Mittwoch, 30. August 2017

Die Stille nach dem Sturm

Am liebsten wäre mir jetzt schon nach einem Jahresrückblick. Ich hatte genug 2017. 

Es begann ziemlich blöde, dann kam auch schon die Todesgrippe im Januar, gleich gefolgt von Rücken und von da an ging's bergab. Alles harmonisch ummantelt vom Tschäinsch Manadschmänt, das mir den ohnehin nur noch rudimentär vorhandenen Glauben von der angeblichen Vernunftbegabtheit der Menschheit, insbesondere der vorgesetzten Menschheit, nahm. 

Alles um mich herum trennt sich oder verliert sich in Affairen mit unpassenden Liebesobjekten, Tränen fließen literweise und neulich bin ich auch noch versehentlich auf den Hund getreten. Anstatt mich zu beißen, umwinselte er mich unterwürfig, was mir ein bisschen das Herz brach. Sogar das Pferd der Dezemberaffaire, die sich unterdessen in eine schmerzhafte Pfingstaffaire verwickelt hat, musste ins Krankenhaus mit einer Kolik und das ist bei Pferden was ganz Blödes.

Ich könnte noch eine ganze Weile so weiterschreiben, aber ich will jetzt mit der guten Nachricht schließen. 

First of all: es wird keine weiteren Bürogeschichten geben, und wenn doch, dann nur retrospektiv. Das ist gar nichts Schlimmes, denn ich habe ein Angebot bekommen, das ich nicht ablehnen konnte. Eine win-win-Situation. Hauptberuflich Sozialromantikerin, Herrin über meine Zeit und niemand ist mir weisungsbefugt. Es gibt auch Nachteile, wie immer, aber die werden von den Vorteilen aufgewogen. 

In mir ist Erleichterung und Ruhe und mein Glück im Unglück kann ich kaum fassen. Ich weiß nur eins, ich hab's verdient. 


Montag, 28. August 2017

Frau Knalldoof kauft im Internet ein

Wann immer wir uns bei dem blutjungen, flirrendem Geschöpf in der 1 Zimmer Hinterhaus Wohnung (37 Stock ohne Fahrstuhl) in Kreuzberg treffen, fühlt sich der Rest verjüngt, weil in solch winzigen Räucherbutzen mit den alten Nachttischlampen von Omma Gertrude als einzige trübe, aber warme Lichtquelle sofort Erinnerungen an den eigenen Aufschlag in Berlin wecken, damals im Krieg. 

Was uns alle begeistert ist die Musik und das Gerät aus dem die Musik kommt. Ein unscheinbares Brikett und Spotify lassen uns unentwegt wippen beim DoKo spielen und als neulich gegen Mitternacht eine von uns Geburtstag hatte, tanzten wir sogar (Du meine Güte, kam ich mir vielleicht blöd vor - Happy Birthday von Stevie Wonder - was ist nur aus meinem Leben geworden?). Der Hund hatte keine Kraft mitzumachen, da er schon eine Vorstufe von Lungenkrebs hat, ein unschuldiges Opfer unser anhaltenden DoKo-Manie.

Zur großen Freude des Geburtstagskindes bekam es auch so ein Musik-Brikett. 

Und dann musste ich sowas natürlich auch haben. Völlig übermüdet von der Reinfeierei und der tags darauf folgenden richtigen Feierei im Klunkerkranich  setzte ich mich am Sonntag vor den Rechner und recherchierte. Ich platzte vor Stolz, fand ich doch ein fabrikneues, originalverpacktes Dings für die Hälfte des Preises, den wir zuvor für die Jubilarin investiert hatten. 

Ich vergewisserte mich extra bei dem Händler per Mail, ob es sich wirklich um ein neues Gerät handelt und ich nannte natürlich auch den kompletten Namen des Gerätes, in der Betreffzeile und im Anschreiben. Er antwortete, ja, alles neu und OVP.

Dann bestellte ich gleich zwei, weil eine andere auch eins haben wollte. Und weil ich halt immer mitdenke.

Heute kam die Nachricht, dass das Dings schon unterwegs ist, da war die Freude groß, anbei die Rechnung. Auf der stand dann plötzlich "Cube" und nicht "Brick" - das ist die quasi die Größeangabe. Ich hatte also das kleine Winzding bestellt, das bestimmt nicht den Sound haben wird, den das größere Exemplar entwickelt.

Ich dachte, verdammich, bin ich jetzt schon so blöd, dass mir beim bestellen auf dem Foto nicht aufgefallen ist, dass es nur ein kleiner Würfel ist? Ich hatte es mir ja in allen Farben angesehen, so blöd kann eigentlich niemand sein. Ja, ich bin mir sogar ganz sicher, dass ich kognitiv willens und in der Lage bin, den Unterschied zu erkennen, auch wenn ich ziemlich müde bin. 

Ich ging gleich auf die Händlerseite, aber da war nun gar nichts mehr von dem Dings zu sehen. Alles ausverkauft. Kein Wunder. Bei dem tollen Angebot. Am Arsch die Räuber. Mann, da will ich einmal 2.0 sein!

Naja, Widerrufsrecht; sobald die Winzdinger ankommen, werden sie gleich wieder zurückgeschickt und ich straps dann persönlich ins Geschäft und betaste das Dings ausführlich, bevor ich zur Kasse gehe. 


Donnerstag, 24. August 2017

Der Ex meiner Schwester


Meine Schwestern und ich haben Talent, mit unseren Exen befreundet zu bleiben und die aktuellen Männer damit nicht zu verärgern. Die Dinge sind lückenlos befriedet. Mindestens je ein bedeutender Ex ist in den Familienstand erhoben und begleitet unser aller Leben. So auch der Ex meiner Schwester, der diverse angenehme Eigenschaften auf sich vereinigt.

Für mein Dafürhalten ist seine beste Eigenschaft seine Berufswahl: Arzt. Alle paar Jahre sitze ich zähneklappernd vor ihm, weil irgendwelche Malaisen dann doch einen Besuch in seiner Praxis verlangen. Für diese kurze Zeitspanne sind dann verkehrte Vorzeichen in unserer wahlverwandtschaftlichen Beziehung. 

Aber heute, im Garten meiner Schwester, war alles wieder wie immer. Er sitzt ruhig am Tisch, meist nachdenklich, mit feinem Humor. Er trauert seit Jahr und Tag der Nachfolgerin meiner Schwester nach, kann sich aber auch nicht aufraffen, einen vernünftigen Neustart auf die Beine zu stellen (und dabei wäre es egal, ob nun mit ihr oder ohne sie; sein Talent liegt zweifellos im verharren).

Meine Schwester versucht seit geraumer Zeit, ihn mit einer Kollegin zu verkuppeln, die auch zugegen war. Sie ist erkennbar interessiert; es tat fast ein bissel weh, zu sehen, wie bemüht sie und wie wenig er interessiert war. Kein Echo, kein Blick wurde erwidert und als sie mehrmals sagte, er solle doch einfach mal zu ihr kommen, ging er mit angeborener Nonchalance darüber hinweg, freundlich, aber distanziert. 

Ich hielt später, als sie gegangen war, einer anderen liebeskranken Person am Tisch einen feinfühligen Vortrag über die Bindungstheorie, mit deren Untiefen ein jeder schon seinen Kummer hatte und vermutlich auch noch einige Male haben wird: am meisten hängt man den Menschen nach, die einen am langen Arm haben verhungern lassen, die keine Entscheidung treffen, sondern dafür sorgen, dass der andere die Entscheidung trifft, weil er eines Tages so entkräftet davon ist, den anderen irgendwie in der Beziehung zu halten, dass nur noch Aufgabe aus Selbstschutz das letzte Mittel der Wahl ist.

Meist leider 4 Jahre zu spät, weshalb sich dann auch die Leidenszeit erheblich verlängert, da man fortan damit beschäftigt ist, sich nicht zu verzeihen, dass man das Elend solange erduldet hat; wenn man ganz viel Pech hat, dauert das auch noch mal 4 Jahre, für gewöhnlich aber nur 2 Jahre, dann endlich gilt dem anderen morgens nicht mehr der erste und abends nicht mehr der letzte Gedanke. 

Der Ex meiner Schwester seufzte mehrmals zustimmend. Und als ich sagte, ich wasche jetzt mal ab, belebte er sich, "Ich helfe dir" und folgte mir in das entzückende Datschen-Häuschen.



Ich kenne das Phänomen, da rede ich eine Weile schlau vor mich hin und dann sehen mich Männer plötzlich ganz anders an, man könnte auch sagen, dass ich für einen Moment zur Last-Exit-Frau avanciere. Oder zur Mutti, die alles wieder heil macht; ich bin da ganz realistisch. Ich schau Männer mit demselben Talent zur empathisch angehauchten Klugscheißerei ebenso sehnsüchtig an. Wir sind ja alle bedürftige Fässer ohne Boden. 

Ganz harmonisch beschlossen wir, dass ich abwasche und er nicht abtrocknet, weil es das ja ganz von allein tut. Er meinte, dass er die Kollegin meiner Schwester zwar nett findet aber weiter eben nichts und ich meinte, ich hätte da eine tolle Freundin, die ich ihm gerne mal vorstellen würde. Er seufzte wieder. "Du kiffst zuviel, das macht auf Dauer freudlos."

Und später, als wir alle mit dem schlafenden Kind meiner Nichte zu unseren Autos und Fahrrädern durch die Dunkelheit schlenderten, sagte er, er begleitet mich noch zu meinem Auto, das genau 10 Meter entfernt stand. Noch eine ganze Weile lehnte ich an meinem Auto und er an seinem Fahrrad und wir plauderten über Depressionen ab einer gewissen Lebensspanne.

"Weißt du was? Wir kennen uns alle so lange, wir wissen, wie wir waren, als wir jung waren und nun werden wir gemeinsam alt, sehen uns beim verwelken zu und das wird nicht schön, aber wir passen aufeinander auf und das ist doch auch nicht schlecht."

"Nein", lächelte er, "so schlecht ist das nicht."