Donnerstag, 31. Dezember 2020

Als Single in Corona-Zeiten

Gott sei Dank bin ich in einem Alter, in dem ich geduldig so ein Jahr ertragen kann. Gut, dass ich nicht 18 bin oder 30 - ich wär' bekloppt geworden. 

Aber in einem ist dieses Jahr unübertroffen: es bringt alles ans Licht, was sich sonst hübsch verleugnen bzw. schönreden lässt. Corona funktioniert wie ein Detektiv, den man zwar nicht engagiert hat, der aber unermüdlich aufdeckt. Und wenn man schon mal hinschaut, geht man gleich in die Retrospektive und spätestens dann trennt sich die Spreu vom Weizen.

Denn wenn niemand mehr kommen darf und man zu niemanden mehr gehen darf: wer passt auf dich auf und auf wen darfst du aufpassen? Fast immer unausgesprochene, aber kristallklare und mitunter total überraschende Antworten erhält man.

Hat man einen Lebensmenschen, mit dem man unter einem Dach wohnt, stellt man sich womöglich andere Fragen, zum Beispiel "Wie komme ich hier schnellstmöglich raus?" oder "Ist ja doch insgesamt ganz kuschelig hier" - hier wird aufeinanderzu oder voneinanderweg gedriftet.

Aber wie geht es Singles, die niemanden verpflichtet haben, sich innerhäusigen Wonnen oder Querelen gemeinsam zu stellen?

Meine Rede: Singlesein ist okay, es braucht nur ein paar richtig gute Freunde und man erlebt alles ganz gemütlich und kommod. Plus ab und an den knorke Leihhund und alles ist in Butter. Aber dann kam Corona und mein Leben zum Stillstand; der Sommer war ja noch klasse, alles wurde nach draußen verlagert bis in den November hinein. Am Horizont jedoch: Weihnachten. Und der zweite Lockdown. Erneut monatelang Home Office. 

Ich begab mich ernsthaft auf die Suche nach einem eigenem Hund, denn der Leihhund wird nun von der Auftragsmörderin selbst gebraucht; ich kann das verstehen. Allein, der Markt ist leergefegt und die Preise astronomisch. Hinzu erschwert der Vermieter (= Hausbesitzer) das Procedere, denn auf meine offizielle Anfrage bei ihm, mir einen Hund anschaffen zu dürfen, verwies mich der Arsch an die sogenannte Hausverwaltung. Er gab mir eine Postadresse, von der kam mein Brief zurück, Empfänger unbekannt - darüber sind sechs Wochen vergangen und ich bin jetzt bereit für einen Bilanzmord. Vielleicht doch eine Katze? Aber dann kann der Leihhund nie wieder zu mir kommen, der zerschreddert die sofort.

Eigentlich mag ich Weihnachten und jedes Jahr steigt meine Geschäftigkeit auf ein manisches Plateau aus Traditionen: Schrottwichteln, gemeinsames Backen, Weihnachtsmärkte, gemeinsames Plätzchen essen, Kesselgulasch, Weihnachtsfeiern, etc. jedes Wochenende vollgestopft, damit komme ich gut durch diese überfrachtete Zeit. 

Dieses Jahr stellte ich mir die Feiertage schrecklich vor und ich habe eine Menge geweint. Ich habe sogar einigen Menschen anvertraut, dass ich mich elend fühle bei dem Gedanken, am 24.12. allein zu sein, obwohl mir das unheimlich peinlich war. Alleinsein ist nicht schlimm, sich einsam fühlen ist ganz schlimm und das auszusprechen ist der Ober-GAU. Anfangs hatte ich das noch tapfer genommen, aber je näher, desto kläglicher mein Gemüt und ich sah mich selbst auf dem Sofa sitzen, in Bollerhosen, die Tüte Chips in mich reinfutternd und mich später in den Schlaf heulend. 

Der schlimmste Moment war allerdings schon Mitte Dezember: ich ging in der Dämmerung mit dem Hund im Wald spazieren und stolperte über eine Wurzel. Ich flog in hohen Bogen auf die Nase und blieb benommen ein paar Sekunden liegen. Ein Radfahrer fuhr langsam an mir vorbei, er sah auf mich runter, ich sah zu ihm hoch. Er fuhr einfach wortlos weiter. Irgendwie rappelte ich mich auf, ich hatte mir das Knie und die Knöchel zerdengelt und humpelte ca. einen Kilometer heim, es tat schweineweh, die Tränen liefen eimerweise, weil ich nun mal die einsamste Frau im ganzen Universum war, an der sogar Radfahrer ungerührt vorbeifahren. Ich hätte ja was richtig Schlimmes haben können, einen Schlaganfall oder so - aber nein, unsereins muss im Park krepieren, in aller Öffentlichkeit. So dachte und bejammerte ich mich regelrecht in einen Rausch und fand mein Leben ziemlich scheiße.

Von da an ging's bergauf. Ich kurierte mein Knie aus, schlief eine Woche mehr oder weniger durchgehend und beschloss, dass kein Grund für Traurigkeit besteht. Es ist die Pandemie und die und nur die hindert mich daran, mit all meinen so nervigen wie geliebten family & friends zu feiern. 

Am 23.12. gab es ein hochkomisches Online Treffen, anderenorts das "Berliner Damenclübchen" genannt, bei dem das Geburtstagskind volltrunken einschlief; plötzlich hörten wir ihr leises Schnarchen und sie war nicht mehr aufzuwecken. Sie ist die Einzige, die ihre Kamera immer auslässt, denn sie fuchtelt stets so wild mit dem Handy rum, dass man schon nach ganz kurzer Zeit auf den Bildschirm kotzen muss - so konnte sie also zunächst unbemerkt wegschlummern. Ich lächelte noch beim einschlafen und wachte immer noch heiter gestimmt an Heiligabend wieder auf.

Abends traute ich mich rüber zur Freundin, drei Leute, drei Stunden, Bescherung, Tannebaum, Raclette - Niedersächsinnen unter sich. Morgen dasselbe nochmal und dann wird 2020 zu den Akten gelegt. Ich habe nur Angst, dass wir 2020 später mal erinnern werden, als "alles noch gar nicht so schlimm war". 

Hoffen wir das Beste. Bleibt alle gesund.
Hirnbefreite Coronaleugner: legt euch gehackt.

 

Hier schreibt eine über den Tellerrand hinaus


Dienstag, 22. Dezember 2020

Last Minute Geschenke Tipp


Für Krankenschwestern und Krankenpfleger wird nicht mal mehr auf den Balkonen geklatscht.

Wie wäre es, wenn im Freundeskreis einer jeden Krankenschwester Geld für sie gesammelt wird? Schwupps, hat sie endlich ihren Bonus.

Es wäre gut angelegtes Geld; in den richtigen Händen. Wir sparen doch ohnehin so viel Geld, das wir nicht ins Restaurant, Kino oder sonstwohin tragen können.

Donnerstag, 19. November 2020

Kaufen gegen Corona

So ein Dingsi habe ich mir heute gekauft, weil ich von unten so schrecklich aussehe, wie ich nie vermutet habe, dass ich aussehen könnte. Das ist ja das Schlimmste an diesen endlosen Online Meetings, dass man sich selbst so oft sieht, sich beim reden zusieht und ich denke immer, meine Güte, was für Grimassen ich schneide, ich habe gar nicht so viel tolle Gesichtsausdrücke, dafür aber jede Menge, die verdächtig nach Hackfresse aussehen. Das wusste ich vorher nicht und wer hätte dieses Wissen gebraucht?

Überhaupt: ich habe in mich selbst investiert. Schreibstischstuhl und Schreibtischlampe, ich konnte es nicht mehr aushalten, mir auf meinem ollen Stuhl den nächsten Bandscheibenvorfall zu ersitzen und bei dem funzeligem Licht draußen und drinnen hätte ich mir auch bald meine Augen komplett ramponiert.

Also bin ich nach Prenzlauer Berg zu Büro Müller gefahren, kann ich nur empfehlen. Riesige Auswahl, aber das Beste: ein kompetenter Verkäufer, der offenbar mit jedem einzelnen Stuhl eine lebenslange Verbindung eingegangen ist - er wusste auswendig alles über jeden Stuhl. Faszinierend. Und er hatte Zeit, weil ich in der riesigen Halle die einzige Kundin war. Und das Allerbeste: Aufbau und Lieferung für 30 €. 

Während ich also zuhause bin, möchte ich mir lauter teure Sachen kaufen, die meine Kemenate perfekt machen. Wasserkocher verkalkt? Bitte einen neuen, dann aber auch gleich den Toaster erneuern und einen Induktions-Milchschäumer, aber alles in derselben Farbe oder alles in Edelstahl - während über mir das Damokleschwert schwebt und die Gesamtsituation immer bekloppter wird, erhöhe ich das Bruttosozialprodukt, aus Trotz oder Frust oder beidem oder weil ich meine Wohnung jetzt so oft sehe, wie nie zuvor und mir all diese Ecken auffallen, die dringend einer Erneuerung bedürfen, obwohl man doch wegen des Klimas unbedingt aufhören muss soviel zu konsumieren, was ich auch nie, nie, nie getan habe, aber jetzt, JETZT will ich es. 

Ich hoffe, da schreibt später mal jemand eine Dissertation drüber, wie ich damals in 2020 anfing, mir auszudenken, was ich noch alles kaufen könnte und wie ich das auch noch ins Internet schrieb.

Relevantes zum Thema findet ihr hier 

Ach, und jetzt werde ich selbstreferentiell (Die Suchbegriffe haben Traffic bei diesem 4 Jahre alten Post verursacht).

Sonntag, 1. November 2020

Keep calm

So, jetzt kommen sie alle heraus,"mit der Wahrheit", "seit 6 Monaten schweige ich", genau, aber jetzt, da "muss ich es sagen", weil "das grenzt an Krieg." Aha, soso. 

Seitdem ich einer engen Freundin dabei zusehen muss, wie sie seit vier Wochen gegen Corona kämpft, Einzelheiten erspare ich euch; ganz ehrlich, jeder der mir jetzt noch damit kommt, Corona sei Fake, dem hau' ich auf's M... - so wütend macht mich das Geschwaller.

Entweder bin ich ein extrem talentiertes Rädchen im Getriebe, das sich klaglos an notwendige Vorgaben hält und Einschränkungen erträgt, sobald ich Gefahr laufe, von einem Virus dahingerafft zu werden, nicht weil ich so dumm und naiv bin, sondern weil ich erkenne, dass derzeit niemand genau wissen kann, wie dieser Horrofilm endet, in dem wir uns kollektiv befinden, und daher das mache, was angezeigt erscheint.

Überträgt sich ein Virus durch Atemluft, bleibe ich möglichst dort, wo nur ich atme. Das ist doch irgendwie logisch, oder? 

Ich arbeite im Home Office, hab's warm und trocken, genug zu essen, einen Wald vor der Tür, eine Freundin direkt gegenüber, dir mit mir in den Wald geht. Habe Netflix, Internet, Telefon, Skype, Teams, Face Time - es gibt nicht arg viel zu beklagen. Ja, Winter is coming, da freut sich kein Mensch, mir fehlt alles, was allen anderen auch fehlt. 

Dennoch: uns geht's gold. 

Nein, ich korrigiere: MIR geht's gold. Mein Job ist weder in Gefahr, noch muss ich an die Front. Aber es gibt viele, die wie ich arbeiten und trotzdem mit Aluhut rumlaufen. Vasteh' ich nich.

Mittwoch, 21. Oktober 2020

Die Stunde der Komödianten

Nun absentiere ich mich wieder im Home Office, denn ich kann schon längere Zeit nicht mehr mit "nein" antworten, wenn mich ein Corona-Skeptiker fragt "Und, kennst du überhaupt jmd., der Corona hatte?"

Leider werden es täglich mehr. Aber nicht nur das.

Bedauerlicherweise outen sich im Zuge der an Fahrt aufnehmenden Infektionen auch Menschen, die nach wie vor überzeugt sind, dass Corona eine Lüge ist und wir alle manipuliert werden. Deshalb gehen sie erkältet ins Theater, fliegen nach Kreta, und eine Kollegin schrieb mir heute trotzig, sie habe ein halbes Jahr geschwiegen, aber jetzt habe sie die Nase voll: in Sachsen, da gäbe es noch Konzerte, mit 500 Leuten und sie genieße das, obwohl sie Asthma habe, jawohl. Abgesehen von der Blödheit, welche Konzerte das wohl sind in Sachsen? Da kommt ein Gewölle nach oben...

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Ich schließe ja nicht mal aus, dass wir manipuliert werden, wir werden immer manipuliert, das weiß jedes Kind, aber dass Corona eine Lüge ist... tja, ganz ehrlich: das ist mein heißester Wunsch. Der wird aber nicht in Erfüllung gehen. 

Mein Mütterlein treibt sich im Kaff herum auf der Suche nach etwas, womit sie mich erfreuen kann. Ganz zauberhaft, aber ausgerechnet jetzt fährt sie im Bus über die Dörfer bis zum Baumarkt, um mir ein Meisenknödelnbehältnis zu kaufen und nach Berlin zu schicken. Auf der Post macht sie Tags darauf eine Kopie von etwas, was sie locker hätte fotografieren können, um es mir dann per WhatsApp zu senden. Aber nein, offensichtlich ist sie von einer unerklärlichen Abenteuerlust befallen. Dafür hätte sie ihr ganzes Leben Zeit gehabt, aber nein, jetzt entdeckt sie ihre Lust auf Gefahr mitten in einer Pandemie. Am liebsten würde ich sie festsetzen und 24 Stunden bewachen. 

Was können wir tun? Alle mit gesundem Menschenverstand handeln ohnehin danach, aber dennoch empfehle ich diesen unaufgeregten Zeit-Artikel  Lest hier: Dieser Winter noch

Dann noch ein wirklich wichtiger Hinweis: Falls du an Corona erkrankst und dich nachweisbar auf der Arbeit angesteckt hast, dann musst du unbedingt eine Unfallanzeige machen (weil es dann als "Arbeitsunfall" gilt); somit fällst du in der weiteren Betreuung unter die Fittiche der Berufsgenossenschaft. Nach allem, was ich weiß, kann einem im Krankheitsfall nichts Besseres passieren. Gibt man keine Unfallanzeige auf, kann es passieren, dass der Anspruch aus der Gesetzlichen Unfallversicherung verloren geht. Wer mehr Beratung dazu haben möchte, schreibt an: beratungsstelle.bkv@senias.berlin.de oder ihr folgt diesem Link

Bleibt gesund! 


PS: was ich gerade schaue
Netflix: Monaco Franze
Amazon Prime: Call my Agent 
Arte: Moonrise Kingdom

Dienstag, 13. Oktober 2020

Kein Ponyhof, nirgends


Bevor der nächste Lockdown kommt (und er wird kommen, ich verordne mir den selbst), fahre ich hektisch über Land. Jedes Wochenende sitze ich im Auto, mit Maske wegen der Begleitung und gemeinsam durchpflügen wir Brandenburg. 

Was ich alles gesehen habe, bevor hier wieder alles zappenduster wird draußen bis zum nächsten März, direkt manisch karriole ich übers Land. Spreewald, Beelitz, Dom zu Brandenburg, Caputh, Bonsai-Garten in Ferch, Zoologischer Garten. Neulich war ich doch glatt mal wieder am Winterfeldmarkt, im strömenden Regen - war schön leer.



Mir graust ein wenig vor Dunkelheit schon tagsüber und geschlossenen Spelunken und am Ende gibt's nicht mal Schrottwichteln, ich seh's schon kommen. Meine Reise nach Regensburg habe ich abgesagt, insgesamt 10 Stunden in der Bahn scheinen mir suboptimal und die zu Besuchende hatte schon Angst vor Lynchjustiz im Dörfchen, wegen meiner Beherbergung. Der Mob hatte sie schon gefragt, ob sie sich nach meiner Abreise in 14-tägige Quarantäne zu begeben plane. Das wäre wohl das Mindeste, wenn sie nun schon aus dem Hotspot Berlin die Superspreader zu sich einlade. 

                                                                Meine Heiligabendbegleitung

Ich denke schon weiter. Schätze, dieses Jahr werde ich zum ersten Mal Weihnachten allein verbringen. Das Mütterlein wird nicht mehr zu besuchen sein und sie selbst verlässt das Haus nur zum Rewe. Meine Schwestern sind noch corona-panischer als die übrige Bevölkerung und sehen seit Monaten niemanden mehr außer die Geheirateten und Selbst-Geborenen. Freunde, die jeden Heiligabend zig Leute einladen, laden dieses Mal niemanden ein. Besser ist das - wer würde auch schon kommen?

Ich werde da kein Gewese drum machen. Ist so. Müssen wir durch.

Mittwoch, 9. September 2020

Besuch bei den Kindern von Golzow


Wer da einmal reinzappt, ist auf Stunden verloren
Ich weiß nicht seit wie vielen Jahren verirre ich mich zu nachtschlafender Zeit beim zappen zu den Kindern von Golzow, einer Langzeitdokumentation über ein abgeschiedenes Dorf an der Oder und deren Bewohner. Im August 1961 beginnt alles mit der Einschulung von Erstklässlern, die in der Folge bis ins Jahr 2005 begleitet werden. 

Im Lauf der Jahre werden immer weniger von ihnen bereit sein, sich von der Kamera und den bohrenden, mitunter wenig suptilen, teils hanebüchenen Suggestivfragen des Regisseurs Winfried Junge, begleiten zu lassen. 

Das ist das einzig Unangenehme an diesen Filmen: dass der Regisseur der Versuchung nicht immer widerstehen kann, bei diesen vielleicht nicht zur Intelligenzia gehörenden Kindern, Jugendlichen und später dann erwachsen gewordenen Menschen, tumbe Gesichtsausdrücke zu provozieren. Dabei sind seine Fragen dann so grenzverletztend, dass ein jeder erstmal kariert aus der Wäsche gucken würde; auch wenn er/sie in den 60ern in Köln oder Hamburg sozialisiert wäre. 

Nun bin ich mit einer Kollegin, die kurz vor Maueröffnung ausgereist ist, nach Golzow gefahren. Wir kennen uns seit über 30 Jahren, stellten unsere Begeisterung für die "Kinder von Golzow" aber erst vor sechs Wochen fest. Wir planten sofort die Anreise.

Früher hypermodern
Dieser heilige Ernst - mir Wessi fremd

Als wir ankamen, war sie so bewegt, dass sie erstmal innehaltenb musste. Sie kann jeden Dialog mitsprechen, kennt jedes Kind und dessen Geschichte, während ich vor einiger Zeit den Lebenslauf von Brigitte gesehen hatte und alles andere längst schon wieder vergessen habe. Das kommt ja immer nur alle paar Jahre im RBB. Naja, vielleicht habe ich auch schon Demenz.

Wir bekamen eine Führung durch's Museum von einem Mann, der seine besten Jahre weit hinter sich gelassen hat, seine Maske unter der Nase trug und schrecklichen Raucherhusten hatte. Sein Fokus lag auf dem Original Schneidetisch und den technischen Details, während wir uns in den Fotos verloren und uns auf die Möglichkeit freuten, an Ort und Stelle weitere Filme zu sehen, die bisher im RBB noch nicht zu sehen waren. 

Wir waren die einzigen Besucher im Kinoraum. Ich packte meinen Picknickkorb aus und so schmatzten wir beseelt und schauten anderthalb Stunden eine noch ungesehene Folge. Es kam sogar Kim Il Sung vor, den ich gleich erkannte, meine Kollegin aber nicht, dabei war das doch ihr Bruderstaat und nicht meiner. Wir in Niedersachsen hatten als Partnerstadt Swindon und da gab's keine Diktatoren. Sie glaubte nicht, dass Kim Il Sung in Golzow war, aber als wir anschließend durch die liebevoll kuratierte Ausstellung liefen, fand sich der Beweis:

Verdamp hoher Besuch in Golzow
Wir sind auch durch das Dorf gelaufen, auch auf der Suche nach irgendeinem Mitbringsel (es wurde ein Glas Honig aus der Imkerei) und dann waren wir natürlich auf dem Friedhof, mit dem festen Willen, das namenlose Grab von Brigitte zu suchen, dem Mädchen, das rundlich, scheu und keiner flüssigen Artikulation fähig, als erste schwanger, alleinerziehend, mit einem schweren Herzfehler geplagt, die Welt mit 29 Jahren auch schon wieder verließ. Ihre Mutter nahm den Sohn Marcel bei sich auf, erklärt aber im Film, ein Grabstein lohne sich nicht, denn wer würde das Grab pflegen, wenn sie mal nicht mehr sei?

Das machte uns so traurig, dass wir ihr unsere Aufwartung machen wollten. Gottseidank hat aber wohl das Amt ein Einsehen gehabt; sie liegt recht prominent (wenn auch schlicht, Kies an Kies) eingezäunt, gemeinsam mit ihren Eltern, nah beim Eingang und ein Stein fehlt auch nicht. 

Wann immer man über den Verkorksungsgrad seines eigenen Lebens lamentiert, empfiehlt sich ein Besuch an Brigittes Grab.


Nachdenklich fuhren wir zurück nach Berlin und seitdem schaue ich in der ARD-Mediathek jeden Abend eine Folge, weil ich bin jetzt so drin im Stoff, wie damals bei den Sopranos.

Brigitte & Marcel

Marie-Luise

Dieter

Lebensläufe

Und 2015 habe ich Winfried Junge sogar mal kennengelernt und dabei habe ich mich schön zum Horst gemacht


+++breaking news+++ Trump für Friedensnobelpreis vorgeschlagen

Sag mir bitte jemand, dass es sich um Fake News handelt, auch wenn es gerade viral geht.
Ich verliere sonst jeglichen Glauben an Alles.

Tagesspiegel 

RTL

Edit nach 10 Minuten: Es scheint, dass er öfter mal vorgeschlagen wird. Und ebenso kann wohl Hinz und Kunz Leute für den Nobelpreis vorschlagen. Ich geh mich wieder abregen.

Donnerstag, 3. September 2020

Was tun, wenn die Nachbarin Alu-Hut trägt?

Inzwischen hat unsereiner nicht mehr so eine Angst vor dem Virus (und dem in meinem Fall vorhersehbaren, unmittelbar Einsetzen schrecklichen Siechtums), sondern vor Aluhut-Trägern in der näheren Nachbarschaft. 

So gesehen lebe ich seit neuestem in der Gefahrenzone einer durchgeknallten Eiferin, formerly known as tapfere Drogeriekassiererin, Ehefrau und mehrfache Mutter, proper und hübsch, pausenlos plappernd, oft auch schreiend (sehr dynamisches Eheleben halt - daran muss ja nix Schlechtes sein; ich glaub, die haben täglich Versöhnungssex) - anyway, dieses eigentlich sonnige Gemüt klärte mich vor einigen Tagen gründlich auf.

Über die Machenschaften von Merkel und wie froh wir alle sein können, dass wir Trump haben, denn der sorgt dafür, dass die ganze Schlechtigkeit auf der Welt verschwindet, "Weißt du, der Jonny Depp, der ist jetzt im Gefängnis und Mariah Carey hat ihre Mutter wegen sexuellen Missbrauchs angezeit, die ist jetzt auch im Gefängnis, das ist alles wegen Trump, dass das jetzt alles ans Licht kommt, endlich!" Und weiter: "Am 30.8. ist der zweite Lockdown, das sag ich dir, stand auch in der FAZ, weltweit, die wollen uns fertig machen und im Herbst, da haben wir Plündeurngen und kriegsähnliche Zustände auf den Straßen, das sag ich dir, du weißt ja nicht, was ich alles weiß, du musst auf jeden Fall Vorräte anlegen, musst du unbedingt, das wird Krieg auf den Straßen geben, das sag ich dir. Ich weiß jetzt, was los ist."

Ich höre ihr zu und sage nur, man läuft nicht mit Nazis. Sobald Nazis neben einem herlaufen, hat man sich zu entfernen. 

Dass ich sie damit nicht erreiche ist klar, denn inzischen ist sie verrückt geworden und wie es für Verrückte üblich ist, hält sie mich für verrückt, weil ich das nicht auch alles sehe, Gates und die Kinder unter der Erde, aus derem Blut sich Hillary Clinton ... ach, ich will diesen Scheiß hier gar nicht wiederholen.

Selbst von mir einstmals als klare Köpfe geschätzte Blogger, sind unterdessen komplett übergeschnappt und fühlen sich verfolgt von der Maskenpflicht; wähnen sich in einer Diktatur, obwohl sie ja, wo sie gehen und stehen, ihren Schwachsinn absondern dürfen, was sag ich: schreien dürfen "TRUMP IST IN BERLIN WIR HABEN GEWONNEN" - ich bin erstaunt, wie schnell hier alles kippt. Das Klima, das Virus, die Wirtschaft, vor allem aber: die Bekloppten. 

Da wird's später mal haufenweise Dissertationen drüber geben. 

Margarete Stokowski legt schon mal vor

Und hier noch ein Hinweis von Frau Nessy: Die Patientenverfügung
(bis zum Ende des Posts runterscrollen - ist aber nix für schwache Gemüter - ich konnte nur flüchtig querlesen)



Montag, 3. August 2020

Wien, 36 Grad, die Frisur ist im Arsch


Als ich in Wien ankomme, empfängt mich u.a. auch dieser feine Herr Anton und entschädigt mich für die Nacht im Schlafwagenabteil; denn aus unerfindlichen Gründen jagt er auf mich zu und springt freudig an mir hoch, kaum, dass ich aus dem Zug steige - dabei haben wir uns noch nie gesehen.

In der Wohnung angekommen achten wir drauf, möglichst nicht auf ihn zu treten, wenn er sich zu Tarnzwecken auf's Kuhfell legt; aber das gelingt uns nicht immer. Er verschmilzt geradezu mit dem Untergrund; wahrscheinlich denkt er, es ist seine Mutter.

Welche Koinzidenz!
Kaum bin ich also angekommen, bricht eine Hitzewelle vom feinsten aus und so gerät der Kurztrip nach Wien zu einem Survival Training, das mich in der Nachbetrachtung für den restlichen Sommer jedoch immun machen wird. Es war nämlich so: kein Auto vorhanden, kein E-Roller oder Fahrrad zu mieten, wegen des Hundes - also alles per Pedes. Die Wohnung im Dachgeschoss, also auch keine Abkühlung, wenn wir nach Hause kamen. Ventilator gab's auch nicht und ich wurde dringend gebeten, keinen zu kaufen.

Das sind nun alles Bedingungen, die ich unter normalen Umständen keine 30 Minuten toleriere - aber nun kam Wien ins Spiel. Und ich muss sagen: vor lauter Schönheit kam ich gar nicht  kaum zum jammern. Natürlich habe ich nur den 7. und 1. Bezirk gesehen und Schönbrunn - es wird auch andere Ecken geben. Aber diese Gebäude, von denen es in Berlin höchstens 10 Stück hat, stehen in Wien kilometerweit nebeneinander und dann wohnen ganz normale Leute drin, jeder Blick trifft auf ein nächstes Zuckerbäcker-Highlight.

Das hier - die Hofburg - war Sissis Arbeitswohnung. Direkt davor der Volkspark; voller Rosen und Stühle, auf denen man sitzen und die Rosen bewundern kann, ganz in Ruhe. Die wollen, dass es den Menschen gut geht. Wien ist wie das Vabali.


Die Hofburg

Allerdings gibt es einen kleinen Wermutstropfen: den Hunden geht es nicht so gut, obgleich Herr Anton unentwegt Entzückensschreie verursachte - die Wiener also durchaus einen hübschen Hund zu würdigen wissen, darf kein Park von einem Hund betreten werden. Es gibt auch wenig Bäume an den Straßen; deshalb sind die Häuser untenrum ein bissel schäbig. 

Obenrum tatdellos
Das hier ist Sissis Wochenend-Datsche: Schönbrunn. Ich finde, man sieht sehr deutlich, wie affenartig heiß es war. Aber auch wie leer - normalerweise treten sich hier alle auf die Füße.


Von vorn
Von hinten
Die Gloriette

Ehrlich gesagt schlich ich von Schatten zu Schatten und obwohl die Gloriette verlockend auf dem Hügel stand, wäre ich ohne Sänftenträger nicht nach oben gelangt. 


Ihm ging's auch nicht besser, er musste ja die ganze Zeit nah am Boden auf dem kochendheißen Pflaster laufen und wann immer wir ins Dachgeschoss zurückkehrten, fielen wir alle ins Koma und träumten wirr - aber keiner sah dabei so elegant aus, wie er.


Knuffig, aber elegant

Und wie ich überhaupt nach Wien gekommen bin, steht hier

Mittwoch, 15. Juli 2020

Ernsthaft, Markus Söder?


Da lädst du die Kanzlerin in dein Ländle, kutschierst sie wie Kaiserin Sissi, Gott hab sie selig, erst übers Wasser, dann in einer Kutsche durch die Gegend, bis ihr dann endlich in einem güldenem Prunksaal ankommt und dann sitzt ihr an diesen geschmacklos geskirteten Tischen auf dem billigsten und gleichzeitig hässlichsten Konferenz-Plastik-Gestühl?

Derlei Versagen hätt‘s in Berlin unter meiner Ägide nicht gegeben!

So wird man nicht Kanzler, Herr Söder. So nicht.


So auch nicht. Das soll Marilyn Monroe sein? Nein, Herr Söder, das ist Alma Mahler-Werfel.
Da müssen bessere Berater her.

Dienstag, 14. Juli 2020

Ups, I dit it again


Heute war ich in einem Teil von Berlin, das ein bissel zerbeult ist. Dort erwarb ich den dritten und (hoffentlich) letzten Strandmon Sessel meines Lebens. 

Wunderbarer Nebeneffekt: ich weiß nun, dass ich nicht an einer koronaren Herzerkrankung leide, oder hätte ich sonst 10 Stockwerke hochlatschen können? Eigentlich lag die Wohnung mit dem Sessel im dritten Stock, aber die Verkäuferin hatte mir nicht ihren Nachnamen genannt, sondern bat mich, sie anzurufen, wenn ich vor der Tür stehe. Nur dass sie im 3. OG ohne Fahrstuhl wohne, das wusste ich.

Als ich dort ankam, rief ich an und niemand ging dran. Ich schrieb eine sms; keine Antwort. Geh ich doch schon mal in den 3. Stock, dachte ich, als sich die Haustür öffnete, weil jmd. das Haus verließ. Kurz überlegte ich, ob ich im Vorderhaus hochgehe oder im Hinterhaus. Entschied mich für ersteres und oben angekommen, rief ich noch mal an. "Oh, das tut mir leid, ich wohne im HH - ich lass die Tür auf."

Ich also ins HH. Im dritten Stock angekommen, war keine Tür auf. Ich ging in den 4. Stock, keine Tür auf. Rief sie wieder an, hier sei keine Tür auf. Sagt sie: Du bist doch in Hausnummer 183 a? 
War ich natürlich nicht. Ich war nur bis 183 gekommen. Also ab ins nächste Haus, HH, 3. OG. Oben angekommen ließ ich mich gleich in den Sessel fallen. Ich war unheimlich froh, dass ich noch lebte. 10 Stockwerke - ich war direkt berauscht von meiner Großtat.

Aber wir mussten den Sessel ja auch noch nach unten kriegen. Nach der ewig gültigen Maxime "Muss ja" gelingt auch den schwächlichsten unter uns einiges - et voila!


Was hat es nun für eine Bewandnis mit dem Blogtitel? Wie erwähnt, er ist der Dritte im Laufe der Jahre. 

  1. Den ersten (samt & beige) verkaufte ich recht schnell weiter, weil ich von einem kleinen auf ein großes Sofa umswitchte. Kein Platz mehr.
  2. Den zweiten (samt und dunkelgrün) musste ich haben, obwohl immer noch kein Platz war. Nach einem Monat sah ich ein, dass ich nicht in einem Möbellager wohnen möchte. 
  3. Den dritten (grau) kaufte ich in Kenntnis meiner rasch einsetzenden Verkaufswut gebraucht über ebay, diesmal für mein Schlafzimmer. 
Farblich passt er. Vom Platz her, nun ja. Aber meine Sehnsucht nach einem Sessel, in dem ich bequem sitzen und lesen kann, wurde übermächtig, denn ich bin dem hinfläzen entwachsen. Wenn diese motorisierten Relaxsessel nicht so grauenvoll hässlich wären, ich hätte schon längst das Sofa entsorgt und mir drei dieser Sessel hingestellt. Mit elektrischer Aufstehhilfe, wenn mal wieder ein Bandscheibenvorfall jugendlich-vitale Möbelnutzung verhindert. 

Aber das ist alles Zukunftsmusik. 

Dienstag, 23. Juni 2020

Voll auf die Zwölf

Binnen drei Tagen geriet ich zweimal in Gefahr.

Einmal hat der Leihhund beinahe meine linke Hand amputiert, weil, wann immer er mich erblickt, dreht er vollkommen durch und leider dreht er sich dabei auch wirklich und ich hatte den Fehler gemacht, ihm mit beruhigenden Gesten von seinem Trip holen zu wollen. Schwups drehte er meinen Arm in seine Hundeleine und wie ein Schraubstock wurde es immer enger und leider musste ich auch laut aufschreien, weil das so schweineweh tat und die Auftragsmörderin das erst gar nicht begriff - naja, was soll ich sagen, der Arm tut immer noch weh und den Hund mochte ich auch ein paar Stunden nicht mehr. 

Fazit: ist unser aller eigener Fehler. Er muss erzogen werden und darf diesen Veitstanz nicht aufführen, wenn er mich und andere Menschen trifft, die ihm sympathisch sind. Bei mir zuhause liegt er immerhin nur noch auf der Decke und stalkt mich nicht mehr durch die Wohnung. Meine Erziehungsversuche sind geglückt.

Aber gestern wurde es dann richtig brenzlig: radelte vom Büro heim, wegen des Windes hatte ich mir ein Tuch um den Hals drapiert. Wie ich da schön einen Berg runter fuhr, flog mir was gegen den Hals und wegen des Tuchs prallte das Insekt nicht gleich wieder ab, sondern stach in Panik zu. Eine blöde Wespe. Ich schrie schon wieder laut auf, machte eine Vollbremsung und achtete darauf, jetzt nicht zu hyperventilieren, denn das hilft ja auch nix. Ich versuchte mit dem Handy meinen Hals zu fotografieren - und wirklich: mittiger hat kein Insekt je in einen Hals gestochen. 

Tat echt weh, aber hier drohte ja nun der anaphylaktische Schock auf offener Straße (weit besser, als in geschlossenen Räumen, by the way). Ich fuhr die restliche Strecke heim und eilte sofort zu meiner Freundin von gegenüber, zur Diagnose und Beratung. Sie guckte ernst, murmelte "Mit dem Hals ist nicht zu spaßen". 

Mir wurde eine Zwiebel in die Hand gedrückt, zwecks Auflegung und mit dieser saß ich den restlichen Abend auf dem Balkon, mitten in so einem Mittagessenduft (was ich so alles mit Zwiebeln verbinde, wusste ich bis gestern gar nicht) - kein Schock, kein gar nichts, nur ein zugegeben ätzender Schmerz, wie eine ganz schlimme Prellung.

Wieder was gelernt: scheine nicht gegen Wespen allergisch zu sein. Ist doch alles immer zu irgendwas gut...

Donnerstag, 18. Juni 2020

Nach dem Lockdown

Bei mir hier geht alles zurück auf Anfang: wir sollen jetzt wieder ins Büro kommen. Das passt mir auch wieder nicht. Habe so ein Gefühl, das dicke Ende kommt erst noch. Derzeit scheint's, als gäbe es nur die Wahl zwischen Pest & Cholera: entweder allein im Home Office oder in Gefahr unter Kollegen. 

Alles ändert sich. Keine Sicherheiten mehr. Übernächsten Freitag soll schon wieder in ganz Deutschland 40 Grad heiß sein. Ein dritter Sommer so wie die letzten zwei und dann war's das mit unserem Wald.

Wie schnell alles aus der Balance kommt! Der Mensch an sich geht schnell k.o., und Flora & Fauna ebenso. Las neulich, wir betrauern den Verlust des Sicherheitsgefühl, das wir all die Jahre hatten: 
  • Wir leben hier in einem gemäßigten Klima, nur für Äthiopien muss bei "Wetten dass" gesammelt werden
  • Alle großen Seuchen der Menschheit sind ausgerottet ("Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam")
  • Verrückte Dikatoren gibt es nur im nahen und fernen Osten
  • Unser Gesundheitssystem ist spitze
  • Die Rente ist sicher
Ich ergehe mich in Fatalismus und lese atemlos Jonathan Franzen: Wann hören wir auf, uns etwas vorzumachen? Wegen meiner überlebe ich überhaupt nur deshalb, weil ich mir nach wie vor etwas vormache (sonst würde ich aus dem betrauern überhaupt nicht mehr rauskommen), den Kopf tief in den Sand stecke und den Großteil meiner Freizeit damit verbringe, zu verdrängen, was mich unausweichlich erwarten wird. 

Ich halte mich nicht für eine Pessimistin, sondern für eine nüchterne Realistin, leider gepaart mit Hypochondrie und dem Hang zu dramatischern Formulierungen, weshalb Leser dieses Blogs meinen könnten, hier sei eine im wahren Leben quietschige Hysterikerin am Werke, die alle Leute zu Tode nervt - aber das trifft nur für wenige Tage im Jahr zu. Die meiste Zeit bin ich zufrieden, wenn ich still in den Himmel schauen kann und mit niemandem reden muss. 

Aber wie lange werde ich (wir alle) noch Gelegenheit dazu haben? 

Ich werde mal noch'n büschen im Home Office bleiben. Sicher ist sicher. Hoffe ich. Man weiß es nicht.

Mittwoch, 13. Mai 2020

Männerwelten

...darf hier nicht fehlen:

Männerwelten

Edit 14.5.: Wie mir eben mitgeteilt wird, ist das Video schon gesperrt. Das ging aber schnell.

Edit 19.5. Nun doch wieder sichtbar: Männerwelten

und noch etwas Sekundärliteratur. Artikel von Margarete Stokowski

Freitag, 8. Mai 2020

Zielgröße Null

BuMi Giffey möchte auch für Vorstände eine 30% Frauenquote, aber lt. Altmaier greife das "tief in die unternehmerische Freiheit ein" uhuund es drohe die Gefahr, dass eine nicht quotenkonforme Vorstandsbesetzung nichtig wäre und dahaan wären auch alle Beschlüsse aktienrechtlich nichtig - womöglich sogar der Jahresabschluss des Unternehmens. Daher: für "derart heikle" Gesetze sei "jetzt ganz sicher nicht die rechte Zeit". 

Wenn ich bedenke, wieviel Gesetze im Handstreich in und außer Kraft gesetzt wurden, mit weitaus heikleren Konsequenzen für uns alle - aber wenn wir etwas gelernt haben, dann doch, dass ruckzuck alles möglich ist, sobald es nur für nötig erachtet wird. 

Dabei mahnte Altmaier noch 2018: "Deutschland wird vor dem Hintergrund des fortschreitenden demografischen Wandels zunehmend darauf angewiesen sein, dass alle klugen Köpfe, ob männlich oder weiblich, ihr Potenzial entfalten können." 

Das sagte er 2018, nachdem er den Allbright Bericht gelesen hatte, in dem u.a. stand: 

"Die 160 börsennotierten Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, feste Zielgrößen für die Steigerung des Frauenanteils in ihren Vorständen zu veröffentlichen. Es ist allerdings möglich, hierbei die „Zielgröße Null“ anzugeben, also null Frauen im Vorstand anzustreben. 75 der Unternehmen, die noch keine Frauen im Vorstand haben, planen laut Veröffentlichung nicht, daran etwas zu ändern. 58 Aufsichtsräte formulieren ausdrücklich das Ziel „Null Frauen“.

Und weiter: "103 von 160 Unternehmen, die in DAX, MDAX und SDAX notiert sind, hatten am 1. September 2019 keine einzige Frau im Vorstand. Das sind 64 Prozent der deutschen Börsenunternehmen." 

2020 muss nun Corona herhalten, um die Zielgrößen und Einstellung von Frauen in Aufsichtsräte und Vorstandsposten als unzumutbaren Belastungsfaktor zu bezeichnen. 

Für die Frauen, die während Corona den Laden am Laufen halten, man könnte auch sagen: im operativen Geschäft arbeiten, wurden folgende Goodies geplant:
  1. Lidl, Aldi, Rewe & Co: Personalkauf-Gutscheine zwischen 100 - 250 € (einmalig)
  2. Berliner Landesbedienstete Pflegekräfte: 1.000 € (einmalig) 
Ohne Worte.

Dienstag, 5. Mai 2020

Endlich vereint: Frau Lavendel und Annika

Ihr kennt sicher alle die wunderbare "Frau Lavendel und ihre Kinder" - leider hat sie ihren Laden vor einiger Zeit dicht gemacht. Und ich schreibe ja auch nur noch in homöopathischen Dosen.

Aber ab heute gibt es unser gemeinsames Blog, hier geht's entlang

Dort wird auch erklärt, warum, wieso, weshalb. 
Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen.


Sonntag, 3. Mai 2020

Home sweet Home

Shoppen ist mir ein Greuel, ist es immer gewesen. Tja. Jetzt bin ich kaufsüchtig. Seit letzten Donnerstag. Da hat nämlich ein Laden wiederaufgemacht, für den ich einen Gutschein geschenkt bekommen habe. Ich war recht froh, dass ich den noch einlösen konnte, denn das ist ja gar nicht sicher, dass es die Läden noch gibt, wenn sie wieder aufmachen dürfen.

Jedenfalls bin ich da gleich hin und das hatte dann so eine Kaskadenwirkung, ich konnte nicht mehr aufhören, einzukaufen. Sogar riesige REAL-Märkte sind nicht vor mir sicher, weil es da auch alles mögliche gibt, was ich brauche. Wasserfilter. Mülleimer. Nicer Dicer. Einzig dieses Maskentragen bringt mich öfter an den Rand einer Ohnmacht; aber das ist auch gut so. Sonst wäre ich noch länger dort und käme noch auf den Gedanken, mich nachts heimlich einschließen zu lassen.

Apropos Nicer Dicer. Ich seh an den Fingerkuppen jetzt aus wie eine sich ritzende Borderlinerin. Diese ganzen Schneidedinger sind so affenartig scharf und das Handling ist dann doch nicht so einfach - ich blutete erstmal gleich den Salat voll, den ich schnippelte. Auf jeden Fall eine Investition, die ich mir hätte schenken können. 

Andererseits habe ich derart viel Geld gespart in den letzten zwei Monaten, dass ich mir vorkomme, wie eine sehr wohlhabende Frau. Und das tanken ist auch so billig geworden. Neulich für 1.01 € getankt - was wäre das jetzt preiswert, durch die Lande zu karriolen; allein, man darf ja nicht. 

Ich tu's trotzdem. Aber nur im Speckgürtel von Berlin; im Brandenburgischen. Ich habe immer einen Schwung Masken dabei, die ich im Falle einer Polizeikontrolle als Reisegrund angeben würde. Das habe ich noch nicht erwähnt: ich bin Masken-Zwischenhändlerin geworden - selbtsredend, ohne einen Penny daran zu verdienen. Das ist die Mutter Beimer in mir. 

Ich habe da so zwei Schülerinnen an der Hand, denen die Babysitterjobs weggebrochen sind und die nun sehr kunstfertig Masken nähen, hübsche noch dazu. Ich bin eine Großabnehmerin und versorge Freunde, Verwandte, Kollegen. Ich liefere die auch gerne persönlich aus und wenn's sein muss eben auch ins Umland. Besonders gern ins Umland, wegen all der Gärten und Seegrundstücke, an denen man mit großem Abstand beieinander sein kann.

Das sind mehr als willkommene Abwechslungen, denn nach circa sechswöchiger klaglos abgesessener Kontaktsperre gerate ich doch ein wenig an meine Grenzen. Eine gewisse Verlotterungstendenz und allzu große Fixierung auf Nahrungsaufnahme in Korrelation mit Friseur-Abstinenz... was soll ich sagen: ich sah auch schon mal besser aus. Bei all den Videocalls bleibt meine Kamera aus, außer ich rede mit Freundinnen. Die dürfen mich so sehen. Die lieben mich trotzdem. Hoffe ich. Schwierig ist nur, dass ich mich dann auch sehe. Es wird zunehmend schwer mit der Selbstliebe.

Meine Idee, dass doch jetzt eine gute Zeit wäre, sich einen eigenen Hund zuzulegen, ist von Fucking Corona kassiert worden: ein Freund, der das momentan versucht, erzählt, dass es derzeit keine Hunde beim Züchter gäbe, weil alle Welt auf diese Idee gekommen ist. Und die Hunde, die es gibt, kosten ein Schweinegeld. Zahlte man früher beispielsweise 1.200 € für einen Welpen, sind heuer 2.500 € fällig. 

Eine in jeder Hinsicht dumme Sache. Ich hoffe immer noch, dass ich gleich aufwache und sage "Was für ein verrückter Traum!" Tja. Stattdessen werde ich bis auf weiteres im Schlafanzug vor meinem Rechner sitzen und an Videocalls teilnehmen. 

Hier eins, das sich unbedingt anzusehen lohnt: https://youtu.be/xiVxSuyocfo

Dann eben ein Netflix Tipp: The Last Dance. Michael Jordan und die Chicago Bulls.

Montag, 27. April 2020

In der siebten Woche

Inzwischen habe ich mich an mein ungeschminktes Gesicht so gewöhnt, dass ich es draußen ganz ungeniert zur Schau trage. Nicht im Sinne: "Is ja ooch allet egal" sondern auf die selbstliebende Art und Weise "So schlimm isses doch ga nich". Als eine meiner besseren Entscheidungen hat sich erwiesen, dass ich bei meinen gestrengen asiatischen Nagelkünstlerinnen nicht mal mehr "vonne wei" habe auftragen lassen, sondern schon seit Monaten auf Klarlack umgestiegen bin. Bei den Abstandsregeln sehe nur ich, dass die Nägel nur noch zu zweidrittel mit durchsichtigem Gel bedeckt sind. Das weißhaarige Großmütterlein allerdings, das schon in mir lauert, u.a. in Form von grauen Haaren, darf noch nicht raus. 

Nachdem ich heute in der FAZ gelesen habe "Und wie aus dem Nichts ein Schlaganfall" - einen Artikel über alles, was Corona in unseren Körpern anrichtet, wenn es sich für einen schweren Verlauf entschieden hat, ist mir kotzschlecht vor Angst geworden und da sind natürlich die oben beschriebenen äußeren Begleiterscheinungen des lockdowns ein Witz und nicht der Rede wert; wenn nicht sträflich gar, sie überhaupt zu erwähnen. 

Ich schlafe viel, ich esse viel, vor allem Flips. Der ADHS-Leihhund sorgt zwar für ausreichend Bewegung, aber als ich am Wochenende heimlich aufs Land gefahren bin, habe ich einen anstrengenden Spaziergang durch die Märkische Schweiz schon nicht mehr ganz so leichtfüßig hingelegt wie noch im letzten Jahr

Um ehrlich zu sein, habe ich mir die Hundeleine um den Bauch gebunden und habe mich vom Hund ziehen lassen. Das ist zwar eigentlich eine schlimme Unart von ihm, aber in diesem Fall war es meine Rettung. Denn meine Begleitung, von der ich mir eine "leichte" Wanderung ohne Berge gewünscht hatte, meinte "Hier gibt es doch gar keine Berge" und dass ich mich nicht so haben soll. Ich schnaufte zwei Stunden bergauf, bergab, habe aber letztlich überlebt. 

Bleibt alle schön gesund, da draußen.







Dienstag, 14. April 2020

Nachrichten aus dem Home Office

Zuerst dachte ich, ich lass das mal alles auf mich wirken.




Wie zum Beispiel jede Menge verrückte Frauen sichtbar wurden. Alte Frauen, die mich (mit Maske) auf der Straße anschrien, im Vorbeigehen, "Es gibt keinen Virus!", soso, dachte ich, hoffentlich hast du Recht. Verwirrte Frauen, die in der Bank (übermäßig dramatisch geschminkt, junge-Mädchen-Frisuren tragend) nicht in der Lage waren, eine Überweisung auszufüllen, jeden und jede ansprachen "Können SIE mir helfen?", gefährlich nah und ohne jede Rücksicht alles kontaminierten, was es halt in einer Bank anzufassen gibt - diese ältlichen Frauen also mit weit auf gerissenen Augen, verpeilt durch die Straßen schwankend - die gab es plötzlich zuhauf. Wo kommen die nur alle her, frage ich mich. 

Dann gab es plötzlich in meinem kleinen Wäldchen Völkerwanderungen, gibt es bis heute. Verstehe ich, ich rette mich ja auch täglich in die grün explodierende Zwitscherbude. Habe mir den Leihhund geholt, für eine ganze Woche war er bei mir, bei jedem Videocall lag er neben mir auf dem Boden, eine Weile, um dann den Versuch zu starten, irgendwie auf meinen Schoß zu kommen, dabei ist er viel zu groß und schwer und ich bin dafür wenig zu haben, wie ich feststellen musste. Nach 4 Tagen nannte ich ihn nicht mehr Leihhund, sondern Stalker und das meine ich nicht mal scherzhaft. Stalker mit ADHS Syndrom, denn er kommt nie zur Ruhe, außer er darf neben mir auf dem Sofa liegen.

Wie gerne wäre ich mit Martin Rüther befreundet, den hätte ich gerne mal gefragt, was es damit auf sich hat und wahrscheinlich hätte er mir klar gemacht, dass es ganz allein an mir liegt weil ich irgendetwas grundfalsch mache - wenn ich nur wüsste, was? 




Ich überlege seitdem nur noch halbherzig, dass jetzt eine günstige Zeit wäre, mir selber einen kleinen Welpen zuzulegen; nie wieder hätte man die Gelegenheit, in aller Ruhe einen kleinen Hund stubenrein zu bekommen, erste Erziehungsversche zu starten und ihn langsam daran zu gewöhnen, auch mal allein zuhaus zu bleiben. Aber wenn das dann auch so ein ADHS-Stalker wird, hätte ich den immer an der Backe.

Nach Corona werde ich sowieso viel öfter im Home Office bleiben - nicht weil ich das so schätze, sondern vor allem, weil das die Arbeitgeber zu schätzen gelernt haben werden. Ich selber finde HO inzwischen richtig doof und an manchen Tagen schleiche ich mich in meine Firma, die einem Geisterhaus ähnelt und erfreue mich an meinen beiden riesigen Bildschirmen und dem rückenschonenden Bürostuhl - die reinsten Glücksmomente sind das.Wer hatte das vor sechs Wochen geahnt? Da habe ich mir einen HO-Tag immer als Geschenk an mich gegönnt.

Was noch? Ich kann keine Nachrichten mehr ertragen. Ich bin mit Verdrängen beschäftigt und lese lieber gefühlige Abhandlungen zum Thema in ZEIT, SZ und FAS. Alles, was mit Zahlen, Fakten, Krankheitsverläüfen, etc. zu tun hat, wird ignoriert, denn all dieses Wissen setzt sich auf meiner ansonsten schon löcherigen Festplatte bombensicher fest und sollte ich dann doch erkranken, wüsste ich in einer Hundertstelsekunde alles, was mich nun erwarten könnte und in meiner kleinen hypochondrischen Welt wäre sofort ausgemachte Sache, dass ich sowohl spätestens als auch mindestens an der Intubation krepieren werde. Nein, Gedankenstopp, nichts ausmalen, die Energie folgt der Aufmerksamkeit. 

Was ich nun nie vergessen werde, ist dieses gleißend helle Licht, das seit dem Lock down jeden Tag scheint. Ich nenne das "Dallas-Himmel", weil mir schon damals beim Dallas-gucken bei Außenaufnahmen immer dieser grellblaue, wolkenlose Himmel aufgefallen ist mit extrem kalten Sonnenlicht und so ist das seit Mitte März auch über Berlin. Schon schön, diese Helligkeit, ich will mich nicht beschweren, es könnte für meinen Geschmack nur etwas weniger gleißend sein. Trifft man draußen jemanden, sieht man auch aus 2 Metern Mindestabstand jede Pore und Schlimmeres; es ist ein erbarmungsloses Licht.

Da ich keine Nachrichten mehr sehe, schaue ich Netflix. Netflix ist gar nicht so toll. Es ist selten mal wirklich Gutes dabei. Zwei Wochen habe ich alle Folgen von Mad Men noch mal geschaut, aus lauter Alternativlosigjkeit. Modisch bin ich seit jeher in die 60er Jahre verliebt; Anfang 70er geht auch noch. Bis auf Joan Harris, die Godmother aller Sekretärinnen, ist das Personal doch eher kotzbrockig angelegt, also musste ich mich auf die Kleider konzentrieren. 

Ja, und ich koche natürlich jeden Tag. Überhaupt esse ich sehr viel. Und ich muss viel putzen und aufräumen. Man schmutzt und flust die Wohnung ganz schön voll, wenn man 24/7 daheim ist. Meine Wohnung weiß gar nicht, wie ihr geschieht. Endlich wohne ich mal meine Miete richtig ab. Meinem Vermieter schrob ich einen freundlichen Brief, ob ich wohl während der Ausgangssperre wieder in den Garten darf, aber er antwortete, das sei "leider" nicht möglich und ich muss gestehen, da habe ich ihn verflucht. Ich möchte hier nicht in Einzelheiten gehen, aber eine Welle von ungeheurem Hass schwappte so über mich, dass ich nicht anders konnte. 

Eine zweite Hasswelle schwemmte mich beinah auf den Ozean, als ich hörte, wie ReWe, Aldi und Lidl ihre Kassiererinnen für die Mehrbelastung zu entlohnen gedenken: zwischen 100-250 Euro Essensgutscheine, also die Möglichkeit, für 100 -250 €uro im eigenen Laden einkaufen zu dürfen. Da wollte ich eine Weltrevolution vom Zaune brechen und jeder Kassiererin zurufen: Bleibt zuhause, lasst euch krankschreiben, dann können eure Bosse die sagenhaften Gewinne zur Abwechslung mal selber erwirtschaften! Ich war schon lange nicht mehr so sauer.

Ostern habe ich das Kontaktverbot gebrochen. Zu dritt auf einer großen Terasse bei 23 Grad - es war Verheißung und Erinnerung zugleich. Früher war das ganz normal und heute wissen wir nicht, wann wir jemals wieder diese Unbeschwertheit haben werden. 

Hier was Saugutes von Sybille Berg: Bankrotterklärung

Zum Schluss noch ein Hinweis auf diese Website
Mehr darüber zu lesen drüben bei Frau Nessy