Donnerstag, 3. Januar 2019

Wenn Frauen spazierengehen

In meiner Straße steht ein Haus, an dem ich im Winter besonders gerne vorbeigehe. Es ist fast vollständig verglast und an einer Wand hängt ein riesiges, goldenes Buddha-Relief. Dieses wird angestrahlt, was widerum für eine warm-goldene indirekte Beleuchtung des ganzen Raumes sorgt. Es sitzen fast immer zwei Menschen, ein Paar, in Sesseln und lesen. Ich stell die mir sehr glücklich vor und obwohl ich mit Buddhismus nix am Hut habe, wie überhaupt die großen Weltreligionen spurlos an mir vorbeigehen, liebäugel ich mit etwas großlächig Goldenem an der Wand, wegen der schummrigen Illumination.

Ein anderes Haus, das vom umfassend halbgebildeten Prekariat wie mir gerne "Architektenhaus" genannt wird, weil es erkennbar nicht von einer der üblichen Fertighausfirmen hingestellt wurde, sondern neugierig machende Einblicke bei gleichzeitiger Undurchdringlichkeit in die interessanten Räume bietet, hat offenbar auch glückliche Besitzer, denn als ich vorbeigehe, steht ein ein riesiger weißer SUV mit puristischer Hochzeitsverkleidung vor der Einfahrt und vor der Haustür stehen Batterien von Champagnerflaschen. Eine Dezemberbraut muss nicht schwitzen, eine vorteilhafte Terminierung der Eheschließung, wie ich meine. Wie schade, dass unsereiner immer nur auf Sommerhochzeiten geladen wird, im vergangenem August waren wir mehr tot als lebendig und die kochendheißen Speisen wurden nur verzweifelt betrachtet denn gegessen.

Um die Ecke steht ein Haus, das einen manische Besitzer hat, der offenbar von niemandem gestoppt werden kann. Es wurde ein riesiger Anbau aus Glas ans Haus gedübelt, der über alle Etagen geht. Offenbar wurde dieser Raum jedoch geplant, ohne auf eine mögliche Nutzung Wert zu legen oder tatsächlich nur, um einen riesigen Kronleuchter an die Decke zu hängen, von dem aber nur Flaneure etwas haben, denn der Extra-Raum wurde nach kurzer Zeit mit Stoffbahnen zur Innenseite abgehängt. Manchmal werden im Erdgeschoss Wäscheständer aufgestellt, die pompös vom Kronleuchter ins Szene gesetzt werden. Zudem würde über der Eingangstür ein Balkon angepappt mit einem kunstvollen Geländer, direkt vor ein Fenster. Allerdings kann niemand kann diesen Balkon betreten, denn eine Tür hat man nicht in die Wand gehauen. 

Man stelle sich vor, man lebt mit so einem Mann, der alle Tage mit unsinnigen Anbauplänen nach Hause kommt und diese auch noch in die Tat umsetzt. Dann doch lieber den mit dem goldenen Buddha, der versteht was von gütigem Licht und ließe mich im Winter 10 Jahre jünger aussehen.



3 Kommentare:

  1. Oh Mann, auf das Haus mit dem Buddha bin ich grad total neidisch. Ohne es gesehen zu haben. Aber Deine Beschreibung klingt einfach traumhaft. Davon können wir in Neukölln nur träumen.

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  2. Davon kann ich auch leider nur träumen...
    Es muss was Güldenes her!

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  3. An dir ist eine Architektin verloren gegangen, bei dem Blick.

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