Donnerstag, 30. Juli 2015

Duschen vor Publikum

Das fast leere Freibad füllt sich kurz vor Toresschluss mit Eltern und Kindern. Die Eltern bleiben angezogen sitzen und sehen der Bademeisterin dabei zu, wie sie den lieben Kleinen im Kasernenhofton schwimmen beibringt. 

Während die brüsk gebrüllten Befehle des gerade noch so als weiblich auszumachenden Drill Instructors über das Wasser wehen, denke ich darüber nach, ob meine Eltern am Beckenrand saßen, als mir das schwimmen beigebracht wurde. Nee, saßen sie nicht. Aber wo waren sie eigentlich? Haben sie mich hingebracht und wieder abgeholt? Musste ich allein hinlaufen? Ich tippe auf letzteres. Was ich alles schon überlebt habe!

Verweichlicht werden die Kleinen jedenfalls nicht. Sie werden in einer Tour angebrüllt. "Schneller, schneller. Ist mir sowas von egal, dass du nicht mehr kannst, guck mal, wo die anderen schon sind. Aber zackig jetzt." Die Eltern schauen dröge zu. Einige laufen neben der Bademeisterin her, wagen zwar keinen offenen  Widerstand gegen das zweifelhafte pädagogische Geschick des Brüllaffen, pardon, der Brülläffin, wollen vielleicht durch räumliche Nähe die Schärfe aus dem Geschrei nehmen.

Wenn Kinder etwas lernen sollen, dann hilft es wenig, sie permanent anzuschreien. Das sollte sich inzwischen rumgesprochen haben. Immerhin können sie nicht schwimmen, müssen aber ins tiefe Wasser, angetan mit allerlei Equipment gegen das absaufen - allein das eine anzuerkennende Herausforderung. Plus Bademeisterin mit unbefriedigten Allmachtsphantasien - tja, da habe ich großes Verständnis für Gegreine.

Eine Mutter fühlt sich ermuntert, in das Gekeife einzustimmen. Ihr Kind benehme sich unmöglich, weil es sich keine Mühe gebe. So so. Ich schwimme gegen meine Gewaltphantasien an.

In der Dusche bin ich allein bis die Tür aufgeht; fünf Kinder samt Mütter kommen rein. Die Mütter bleiben vollständig bekleidet in der Dusche stehen und schauen zu, wie ihre Kinder duschen. Und wie ich dusche. 

Geht's noch? Sind die bekloppt? Macht man das jetzt so? Nicht dass die Shampoo dabei hatten. Keine einzige. Offenbar reicht es, wenn Kinder in Badesachen unter fließendes Wasser gestellt werden. Keine Ahnung, so gut kenne ich mich da auch wieder nicht aus. Vielleicht schadet Shampoo ja auch, wer weiß das schon. Es war also keine Hilfestellung nötig. Duschen können auch Vierjährige, oder ist das gefährlich? Kann man als Mutter eigentlich auch nebenan in der Umkleide warten. Muss man nicht mit Rucksack, Handy und Straßenschuhen IN DER Dusche stehen. Sollte machbar sein. Also, ich würde das Risiko eingehen.

Ich träum ja manchmal sowas: als einzige nackt unter lauter angezogenen Menschen. Nicht schön. Im realen Leben wird's nicht besser.

Montag, 27. Juli 2015

Nackte Väter, DDR-Superstars und unpassende Kleidung

Rein modetechnisch war der Urlaub ein Desaster. Das lag an Petrus, der leider schizophren geworden ist. In all den Jahren gab es eine Wettergarantie: 30 Grad mit einer frischen Brise. Ich packte also zwei, drei dünne Kleidchen ein, Flip Flops und was kuscheliges für Abends. Ich wollte alle übertreffen mit meinem hauchdünnen Gepäck. Fataler Fehler. Weniger ist eben weniger.

Auf der Insel kann man nichts kaufen, dafür ist sie bekannt, also ihre Ureinwohner sind bekannt dafür, dass sie bis an die Schmerzgrenze desinteressiert sind, etwas anderes als gestreifte Seemannskleidung zu veräußern, zu lächerlich astronomischen Preisen und mit aller gebotenen Unfreundlichkeit. Hiddensee halt.

Mit den kuscheligen, absolut nicht tagestauglichen Klamotten besuchte ich ein Hafenfest mit früher in der DDR weltbekannten Bands. Ich fühlte mich unwohl, weil der Sänger lange Haare hatte - was mich zu sinnlosem Schmachten verurteilte, da ich derart unangemessen gekleidet unmöglich Groupie werden konnte.

Zu meinem Glück und zur Wiedererlangung meines Seelenfriedens konnte oder wollte er seine ausgeprägte narzisstische Störung nicht länger als drei Minuten verbergen. Schon seine expressive Körpersprache vermittelte, dass er sich für Gottes Geschenk an die Menschheit hielt oder zumindest für ein Mitglied der Band Silly.

Als sich ein Fan der ersten Stunde so traulich wie mutig neben den Sänger auf den Bühnenrand setzte, den dieser ebenfalls aufgesucht hatte zwecks Darbietung eines weiteren tiefempfundenen Mundharmonika-Solos, brüllte er ins Mikrofon "Verpiss dich", anstatt froh zu sein, dass überhaupt noch jemand seine Nähe sucht. 

Die Mauer steht ja nun seit geraumer Zeit nicht mehr und es sollte einem doch wohl zu denken geben, dass man sich auf  lokalen Hafenfesten die Bühne mit einer Band teilen muss, deren Sängerin in schwarz-weiß-getreiften Hosen Bonnie Tyler Hits zum Besten gibt. Ich zog meine linke Augenbraue hoch und befand, dass schwarzes Fleece eigentlich schon overdressed ist. Haare hin, Haare her. 

Zurück zum Wetter: bis auf Schnee war alles dabei. Astreine Stürme. Badeverbot. Wolkengüsse biblischen Ausmaßes. An sonnigen Tagen klares Wasser ohne Quallen. Heiße Tage kosteten wir bis zur Neige aus, wir wussten ja, so geht's nicht weiter. Wir schätzten diese Tage ganz anders als früher. Jedes Mal, wenn die Sonne schien, rasten wir ans Meer um bloß nichts zu verpassen. In der Ferne formierte sich stets das nächste Unwetter.

Was noch? Das Publikum hat sich verjüngt. Teilten wir uns vor kurzem noch den Strand mit Ingeborg und Juliane, bevölkern die Bühne heutzutage Prenzlauer Berg Muttis mit fussel-vollbärtigen Vätern, die ihre Wollmützen auch bei 30 Grad am Strand tragen. Kinder die Albert, Wilma oder Melody heißen.

Ich weiß nicht, was mit diesen Eltern los ist. Vollbeschäftigung haben diese Kinder. Vielleicht um von ihren Namen abzulenken. Meiner Erinnerung nach habe ich mit anderen Kindern gespielt. Unsere Eltern nutzten jede Gelegenheit, sich von uns zu separieren. Es gab Kinderzimmer, Kindertische, Kinderlandverschickung nach Neuwerk und keiner unserer Väter wäre je auf die Idee gekommen, mit einer Horde Kleinkinder auf fremde pubertierende Jugendliche loszugehen und dabei zu rufen "Das ist ein Tiger, ihr müsst ihn orange anmalen!", worauf die lieben Kleinen um unser mitgereistes schlechtgelauntes Kind herumsprangen und es 'orange anmalten'. 

Natürlich taten sie nur so, aber der Vater hockte so nackt wie manisch begeistert neben uns und feuerte die Brut an. "Sooo, und jetzt bin ich ein Einhorn, ihr müsst mich jaaagen! Sagt Tschüss zum Tiger!"

Auf der Rückfahrt mit der Fähre nach Schaprode, saß eine Rama-Familie in unmittelbarer Nähe. Ich stuppste die Zebra Mutter an. "Schau mal, wie glücklich die sind. Der ist so verliebt in sie, trotz der schon ziemlich großen Kinder, erstaunlich, oder?" - "Ja, wirklich zum kotzen." - "Es sind bestimmt keine gemeinsamen Kinder, so oft, wie er sie küsst." 

Die Kinder flüchteten vor den knutschenden Eltern. "Guck mal, eigentlich küsst er nur sie. Sie guckt die ganze Zeit angestrengt aufs Meer." - "Stimmt, sieht fast aus, als ob sie gleich ins Wasser springt." - "Du, das ist kein Mann, das ist 'ne Schlingpflanze."

Mittwoch, 15. Juli 2015

Sommerfrische

Es gibt zwei Dinge, die ich im (oder am) Sommer liebe und zwar so sehr, dass ich weder eine zweite oder dritte Person noch den Mann an meiner Seite brauche, damit es womöglich noch schöner wird. Nein, am liebsten allein und still, niemand nötig, mit dem ich es 'teilen' will (nicht so wie eine Kollegin, die immer alles mit mir teilen will, was ich reichlich albern finde; anstatt sie's mir einfach erzählt, wie jeder andere vernünftige Mensch auch).

Erstens: um halb sechs in der Abendsonne ins Freibad gehen. Dann ist kaum noch jemand im Wasser und am Beckenrand. Die erste halbe Stunde schwimme ich gottergeben in Zeitlupengeschwindigkeit und die nächsten 30 Minuten pflüge ich inzwischen zu Kräften gekommen Bahn um Bahn. Die Sonne scheint, das Wasser ist ist glatt und immer erinnert mich das an die Ausgburger Puppenkiste - da war ich nämlich am allermeisten begeistert von dem Zellophanpapier-Wasser (als Kind habe ich auch gerne mit einem Auge in eine waagerecht gehaltene grüne Flasche geguckt,  in der noch gerade soviel Wasser war, dass es nicht rausgelaufen ist, damit konnte ich Stunden zubringen; die Welt blieb draußen). 

Es fällt mir schwer, nach einer Stunde das Wasser zu verlassen und wenn ich nicht mal einen Bericht gelesen hätte, dass Menschen, die über Bord gegangen sind und erst Stunden oder Tage später aus dem Wasser gefischt wurden, lebensbedrohliche Kreislaufbeschwerden bekommen, wenn sie plötzlich wieder in die Senkrechte kommen, dann würde ich einfach den ganzen Sommer im Wasser dümpeln. Natürlich nur im Freibad, wo es glasklar unter mir ist und nicht etwa Riesen-Welse oder Schlingpflanzen meine Wege kreuzen. 

Zweitens: ich fahre nie so gerne Rad wie abends, wenn die größte Hitze vorbei ist, der Tag sich neigt, es immer noch warm ist... ehrlich gesagt, ist das eine reichlich sinnliche Angelegenheit, was sich autoerotisch anhört, aber nicht gemeint ist.

Eine Weile muss ich drauf verzichten, also auf's Freibad, denn es geht ans Meer, in die W-lan freie Zone, aber dafür geht's abends am Meer entlang, was auch wieder eine Menge für sich hat.

Vielleicht gucke ich auch mal wieder in eine Flasche.

Dienstag, 14. Juli 2015

Roman einer versunkenen Firma II


An der Kasse stand heute Seide Surman, eine Asiatin von ungewöhnlicher Schönheit. Das war schade, denn Frauen und besonders schöne Frauen waren für Schmierer Hussenbrook so etwas wie heilige Kühe, nein Stopp, da hatte er sich verdacht, natürlich so etwas wie heilige Wesen oder einfach Heilige. Oder hieß es Heiliginnen? Na ja, das war jetzt nicht so wichtig.

Er wusste nur, dass sein Staubtest eigentlich verpuffen musste, denn obwohl er Seide Surman nicht mochte, weil sie einfach eine zu große Anziehungskraft auf Männer ausübte (und so etwas mochte er gar nicht. Einfach gar nicht. Basta). (Warum, warum, na warum schon? dachte er), wusste er doch, dass er gegen sie nicht mit der notwendigen Härte würde vorgehen können - gegen eine Heiligin.

"Guten Morgen, Frau Surman. Na, schönen Tag gehabt gestern?", sagte Schmierer daher so freundlich er nur konnte. "Kann ich bitte mal den Kassenplan haben?" Wäre doch gelacht wenn ich nicht irgendeinen blöden Kerl finde, den ich zur Minna machen kann.

Natürlich stand auf Schmierer Hussenbrooks Namensschild nicht wirklich Schmierer-Hussenbrook, sondern Rüdiger Hussenbrook in Klammern Bereichsleiter, leider nicht wie bei Dr. Schüller in Klammern Prokurist, aber er arbeitete daran, er arbeitete daran. Daher ja auch, dachten alle, sein Kosename sei "Schmierer"; aber in Wirklichkeit war es ein Künstlername. 

Schmierer-Hussenbrook riss ein neues Paar weißer Handschuhe aus der Plastikverpackung und zog sie über, so wie er das in seinen geliebten Westernfilmen gesehen hatte, auch wenn es da Lederhandschuhe waren und die Helden einen Colt in die Hand nahmen, aber er hatte nun mal nichts Besseres oder hatte jemand schon mal davon gehört das man DEN STAUBTEST mit einem Lederhandschuh machen konnte? (Und so gern er auch Lederhandschuhe getragen hätte, außer zum Auto fahren fand er alle anderen Gelegenheiten zum Handschuhtragen in geschlossenen Räumen nur unästhetisch und Auto fahren konnte er leider nicht)

Er zog also die Handschuhe an und ging ein Stockwerk höher. Wie spät? Na ja, er konnte locker erst mal eine halbe Stunde die angebotenen Waren prüfen. Qualitätssicherung würde er dann nachher in seinen Tagesbericht schreiben.

Locker bleiben, immer locker. Hier war doch auch die Comic-Abteilung, vielleicht sollte er den Staubtest noch mal abbrechen und erst kurz in einem Peanuts-Heftchen blättern, um nachher,  wenn alle gafften und sich versuchten raus zu reden "Staub, Chef, das ist Staub? Ich kann mir das gar nicht vorstellen, Chef, gestern erst hab ich hier geputzt. Waren die Handschuhe auch wirklich frisch, Chef?"

Ja und da wurde es ihm natürlich klar, wie konnte er nur so leichtsinnig sein, die Handschuhe ohne Zeugen zu öffnen? (Die wussten natürlich nicht, dass er tatsächlich mittlerweile eine Einschweißmaschine gekauft hatte und die Handschuhe nur noch jedes zweite Mal wusch, das fiel kaum auf). Zum Glück hatte er noch ein paar dabei. Er musste nachher sofort Ellen Rutzig beauftragen, neue einzuschweißen, die hatte doch eh nichts zu tun.

Wenn also alle versuchten sich rauszureden, dann hätte er aus dem Peanuts-Heftchen schon irgendeine schlagkräftige Antwort parat, die ihm nachher allein vielleicht nicht einfallen würde.

Sonntag, 12. Juli 2015

Roman einer versunkenen Firma I




In einer Kneipe sah ich diesen Beutel auf einer Bank liegen, schwatzte ihn dem Besitzer 
ab und überlegte, ob ich bloggen kann, dass ich in dieser weltbesten Buchhandlung 
gearbeitet habe. Beschloss, ja, es geht, seit über 10 Jahren ist der Laden dicht. Als die 
Firma ins Schlingern geriet, kam ein Unternehmensberater, dessen erste Idee war, uns 
"am Berliner Markt zu etablieren" - da wusste ich, dass wir verloren waren.

Unser Admin schuf eine Mitarbeiter Website, das war damals noch ganz neuartig, zum 
Austausch für alle 300 versprengten Kollegen. Nach ganz kurzer Zeit fingen ein paar an, unabhängig voneinander, in kurzen Sentenzen (anonym) einen Schlüsselroman zu 
schreiben. 

Bis heute weiß niemand, wer welche Passagen geschrieben hat. Die gelungensten setze ich 
heute hier rein, beschränke mich dabei aber ausschließlich auf den Unternehmensberater
'Hauder Kocz', der natürlich anders hieß.


+++ Und dann war er da. Das erste, was ihr auffiel war, dass Hauder Kocz offensichtlich seine 
Hemden selber bügelte. Bisher hatte sie eher die anderen Männer bewundert, die ihren Frauen 
klargemacht hatten, dass man einen Manager am rund gebügelten Hemdsärmel erkannte, also an 
Hemden ohne hässliche Bügelfalte. Und selbst wenn dies nicht das Ergebnis bügelnder Ehefrauen 
war, so kam ja nur noch in Frage, dass diese Manager ihre Hemden in die Reinigung gaben, wo 
man sie ebenfalls rund wiederbekam; was ja eigentlich noch besser war, da es auf ledige Männer 
mit angemessenem Einkommen hinwies. Ja bisher hatte für sie alles darauf hingedeutet, dass 
Männer mit rund gebügelten Hemden zu bewundern seien, aber hier saß nun einer, der nicht nur 
eine Bügelfalte am Ärmel hatte, sondern mindestens drei und unten an der Manschette, wo es 
schwieriger wurde, konnte man die Falten gar nicht mehr zählen, aber er faszinierte sie trotzdem. 
Warum war ihr bisher nicht klar. Hm, dieser Mann bügelte also selber. 

+++ Es war bald Weihnachten! Hauder Kocz platzte nur so vor Stolz, da so viel gekauft wurde. Ihm, 
nur ihm, war das zu verdanken. Die Branche überschlug sich. In Zukunft würde er dieses, sein, 
Phänomen "Weihnachtsgeschäft" nennen. Diesen Begriff musste er sich unbedingt patentieren 
lassen. Die Idee war Gold wert. Bald würden alle diesen Begriff verwenden. 

+++ Hauder Kocz vermied, wann immer es ging, schriftliche Erstkontakte. In erster Linie - glaubte 
er - weil er sich als Mann des Wortes empfand, der beim Reden seine Gedanken verfertigte (womit 
er ungemein gewandt auf Änderungen der Laufrichtung eines Gespräches reagieren konnte) und 
daher persönlich und telefonisch seine Wirkung am besten entfaltete. Telefonisch sogar noch 
besser, ja man könnte fast sagen, dass das Telefon für ihn ideal war, da hier seine Erscheinung 
nicht ablenkte vom imposanten Tenor, seiner eloquenten Argumentation, seinen hypotaktisch 
mäandernden Satzflußdelten (war das der Plural von Delta?), sei es drum, dann eben 
Satzflutwelten, ach, jetzt dachte, ja dachte! er sich sogar schon in Ekstase! 

+++ Na ja, und dann war da natürlich noch das Namensproblem: Jeder, aber auch ausnahmslos 
jeder, sprach seinen Namen falsch aus, wenn er ihn zunächst nur geschrieben sah. Das hatte dazu 
geführt, dass er bei Grenzkontrollen zuerst seinen Reisepass übergab, dann gleich seine Hand 
zur Begrüßung ausstreckte und "Gudntag, Kotsch!" sagte, was die Grenzer selten zu mehr als 
einem skeptischen Augenbrauen zucken veranlasste, aber für ihn, Hauder, war es schon wichtig, 
dass sie nach erfolgreicher Kontrolle nicht sagten: "Gute Weiterfahrt, Herr Kotz."

Dabei war der Name eigentlich ganz einfach und daher war er froh, dass er nun endlich einen 
Einsatzort in der Nähe der polnischen Grenze, in Berlin, hatte, wo man annehmen konnte, dass 
die Kenntnisse der osteuropäischen Zischlaute verbreiteter waren als in seiner norddeutschen 
Kleinstadt, in der Smörebröd und Kluiver zwar die Aussprache auch verwaschen hatten, sich aber 
die komischen Laute doch eher im Rachenraum abspielten, was seinem Namen nicht half.

Im Grunde wurde es Zeit, dass er endlich den Sprung nach Amerika schaffte, wo man neuen 
Trends aufgeschlossener gegenüberstand. Das Namensproblem gäbe es dort auch nicht mehr. 
Die konnten eh nur Kotsch sagen und Hauder würden die zu Ed machen und dann wäre er da 
Ed Kotsch. Hatte was. Kam ihm schon fast wie ein eingeführter Markenartikel vor. 

+++ Hauder Kocz verließ Berlin Hals über Kopf in einer kalten Februarnacht, weil er einsehen 
musste, dass er mit der Halbierung seines Gehaltes zwar einen großen Beitrag zur Rettung 
des Unternehmens generierte, in letzter Konsequenz aber vergaß, dass die damit 
einhergehende verringerte Arbeitszeit auf ein Fünftel die angestrebte Konsolidierung dann doch 
eher verhinderte als vorantrieb.

Mittwoch, 8. Juli 2015

Dieser ganze Datingscheiß

Nun könnte man sagen, dass manche Männer a) ein bisschen skurril sind oder b) keinen Sinn darin sehen, ihr Leben zu schönen oder c) beides stimmt. Kein Grund, sie herabzuwürdigen.

Fakt ist, jeder kann von hanebüchenen Dates erzählen. Ich möchte mal gerne lieber nicht wissen, was die Männer, mit denen ich mich so getroffen habe, über mich zum Besten geben..Bieten wir nicht alle no-gos, ulkige Ansichten, schlimme Schuhe? Wenn wir selbst alle so toll sind im Gegensatz zu all den Idioten da draußen, weshalb brauchen wir dann keine Kalaschnikow, um all die Bewerber um unsere Gunst von der Tür wegzuschießen? 

Ist es nicht so, dass wir selbst bescheuerter rüberkommen und wahrscheinlich auch sind, als wir denken? Und dass alle Welt nach Hause geht, den Hörer schnappt, um verächtlich zu erzählen, wen man nun wieder abwimmeln muss? Das macht auch der, mit dem wir uns gerade getroffen haben und den wir unter 'geht gar nicht' klassifiziert haben. Und die Schublade ist schnell geöffnet, es sind ja winzige Kleinigkeiten, weshalb der andere so gar nicht zur eigenen grandiosen Herrlichkeit passt. Zu lange Fingernägel. Schon 23 mal "Cats" gesehen. Komische Hose. 

Wenn ich bedenke, wie schnell ich aussortiere (und ausortiert wurde) in Relation zu den Menschen, die ich absichtslos über einen längeren Zeitraum kennenlernte, zunächst gleichgültig bis ablehnend war und dann doch merkte, dass einige Juwelen der Menschheit im Nebenzimmer sitzen, tja, dann ist dieser ganze Datingscheiß doch von vornherein zum Scheitern verurteilt. Von den wenigen Ausnahmen, wo sich zwei finden und für die nächsten Jahre ihren Frieden miteinander finden. Soll's ja geben.


Trifft man auf jemandem, der seine Bedürftigkeit offen zu Markte trägt, mag das unangenehm berühren, sogar tödlich nerven, aber womöglich unterscheidet einem von dieser Person nur, dass man über seinen eigenen Kummer zu schweigen in der Lage ist.

Montag, 6. Juli 2015

Läppische 28 Grad

Man soll das Jahr nicht vor Silvester loben, aber heute war der beste Tag anno 2015. Normaltemperatur nach 1-a-Unwetter. Als gestern Abend der Sturm losging, lief ich erleichtert auf die Straße und ließ mich durchlüften. Das Hospiz gerade noch mal abgewendet.

Was habe ich gelernt seit Freitag? 

Dass ich "Orange is the new black" nicht leiden kann. Die Hauptdarstellerin grimassiert zuviel. Immer schlecht. Capt'n Janeway spielt auch mit, eine russische Gefängnis-Köchin, die sich mit gespreizten Beinen von einer Insassin die Beine rasieren lässt - schlimm, ganz schlimm. Wo blieb nur Q, um sie in ein anderes Zeitkontinuum zu katapultieren?

Ebenso "Lilyhammer" - da hat's auch nichts genutzt, dass der Held vorher bei den Sopranos mitgespielt hat. Da hat der eine Gesichtsausdruck gereicht. Ist gar nicht weiter aufgefallen und war sogar lustig. Aber jetzt? Ein alter, hässlicher und buckliger Mann mit gefärbter Perücke und Habsburger Lippe kriegt gleich das junge norwegische Blondchen in Wollpullover mit Sohn, den sie allein erzieht. Bloß keine Kuss-Szene oder schlimmeres, dachte ich mir und dann musste ich mich doch fremdschämen, bei der Hitze.

Dann habe ich noch so Sachen in der Zeitung gelesen, die besten 143 Zitate von Bob Marley und andere Sprüche von anderen Menschen."Der größte Feigling ist ein Mann, der die Liebe einer Frau wachruft, ohne die Absicht, sie zu lieben." Und falls euch Cheffe jemand in den Wahnsinn treibt: "Not my circus. Not my monkeys."

Sonntag, 5. Juli 2015

40 Grad und Spaß dabei

Ich hab rausgefunden, wie man über so einen Tag kommt.

Man steht um 4 Uhr auf (Schlaf ist überbewertet), reißt alle Fenster auf, die Wohnungstür, geht ins Treppenhaus, öffnet die Haustür und alle Fenster im Flur = Wohnung kühlt auf 21 Grad ab. 
Dann kann man ein bißchen die Bude aufräumen, die hat's inzwischen nötig. Man selbst hat auch Bewegung nötig. Mens sana in domicilium mundule.

Frühstück auf dem Balkon, um 5 Uhr ist das ohne weiteres möglich. Dann schafft man es auch, um 8 Uhr im am Freibad zu sein. Leider macht es erst um 9 Uhr auf. Es ist immer noch vergleichsweise kühl, also zurück nach Hause und sofort, gehen Sie nicht über Los, also sofort in den Garten. 


Hier greift das Boiling-Frog-Syndrome. Kennt bestimmt jeder. Übertragen auf den Menschen: sitzt er im Schatten und es wird langsam wärmer, merkt er es fast gar nicht.


Man liest ein gutes Buch oder das hier, checkt ab und an die Wetter-App, ist stolz, dass es schon 32 Grad ist, aber man immer noch draußen ist. Man bleibt in Bewegung, weil man alle zehn Minuten rein muss, all der Tee... Dem Kreislauf tut das gut, jedenfalls besser als 24/7 rumliegen (außerdem geht das keinen weiteren Tag ohne Thrombose-Strümpfe).


Ach ja, rauchen ist wirklich scheiße. Ich glaube, ich hätte länger als 14 Uhr geschafft, wenn ich mir meinen Kreislauf nicht mutwillig zerschrottet hätte. Das nur nebenbei. 

Jedenfalls geht man dann in die Wohnung zurück und ist happy, dass dort nur 25 Grad sind. Eine richtige Freude ist das. Alle Fenster sind immer noch weit geöffnet, die Außenjalousien sind heruntergezogen, jedoch nicht ganz. Luftzirkulation schützt vor Platzangst und eingebildeter Atemnot.

Nun bleibt einem zwar auch nichts anderes mehr als die Couch, aber mit einem Ventilator auf volle Pulle lässt sich ein Nickerchen machen, schließlich ist man seit bald 12 Stunden auf den Beinen. 

Jetzt ist es 19.30 Uhr und es geht mir immer noch fabelhaft. Das kann ich sagen ohne nennenswerte Selbstverleugnung. Fast.

Samstag, 4. Juli 2015

Schätzungsweise 40 Grad

Ganz früh war ich im am Freibad, denn soweit habe ich mich über die Jahre in den Griff gekriegt, egal wie heiß es ist, morgens gehe ich schwimmen. Eine Stunde im Wasser und man ist auf Stunden durchgekühlt. Ich war mir sicher, ich bin die erste. Leider nein. 

Ich fuhr an der kilometerlangen Schlange vorbei, direkt wieder nach Hause. Nicht ohne Ehrfrucht vor dem unbedingten Lebenswillen der brütenden Masse, denn bis ich am Kassenhäuschen angekommen wäre, hätte man mich mehrmals reanimieren müssen, ohne Garantie auf Erfolg.

Tja, jetzt liege ich hier träge im Dämmerlicht, zurückgeworfen auf mich selbst. Julia Assange, gefangen in ihrer Residenz.

 Unterstützertelefonate, wie kommst du klar, ach frag nicht. Gar nicht. 

Gegen 19.00 katwarn Meldung. Hoffnung kommt auf. Hagel wäre schön. Außer ein paar Tröpfchen gegen 21 Uhr passiert nix. 

Been down, isn't it a pity?

"Oma!" und nochmal, verächtlicher: "Du bist echt 'ne Oma!" Weil ich nicht mitkomme in die Strandbar. Dabei bin ich gar keine Oma. Mir ist nur zu heiß. So what?

Der Niedlichkeitsfaktor einer Frau erhöht sich enorm, wenn ihr immerzu kalt ist. Das versteht jeder. Es gibt Frauen, die gehen zu Bett, als wollten sie vorher noch an den Südpol. Alle Welt findet das rührend. Niemand findet ihre niedrige Frustrationstoleranz gegenüber Kälte erwähnenswert oder sanktionswürdig. Frierende Frauen haben Sexappeal, wecken Beschützerinstinkte, werden in Decken gehüllt und niemand zwingt sie zu Outdooraktivitäten.

Ganz anders die Frau, die nur lebensfähig bis 30 Grad ist. Vor allem, wenn sie sich weigert, bei 34 Grad gesellschaftlichen Verpflichtungen nachzugehen. Ausnahmslos jeder fühlt sich berufen, ihr klarzumachen, dass sie dringend behandelt gehört. Leicht wird dabei vergessen, dass sie bis 28 Grad sehr gerne irgendwo rumsitzt und praktisch nicht totzukriegen ist. 

Hitzetage sind Weihnachten und Silvester nicht unähnlich, man ist zur Glückseligkeit verdonnert.

Meine Schwestern im Geist:  
Scheißwetter.
Sommer, verpiss dich

Donnerstag, 2. Juli 2015

Schuld war nur die Hitze

Immer bin ich ja auch nicht toll. Manchmal sogar richtig blöde. An ganz schlechten Tagen bin ich sogar so eklig wie die Leute, über die ich mich sonst aufrege.

Der Urlaub steht vor der Tür. Was braucht die Frau von Welt, wenn sie blind wie ein Maulwurf ist? Genau, eine Sonnenbrille, mit der sie auch lesen kann. Eine Gleitsichtbrille, das bringt das Alter mit sich. Mit der kann ich auch während des Autofahrens mein Handy checken, wenn die Sonne scheint. Ich hatte mir vor einem halben Jahr eine machen lassen, die meine Sehgewohnheiten revolutionierte, also eine für schlechtes oder sagen wir, gewöhnliches Wetter. Nun also Sonnenbrille.

Geh zum Optiker und sage der Mitarbeiterin: genau so eine noch mal, mit der kann ich gucken wie ein Luchs, nur in braun. Gestern hole ich sie ab, setze sie auf und was ist? Ich seh nicht so gut wie mit der anderen. Werd auch gleich sauer, pampe die Optikerin an, diesmal ist es eine andere, ein ganz junges Mädchen noch, die hilflos meinem Gekeife zuhört. 

"Das sind auch nur Premium 1 Gläser, weil das ein Angebot war und in Ihrer normalen Brille sind Premium 3 Gläser drin", erklärt sie mir. 

Ich reg mich noch mehr auf.

"Ich hatte doch gesagt, ich will genau diese Gläser noch mal, wieso werden mir dann andere angedreht, was weiß denn ich was Premium 1 oder 3 bedeutet, das muss man mir doch erklären, Sie sind doch die Fachfrau hier", wohlwissend, dass sie überhaupt nichts dafür kann, denn sie hatte mich nicht bedient. Aber nun war ich schonmal in Fahrt und setzte großkotzig hinterher "Das Geld ist mir doch scheißegal, ich will einfach gucken können, ist denn das so schwer zu verstehen?"

Sie holt den Chef und wie eine typisch widerliche Kundin werde ich milde und wechsel in den Flöt-Modus. Den Chef kenne ich von früheren Gelegenheiten, ein angenehmer Mann, Australier, mit einem hübschen Akzent und Gesicht. Freundlich, aber mit einem Hauch von Resignation und Erschöpfung hört er sich meine (nunmehr sanft vorgetragene) Tirade an, leitet alles in die Wege, Premium 3 Gläser werden geordert und während er nach hinten geht und irgendwas aufschreibt, probiere ich die Brille noch mal aus. Stelle fest, so schlimm ist es doch gar nicht, könnte ich eigentlich doch nehmen, aber ich komme aus der Nummer nicht mehr raus, hab mich schon wie eine Spirale tief in den Boden geschraubt, kein Weg zurück, und dann kommt die Strafe, als er mir den Preis nennt.

Jaha, Geld ist kein Problem, habe ich zuvor in den Raum getrötet, ich dämliche Kuh, hab ich mir ein schönes Ei gelegt, vor dem Urlaub ist das gar nicht mehr drin, aber ich will die Brille auf jeden Fall am Meer tragen, ich lese doch so gerne im Sand. Ich zucke nicht mit der Wimper, lass ihn weiter alles in die Wege leiten und frage mich, welche Bank ich noch überfalle und ob ich auf dem Rad wohl schnell genug flüchten kann, bei der Wärme. Dann fahre ich nach Hause und kasteie mich. 

Heute früh ging es mit dem kasteien und fremdschämen gleich weiter, wobei fremdschämen der falsche Terminus ist, denn es geht ja um meine ureigene Blödheit. Ich treffe eine Entscheidung. Entweder Konto ruinieren (hab doch gerade den Maler bezahlt) oder "you have to face the consequences", wie mein Ex-Ami immer sagte.

Ich ruf da also an, in der stillen Hoffnung, ich erwische jemand mir Unbekannten, bei dem ich unauffällig stornieren und auf das Ursprungsmodell zurückgreifen kann, aber nein, der Chef persönlich ist am Apparat. Ach, ich war mir schon lange nicht mehr selber so peinlich. Seine Resignation ist noch spürbarer als gestern, als er mir sagt, natürlich, kein Problem, der Auftrag sei zwar schon in der Mache, weil ich es ja extra eilig gemacht hatte (Meer!), ich solle einfach vorbeikommen, dann geht schon alles klar.

Als ich eintreffe, habe ich eine Flasche Wein für ihn dabei, damit sein Frust über bekloppte Kunden ein wenig abgemildert wird. Ich entschuldige mich bei ihm und auch bei der jungen Kollegin, die Adressatin meines ungebührlichen Benehmens war. Eigentlich hätte sie auch Wein oder Pralinen oder ein Pony verdient. 

Wir sitzen noch lange zusammen und er erzählt mir von ungefähr allen bescheuerten Kunden, mit denen er sonst noch zu tun hat und ich hör mir alles geduldig an, weil er es verdient hat und weil ich ihm gerne zuhöre und ab und an mal einwerfe, dass ich eigentlich so nicht bin. Ich glaube nicht, dass er mir glaubt. Ich würde mir auch nicht glauben.