Dienstag, 23. Juni 2020

Voll auf die Zwölf

Binnen drei Tagen geriet ich zweimal in Gefahr.

Einmal hat der Leihhund beinahe meine linke Hand amputiert, weil, wann immer er mich erblickt, dreht er vollkommen durch und leider dreht er sich dabei auch wirklich und ich hatte den Fehler gemacht, ihm mit beruhigenden Gesten von seinem Trip holen zu wollen. Schwups drehte er meinen Arm in seine Hundeleine und wie ein Schraubstock wurde es immer enger und leider musste ich auch laut aufschreien, weil das so schweineweh tat und die Auftragsmörderin das erst gar nicht begriff - naja, was soll ich sagen, der Arm tut immer noch weh und den Hund mochte ich auch ein paar Stunden nicht mehr. 

Fazit: ist unser aller eigener Fehler. Er muss erzogen werden und darf diesen Veitstanz nicht aufführen, wenn er mich und andere Menschen trifft, die ihm sympathisch sind. Bei mir zuhause liegt er immerhin nur noch auf der Decke und stalkt mich nicht mehr durch die Wohnung. Meine Erziehungsversuche sind geglückt.

Aber gestern wurde es dann richtig brenzlig: radelte vom Büro heim, wegen des Windes hatte ich mir ein Tuch um den Hals drapiert. Wie ich da schön einen Berg runter fuhr, flog mir was gegen den Hals und wegen des Tuchs prallte das Insekt nicht gleich wieder ab, sondern stach in Panik zu. Eine blöde Wespe. Ich schrie schon wieder laut auf, machte eine Vollbremsung und achtete darauf, jetzt nicht zu hyperventilieren, denn das hilft ja auch nix. Ich versuchte mit dem Handy meinen Hals zu fotografieren - und wirklich: mittiger hat kein Insekt je in einen Hals gestochen. 

Tat echt weh, aber hier drohte ja nun der anaphylaktische Schock auf offener Straße (weit besser, als in geschlossenen Räumen, by the way). Ich fuhr die restliche Strecke heim und eilte sofort zu meiner Freundin von gegenüber, zur Diagnose und Beratung. Sie guckte ernst, murmelte "Mit dem Hals ist nicht zu spaßen". 

Mir wurde eine Zwiebel in die Hand gedrückt, zwecks Auflegung und mit dieser saß ich den restlichen Abend auf dem Balkon, mitten in so einem Mittagessenduft (was ich so alles mit Zwiebeln verbinde, wusste ich bis gestern gar nicht) - kein Schock, kein gar nichts, nur ein zugegeben ätzender Schmerz, wie eine ganz schlimme Prellung.

Wieder was gelernt: scheine nicht gegen Wespen allergisch zu sein. Ist doch alles immer zu irgendwas gut...

Donnerstag, 18. Juni 2020

Nach dem Lockdown

Bei mir hier geht alles zurück auf Anfang: wir sollen jetzt wieder ins Büro kommen. Das passt mir auch wieder nicht. Habe so ein Gefühl, das dicke Ende kommt erst noch. Derzeit scheint's, als gäbe es nur die Wahl zwischen Pest & Cholera: entweder allein im Home Office oder in Gefahr unter Kollegen. 

Alles ändert sich. Keine Sicherheiten mehr. Übernächsten Freitag soll schon wieder in ganz Deutschland 40 Grad heiß sein. Ein dritter Sommer so wie die letzten zwei und dann war's das mit unserem Wald.

Wie schnell alles aus der Balance kommt! Der Mensch an sich geht schnell k.o., und Flora & Fauna ebenso. Las neulich, wir betrauern den Verlust des Sicherheitsgefühl, das wir all die Jahre hatten: 
  • Wir leben hier in einem gemäßigten Klima, nur für Äthiopien muss bei "Wetten dass" gesammelt werden
  • Alle großen Seuchen der Menschheit sind ausgerottet ("Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam")
  • Verrückte Dikatoren gibt es nur im nahen und fernen Osten
  • Unser Gesundheitssystem ist spitze
  • Die Rente ist sicher
Ich ergehe mich in Fatalismus und lese atemlos Jonathan Franzen: Wann hören wir auf, uns etwas vorzumachen? Wegen meiner überlebe ich überhaupt nur deshalb, weil ich mir nach wie vor etwas vormache (sonst würde ich aus dem betrauern überhaupt nicht mehr rauskommen), den Kopf tief in den Sand stecke und den Großteil meiner Freizeit damit verbringe, zu verdrängen, was mich unausweichlich erwarten wird. 

Ich halte mich nicht für eine Pessimistin, sondern für eine nüchterne Realistin, leider gepaart mit Hypochondrie und dem Hang zu dramatischern Formulierungen, weshalb Leser dieses Blogs meinen könnten, hier sei eine im wahren Leben quietschige Hysterikerin am Werke, die alle Leute zu Tode nervt - aber das trifft nur für wenige Tage im Jahr zu. Die meiste Zeit bin ich zufrieden, wenn ich still in den Himmel schauen kann und mit niemandem reden muss. 

Aber wie lange werde ich (wir alle) noch Gelegenheit dazu haben? 

Ich werde mal noch'n büschen im Home Office bleiben. Sicher ist sicher. Hoffe ich. Man weiß es nicht.