Freitag, 31. Januar 2020

Irgendwas mit Sex...

...im Titel und schon bekommt man Klicks ohne Ende. Sorry, musste ich gleich nochmal versuchen. 

Natürlich bekommt man hier nüschte geliefert, was irgendwie mit Sex zu tun hat (ausgenommen skurrile Begegnungen mit notgeilen Waschmaschinenverkäufern), sondern höchstens was mit Ellenbogen - meine allerneueste Malaise, seitdem ich kurz vor Silvester etwas Schweres heben wollte. Nach fast vier Wochen bin ich dann doch zum Arzt, der mir eine Schulter-Orthese verschrieb (Gips gibt's heutzutage nicht mehr), in der Hoffnung, dass Ruhigstellung hülfe. Natürlich schnalle ich das Dingens ab, wann immer ich den rechten Arm brauche, also kann von einer Heilung kaum Rede sein. Mal sehen, wie sich das entwickelt. 

Seit einiger Zeit übrigens mache ich eine einjährige Ausbildung zur Mediatorin und seitdem habe ich haufenweise Konflikte und die dazugehörigen Konfliktgespräche - eine erstaunliche Koinzidenz, wie ich finde. Nur unser Trüppchen Zertifizierungswütiger zukünftiger Mediator*innen ist sich in schönster Harmonie einig, dass der Tag noch fern ist (und vielleicht nie kommen wird), an dem man uns auf die Menschheit loslassen sollte. 

Unsere Trainerin ist auch ausgebildete Schauspielerin, also Darstellerin aller Arten durchgeknallter Kunden (=Medianten) und dann sitzen wir staunend vor ihr und sollen sie mit 'aktiven Zuhören' wieder einfangen ("Ich höre, Sie sind wütend" - wenn mir jmd so einen Satz sagen würde, wenn ich gerade sauer bin, spielte der im Prinzip mit seinem Leben. Wird nur noch getoppt von "Lass alles raus", wenn mir mal nach heulen zumute ist. Nichts stoppt Tränenfluss wirksamer als übereifriges Zurschaustellen von Empathie). 

Anyway, die sieben Tage an der Ostsee über Silvester haben mich wieder zur Leseratte gemacht und nachdem ich alle vier Bücher von Joachim Meyerhoff (ausnahmslos empfehlenswert) gelesen habe, bin ich jetzt zu den Mitford Sisters zurückgekehrt. Es gibt sowohl himmlische Romane von Nancy Mitford, als auch haufenweise Sekundärliteratur über jede einzelne Schwester. Im Moment habe ich Unity Mitford am Wickel, die wohl die Verrückteste von allen war, aber lest selbst:

Michaela Karl: "Ich blätterte gerade in der Vogue, da sprach mich der Führer an."

In dem Kaff, aus dem ich komme, hatten meine zwei Schwestern und ich übrigens auch einen gewissen Ruf, aufgrund unserer damaligen extremen Niedlichkeit und als wir alt genug waren, in der Szene aufzutauchen, war das zwar kein Debütantinnenball in London, aber doch auch aufsehenerregend und tatsächlich wurden relativ zeitgleich auftauchende Schwestern nach ihren Nachnamen tituliert und dann hatte man es als Mädchen quasi in den kleinstädtischen Olymp geschafft. "Die Haas-Schwestern" oder "die Pompe-Schwestern" - ein Ruf wie Donnerhall. Meiner mittleren Schwester war das übrigens schnuppe; sie ging und geht zeitlebens früh ins Bett, während ich die Nächte durchtanzte. 

So, nun ist der Januar auch schon wieder rum. 


Freitag, 17. Januar 2020

Der sexbesessene Kühlschrankfachverkäufer



Wenn ich gewusst hätte, was mich erwartet beim Kühlschrankkauf, hätte ich mir schon mal vorab einen Twitteraccount zugelegt, # Age doesn't matter: me too

Seit Tagen frequentiere ich einschlägige Geschäfte auf der Suche nach einem neuen Kühlschrank und gestern landete ich in einem riesigen Möbelhaus, sehr erfreut über die große Auswahl, die gähnende Leere und den gut sichtbaren Verkäufer, der still an seinem Platz saß.


Ich schlendere also an den Kombigeräten vorbei, inzwischen fachlich versiert, mit einer gewissen Anerkennung für easy-slide-Einlegeböden, Fresh-Zones und No-Frost-Gefahr. Ja, man kann sagen, mir macht keiner mehr was vor.




Der etwas zu klein geratene Verkäufer sprang behende auf und fing an, mich fachmännisch zu beraten, auf eine gerade noch angenehm eifrige Art. Ich schöpfte keinen Verdacht und hielt ihn für einen ganz arglosen Menschen; so wie ich im Prinzip auch einer bin sein könnte. 

Irgendwann stand ich vor einem Retro-Gerät, das das Gefrierfach leider oben statt unten hatte und ich murmele: "Ach nee, ich möchte es beim Einräumen lieber komfortabel haben."

Das scheint eine Initialzündung für den Verkäufer zu sein, er wendet sich mir vertaulich zu:

"Aber wenn Sie sich bücken und nicht mehr hoch kommen und Ihr Mann steht hinter Ihnen, dem läuft ja dann schon richtig der Sabber aus dem Mund. Das hat auch seine Vorteile."

Ich tu mal so, als ob ich das nicht gehört habe und gehe weiter zum nächsten Gerät. Er folgt mir eifrig.

"Neulich, da war so ein altes Ehepaar hier, bestimmt schon 70 und dem Mann habe ich das auch gesagt, dass er kein Viagra mehr braucht, wenn seine Frau sich vor dem Kühlschrank bückt. Da kann er dann mal so richtig zupacken."

Irritiert gehe ich weiter, er nun in Fahrt und nicht mehr zu stoppen. 

"Ich hatte mal eine ältere Frau hier, bestimmt 75, die meinte zu mir, dass ich ihr doch den Kühlschrank persönlich bringen soll. Hab ihr geantwortet: 'Wissense, Sex könn'wa auch gleich hier haben.' Jetzt kommt die immer einmal die Woche und jammert, wann ich denn endlich mal zu ihr komme. Aber wissen Sie, bei dem Alter ist das nicht so interessant für mich. Also, wenn jemand wie Sie mir so ein Angebot machen würde, ja daaaa wäre ich aber ganz schnell dabei!"

Nun gibt es ja drei Möglichkeiten für eine Frau, das richtig einzuordnen:

  1. Der Verkäufer lebt in einem Paralleluniversum und glaubt, dass Frauen in einem gewissen meinem Alter sich über jede Anmache derart freuen, dass er das für ein verkaufsförderndes Argument hält.
  2. Der Verkäufer ist von dem Gedanken besessen, dass er unter den Kühlschrankfachverkäufern Berlins eine Art Sexbombe ist und keine Frau ihm widerstehen kann.
  3. Der Verkäufer ist ein entflohener Insasse und darf im Grunde gar keine Kühlschränke verkaufen. 

Daher bin auch nicht vom Donner gerührt über den schwachköpfigen Inhalt seiner Ausführungen, sondern darüber, dass der Mann überhaupt auf die Idee kommt, derlei - zumal auch noch im beruflichen Kontext - abzusondern. Ich wüsste gar nicht, was ich für Drogen nehmen müsste, um zu glauben, dass das ein kundenbindender Flirt wären. 

Natürlich mache ich bei so einem Wicht keinen Aufstand; das würde auch zu nichts führen, außer dass sein Rollenprofil in Sekundenschnelle vom servilen Schleimer zur beleidigenden Leberwurst wechseln würde.

Als ich den Laden verlasse, wende ich mich kurz an den Info Counter und sage:
"Ihr Kühlschrankfachverkäufer ist freundlich, versteht sein Metier, ist aber leider sehr anzüglich." Die Dame fängt an zu lachen "Ach, der Herr Müller, so kennen wir ihn!" Ich ziehe nur meine linke Augenbraue hoch. Sie hört auf zu lachen. "Ich rede mal mit ihm." Ich nicke langsam und beuge mich ein wenig vor "Tun Sie das. Käme keine Minute zu früh." Drehe mich um und gehe, ohne Kühlschrank.


Montag, 6. Januar 2020

In Stettin

Ein Haus, gewappnet für die bevorstehende Heißzeit
  
Wenn man schon mal am Stettiner Haff ist, kann man ja gleich nach Stettin fahren. Die Stadt soll ja so schön sein, wird geraunt. Als wir ankommen, machen wir uns sogleich auf die Suche nach der Altstadt, was in unserem Vorstellung bedeutet: schöne alte Gemäuer kombiniert mit einer pittoresken Shopping-Fress-Meile auf einer Länge von einem Kilometer alles hübsch beisammen. 

Wir suchten uns einen Wolf, kamen an mächtigen Kirchen vorbei, die leider durchgehend geschlossen waren. Hin und wieder stand auch ein altes, mächtiges Gebäude des Weges, jedoch eng von hässlichen Plattenbauten eingerahmt. Architektonisch ist diese Stadt ein weitestgehend geschmackloses Konglomerat. Einkaufsstraßen fanden sich gleich gar nicht, was zunächst mal kein Fehler sein muss, dafür aber andere umherirrende deutsche Silvester-Touristen, die die Altstadt auch nicht fanden. 

Bis auf die sehr sexy junge Bedienung (darf ich das so sagen? Unsere mitreisenden Zausel jedenfalls belebten sich), die uns sehr freundlich ziemlich tolles Essen servierte, war der einheimische Menschenschlag noch mürrischer als vor 10 Jahren der Mecklenburger. Fast meinte ich offene Verachtung zu spüren, was mich irritierte, das muss ich zugeben.  

Eins ist in Stettin aber wirklich toll: die haben eine rote Linie auf sieben Kilometern Bürgersteig gemalt und wenn man der folgt und dabei den dazugehörigen Stadtplan in der Hand hält, sieht man alle Sehenswürdigkeiten und kann sich zudem nicht verlaufen. Leider ist uns das erst aufgefallen, als wir schon 90 Minuten im Blindflug umhergeirrt waren; denn wir sind noch nicht in dem Alter, in dem wir uns auf einen halbtägigen Städtetrip "vorbereiten". Ganz schön blöd. 

Wenn es Sommer gewesen wäre, hätten wir uns glücklich am Hafen niedergelassen und das Treiben beobachtet. So latschten wir fünf Stunden über Stock und Stein, mussten aber im Parkhaus nur 11 Sloty zahlen (= 2,75 €). Alles andere ist aber genau so teuer wie bei uns.

Stettin war (ist?) eine Hansestadt - der Kutter beweist es


Es hat auch hübsche Torbögen am Hafen

Vielversprechende Kirchen, aber...

... alle waren geschlossen.

Mittwoch, 1. Januar 2020

Emilie, wo bist du?


Gestern frönte ich meiner Liebe zu Spaziergängen über Friedhöfe und auch in dem winzigen Kaff in Mecklenburg Vorpommern gibt es einen.

Dieser Grabstein hier lässt manch Frage offen:

1. Lebt Emilie etwa immer noch und haben wir es somit mit einer gänzlich unbekannten, störrisch am Leben hängenden 127jährigen Mecklenburgerin zu tun, die ich zufällig entdeckt habe?
2. Oder hat Emilie in den frühen 60igern, kurz nach Wilhelms Dahinscheiden, noch mal ein neues Glück gefunden und liegt nun begraben in einem anderen Dorf oder womöglich gar in Übersee?
3. Gab es gar ein postmortales Zerwürfnis der beiden Eheleute - bspw eine Geliebte von Wilhelm, die sich zu erkennen gab und Emilie zum Entschluss brachte, Wilhelm allein in seinem kühlen Grab versauern zu lassen?
Noch irgendwelche Vorschläge?

Wie ging es nach dem Spaziergang weiter. Hm, wir mussten uns verkleiden, denn zum geplanten Gelage hatten wir uns für ein Krimidinner bereit erklärt. Das haben wir schon mal vor drei Jahren gemacht, als wir ein einsam gelegenes Försterhaus im Harz gemietet hatten. Damals allerdings war die Spielleiterin eine vom Spiel Besessene und daher kundige Frau, die uns sicher durch den Abend führte. Es gab viel Gelächter, als wir den Mörder identifizierten: Jose, ein zunächst als Don Juan agierender Schwerenöter, der sich zum Ende hin als ein vom Leben frustrierter Gynäkologe erwies, der praktisch zum Mörder werden musste.

In diesem Jahr bekam der genervte Spielverweigerer die Aufgabe, das Spiel zu leiten. Ein Fehler, wie sich rasch herausstellen sollte. Wir saßen in unseren dämlichen Kostümen (ich war die Häuptlingsschwester Hantaywee) am Tisch, lasen in unseren Anleitungen und das meist genutzte Wort des Abends war „Hää?“ Der Spielleiter vergaß stets, uns Anweisungen zu geben, wofür er einiges an Beschimpfungen zu erdulden hatte, die seine ohnehin gereizte Stimmung nicht eben hob. Ich nehme an, in ein, zwei Jahren wird er drüber lachen können.

Euch allen roaring twenties