, oder? 

Ich arbeite im Home Office, hab's warm und trocken, genug zu essen, einen Wald vor der Tür, eine Freundin direkt gegenüber, dir mit mir in den Wald geht. Habe Netflix, Internet, Telefon, Skype, Teams, Face Time - es gibt nicht arg viel zu beklagen. Ja, Winter is coming, da freut sich kein Mensch, mir fehlt alles, was allen anderen auch fehlt. 

Dennoch: uns geht's gold. 

Nein, ich korrigiere: MIR geht's gold. Mein Job ist weder in Gefahr, noch muss ich an die Front. Aber es gibt viele, die wie ich arbeiten und trotzdem mit Aluhut rumlaufen. Vasteh' ich nich.