Freitag, 29. November 2019

Alles muss raus



Und wieder schließt eine Buchhandlung. 

Die wunderbare, alteingesessene Philipp Wendland Buchhandlung schließt zum 24. Dezember und bis dahin bekommt man auf jedes Buch 30% Rabatt.

Auch wenn mir das wie Leichenfledderei vorkommt, bat mich die Buchhändlerin, die Werbetrommel zu rühren, denn "schließlich wollen wir am liebsten jedes Buch verkaufen." Kann ich gut verstehen, denn die Reste inventarisieren und remittieren ist ein Graus, psychisch wie physisch.

Da diese kleine und feine Buchhandlung sehr gut sortiert ist, kann ich nur jedem empfehlen, sich auf direkten Wege dorthin zu bewegen; so preiswert kommt man nie wieder an wunderbare Weihnachtsgeschenke bzw. die Aufstockung der eigenen Billy Regale und ganz nebenbei boykottiert man die großen Onlinehändler.



Buchhandlung Ulrich Wendland
Uhlandstraße 184 (zwischen Kantstraße und Ku'damm)
10623 Berlin

Mo-Fr 10-19 Uhr
Sa 10-16 Uhr

Adventssonnabende
10-18 Uhr

Adventssonntage 8.12. und 22.12.
13-18 Uhr

Heiligabend
10-14 Uhr

Montag, 25. November 2019

Mit Tosca kam die Zärtlichkeit

Gestern musste ich sehr viel weinen. Ich war auf einem Konzert eines Drei-Generationen-Orchesters. Winzig kleine achtjährige Geigerinnen neben 75 jährigen Rauschebärten und einer, ca. 55, sah sogar ein bissel wie Sting aus. Für jeden was dabei. Dieses Orchester lebt u.a. von schiefen Tönen und wilden Eigenkompositionen des Dirigenten, der eine 15minütige Neuinterpretation von "Alle meine Entchen" als Welturaufführung komponierte und darin alles verbraten hatte, was Rang und Namen hatte: Mozarts Requiem, Die Moldau von Smetana und den Bolero von Ravel. Es war toll! Mein Make up war schon ganz verwischt, weil ich bei konzertanten Aufführungen eigentlich immer heule. Im Gegensatz zu Opernaufführungen, aber da erzähle ich gleich von.

Jedenfalls war das Konzert zuende, und nun gab es auf einmal den "Überraschungsgast". Der Dirigent bat aus dem Publikum einen Thomas auf die Bühne, der aussah wie eine Mischung aus Borat (Gesicht & Haare) und Chaplin (Anzug und Habitus). Der schnappte sich das Mikro und brach schon beim ersten Satz in Tränen aus, weil er "so oft und schnell gerührt" sei, und weil er seine Maren so sehr liebe, wie noch nie jemanden zuvor in seinem Leben und wir drehten uns alle um zu dieser Maren, die so schön wie Dora Maar vier Reihen hinter uns saß und beide Hände an ihre Wangen gepresst hielt. 

Ich heulte auch gleich los, denn nun würden wir Zeugen eines Heiratsantrags in aller Öffentlichkeit werden, das habe ich bisher nur im Fernsehen oder auf Youtube gesehen und ich sank halb an die Schulter meiner Freundin, umschlang ihren Arm und flüsterte ogottogottogott - denn ich bin gerade sehr dünnhäutig, aber das ist wieder eine andere Geschichte, über die ich nicht berichten werde. 

Nun ja, Borat Chaplin stotterte also etwas von "Unsere Lieder sollen unser ganzes Leben erklingen" und ähnlich sinnloses Zeug und dann fing er an zu singen "L.O.V.E" von Nat King Cole. Er sah sie dabei die ganze Zeit an und warf ihr Kusshände zu und als er zuende gesungen hatte, kam sie zu ihm auf die Bühne und dann umhalsten sie sich innig und küssten sich ewig und wir klatschten und hatten was im Auge und dann sank er auf die Knie, holte den Ring raus und bat sie um ihre Hand. rannte er hinter die Bühne und kam wieder mit einem hässlichen Blumenstrauß und dann sank er auf die Knie, holte den Ring raus und bat sie um ihre Hand und dann passierte gar nichts. 

Er nahm ihre Hand und setze sich doch glatt wieder mit ihr ins Publikum. Gerade als wir uns fragten, ob der Mann noch ganz knusper ist, stand er noch mal auf und rief ganz laut: "Moment, ich hab noch was vergessen!" Wir drehten uns erleichtert um, weil er nun doch noch die Kurve kriegte, aber dann rief er weiter "Der Andreas (=Dirigent) hatte gestern Geburtstag!" Nun waren wir überzeugt, dass er einen schweren Dachschaden hat und seiner Maren fürderhin eine alsbaldige Trennung anzuraten sei für diesen Scheiß, den er ihr gerade angetan hatte.

In der Oper hingegen, eine Woche zuvor, tobte zwar auch die Liebe und der Irrsinn auf der Bühne, aber das war zuweilen unfreiwillig komisch, weil die beiden heißblütigen und glutäuigen Liebhaber derart übergewichtig waren, dass ich um ihre pyhsische Gesundheit fürchtete. 

Der eine musste immer  ein Gerüst hoch und runter klettern und dabei singen, der andere lehnte sich zur Entlastung stets an Tische und Bänke und wann immer sie die leichtfüßige Tosca küssen wollten, sah das eher aus, als wollten sie sie ihr in den Kopf beißen oder ihr diesen gleich ganz abreißen. Am Ende mussten beide Herren sterben und sich auf die Bretter fallen lassen und da gab es Gekichere im Publikum, obwohl wirklich nur ernsthafte ältliche Opernfans im Parkett saßen, aber die sind natürlich meistens leptosome Typen. Nun ja. 

War noch was? Ja. Ein schöner Text beim Pestarzt aka Kiezneurotiker

Mittwoch, 13. November 2019

Freitagstexter: And the winner is...



Ganze sieben Menschen (davon drei außer Konkurrenz) haben sich ihr Hirn zermartert, um der gemeinen Winkelspinne eine heiterkeitsauslösende Sprechblase in den Mund zu legen.

Gewonnen hat das Schalttagskind mit:

"Hans-Hermanns Welt war flach, schalldicht und windstill. Die Aussicht war ganz okay, allerdings vermisste er manchmal eine Gespielin oder auch nur jemanden, der ihm mal eine andere Meinung sagte als seine eigene. Wie groß war seine Verwunderung, als eines Tages Facebook ausfiel!"

Fast wäre es Dieter Schablonski geworden, aus Verbundenheit (weil er aus meinem alten Kaff kommt). Zudem bediente er mit seiner Antwort meine hypochondrischen Wesenszüge; dennoch möge er mir nicht übelnehmen, dass er einen guten 2. Platz gemacht hat. 

Meinen Glückwunsch an Shhh, der die Bronzemedaille gewonnen hat. Wenn ich einen Wintergarten hätte, würde ich auch nicht mit der Renovierung vorankommen.

Herrn Ackerbau konnte ich unmöglich nominieren, das versteht sich von selbst, aber natürlich ist es entzückend, dass er sich ob dieser ausweglosen Lage dennoch Gedanken gemacht hat. Sicherlich, um dem ganzen hier ein bissel Drive zu geben - lieben Dank dafür.

Allen anderen a.K. - Kommentaren: besten Dank.

Und nun, verehrtes Schalttagskind (das übrigens einen Blogvater hat: den Zeilensturm 
Bühne frei! Am Freitag muss ein schickes Foto bei dir veröffentlicht werden. 

Freitag, 8. November 2019

Freitagstexter




Beim lieben Ackerboy habe ich beim Freitagstexter mitgemacht, gewonnen und darf muss heute den nächsten Freitagstexter ausrichten. Ich kann ihm einfach nichts abschlagen, denn ich bin ihm auf Jahre hinaus verpflichtet, weil er mich mal zu Max Goldt geschickt hat, einfach so.

Zu dem Foto, das ich unten eingestellt habe, soll von euch ein Kommentar oder eine Bildunterschrift erfunden werden, über die ich möglichst lachen muss. Lachkrampf wäre sogar noch besser. Aber es darf auch traurig sein, dräuend und drohend. Oder ein Filmtitel,  ein Zitat für die Ewigkeit; etwas kafkaeskes oder was von Udo Jürgens - was immer euch einfällt.

Bis nächsten Dienstag (12.11.) bitte ich in den Kommentaren um eure Vorschläge. Am Mittwoch (13.11.) gebe ich den/die Gewinner/in bekannt und zur Strafe muss diese Person dann weitermachen am Freitag (15.11.). 

Die genauen Spielregeln: hier entlang



Und nun zum Foto.





Samstag, 2. November 2019

Cash Cow





Ist so ein kleines Kalb nicht herzallerliebst? Wie das so schaut aus langbewimperten Augen, so sanft, dass ich gleich den Weltfrieden ausrufen möchte.

Aber wie beginnt ein Kuhleben heutzutage, wenn sie Pech hat und auf einem Landwirtschaftsbetrieb zur Welt kommt, wie es ihn nicht geben sollte und auf dem die Dinge suboptimal geregelt sind. Nicht so, wie in den Hügelegigen Landschaften, auf dem Tiere im Glück ein beschauliches Leben haben, unbehelligt wiederkäuen und eigene Namen haben, wie Fred zum Beispiel, oder Klaus.

Wenn es schlecht läuft für das Kälbchen, kommt es direkt nach der Geburt in einen winzigen Einzelstall, in dem es sich einmal um sich selbst drehen kann. Es kann nicht nach draußen schauen, nur an der Stirnseite hängt eine Gummizitze mit Ersatzmilch, ein ganz und gar schlechter Ersatz für Mama Kuh. Wenn es Glück im Unglück hatte, durfte das Muttertier es noch trockenlecken, aber nicht selten erfolgt die sofortige Trennung von Mutter und Kind. 
Kälbchen-Einzelställe
 
Später, wenn die Kühe groß sind und Milch geben, wird's nicht leichter. Sie sehen kaum Tageslicht, haben wenig Bewegungsfreiheit, stehen und liegen in ihren Auscheidungen.


Ist die Kuh ambitioniert, darf sie sich auch länger melken lassen als 3-4 Jahre. Wenn sie eher Dienst nach Vorschrift Milch produziert oder auf so eine innerlich gekündigte Art, dann ist sie - klaro - vorher fällig.


Eigentlich könnten sie die Weltherrschaft übernehmen, wenn sie nur etwas mehr Temperament hätten oder einen ausgeprägteren Fluchtinstinkt, wie Pferde beispielsweise. Die wissen zwar in der Regel auch nicht, wieviel Kraft sie haben, aber ihre Feinnervigkeit sorgt für jede Menge Schreckmomente, denen sie hysterisch und mit viel Tam Tam aus dem Wege zu galoppieren suchen. 



  
Kühe könnten locker Zäune niedertrampeln, aber das sagt ihnen niemand. Und selbst wenn sie draußen sein dürfen, genügen nachlässigste Sicherheitsvorkehrungen, um eine Flucht von vornherein zu vereiteln. Was eventuell daran liegt, dass sie durch lebenslanges auf der Stelle stehen weder Kondition noch eine Vision von saftigen Wiesen haben, für die es sich lohnen würde, durchzubrennen. 

Supermoderne Ferrari-Kuh (knochige Hüfte, große Euter)

Meine Herrschaften, an mitunter unwirtlichen Orten wird "Bio-Milch" produziert. Beziehunsgweise wird die uns so verkauft. 

Aber weshalb darf die so etikettiert werden? Ganz einfach: weil die Tiere Bio-Futter bekommen. Hochleistungsfutter. Und fertig ist die Bio-Milch, die wir dann guten Gewissens kaufen. Für letzteres besteht keine Veranlassung. Wollt' ich nur mal gesagt haben.

Edit 3.11.:
  1. Film: "Das System Milch", 2017, 90 Min., auf Netflix und Amazon Prime 
  2. Höfe, auf denen Kälber nach der Geburt nicht von ihren Müttern getrennt werden, finden sich hier