Dienstag, 12. März 2019

Häppchen im Bundestag

Was ich in den letzten Wochen alles erlebt habe... 100 Jahre Frauenwahlrecht machen es möglich, dass ich mich von einer Veranstaltung zur anderen hangele, meistens eingeladen von der SPD, auf Bundesebene, Landesebene und lange wird es nicht mehr dauern, da kann ich Führungen durch den Bundestag anbieten. 

Neulich hat sogar ein Minister mit mir geflirtet, ich war ganz irritiert, habe ihn natürlich ignoriert und gedacht Träum weiter, ich unterhielt mich lieber mit einer Staatssekretärin a.D., die ich gerade kennengelernt hatte, denn netzwerken können die Sozen, das kann ich bezeugen und sie sind herzlich dabei. 

Auf all diesen Veranstaltungen zu Ehren der Frauen kreuzen immer auch ein paar Männer aus der ersten Reihe auf, wie beispielsweise oben genannter Herr, wohl weil die kein Zuhause haben oder einem hier die gebratenen Häppchen direkt in den Mund fliegen oder weil eventuell mal eine sehr junge hübsche Frau (direkt von der Uni) zu beeindrucken ist. 

Einer begegnet mir immer wieder und stets neigt er sich vertraulich einer dieser Praktikantinnen oder Referentinnen zu und säuselt in ihr Ohr und ich denke, so dumm wird sie doch nicht sein, er könnte ihr Opa sein und so mächtig ist er auch wieder nicht, dass sich das lohnen würde - nicht jeder ist ein Müntefering. 

Heute nun in der FES, 30 Jahre Friedliche Revolution, und das hätte mir eine Warnung sein sollen, denn ich nenne das eigentlich immer nur "Wende" oder "Mauerfall" - was aber politisch nicht korrekt ist, wie ich erfahren muss. Ich war mit drei "West"-Frauen vor Ort, was noch wichtig wird, denn letztlich handelte es sich um eine Hommage an die "Ostfrau" - wogegen ich nichts habe, nur hätte das im Vorfeld etwas deutlicher werden können.

Mir war ja bis heute Abend nicht bewusst, wie toll die Ostfrauen gewesen sind und wie bescheuert hingegen die Westfrauen. Ostfrauen hatten ganz tolle Mütter und Großmütter, die ein selbstbestimmtes Leben hatten und abtreiben konnten, wann immer sie wollten. Ich wollte schon laut rufen "Wir im Westen konnten auch abtreiben, wann immer wir es wollten, hallo? Und eure tolle Ober-Ostfrau schafft es nicht mal, den 219a zu kippen!" Huch, dachte ich, wie rede denke ich denn?

Eine Iranerin aus dem Publikum stand auf und sagte zu der jungen Frau auf dem Podium, die nach dem Mauerfall geboren wurde, sich dennoch als "Ostfrau" fühlt, dann sei sie wohl nicht integriert, denn wenn sie eine Tochter hätte, die sie vor 30 Jahren in Deutschland geboren hätte und die würde sagen,.sie fühle sich wie eine Iranerin, dann wäre diese offenbar nicht integriert.

Meine Sitznachbarin spöttelte "Ich sag doch auch nicht, ich bin eine Südfrau, weil ich aus München komme." Eine weitere Frau aus dem Publikum ergriff das Mikrofon und sagte, dass es sich doch um eine Feierlichkeit anlässlich des Internationalen Frauentags handele und dass ihr diese einseitige Fokussierung auf Ostfrauen doch allzu provinziell erscheine und dass Frauen heutzutage allerhand wichtigere Probleme zu lösen haben, als vermeintliche Alleinstellungsmerkmale zu feiern, bzw. anzuprangern.

Die Ostfrauen auf dem Podium waren echt sauer, eine Keilerei wurde letztlich verhindert bzw. geschmeidig abmoderiert von der anwesenden Ministerpräsidentin, die bestimmt mal eine Ausbildung zur Mediatorin gemacht hat oder aber ein beeindruckendes Naturtalent besitzt, hochgekochte Volksseelen zu beschwichtigen und eine 1 a Feel Good Stimmung zu erschaffen. Chapeau Manuela!

Ich muss ehrlich sagen, die Sozen haben klasse Frauen aufzubieten, und zwar aus allen Himmelsrichtungen.

8 Kommentare:

  1. Also ich würde sagen, wenn Frauen sich auf einem Frauentag darum kloppen wer nun Ost, West, Süd oder Nord ist, dann ist das Projekt Emanzipation wohl abgeschlossen und sie dürfen herabkommen in die Niederungen alltäglichlicher meschlicher Doofheit. Immerhin eint das alle Geschlechter.

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    1. Nun ja, es hat sich niemand gekloppt, weil unklar war, wer Ost oder West ist. Sondern nur darum, wer besser ist.

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  2. Was für ein kluger Einwurf der Iranerin.
    Und ich nenne es Friedliche Revolution oder Wiedervereinigung, denn es war so viel mehr als eine "Wende" (ich mag den Begriff überhaupt nicht) und die wichtigste Mauer ist offenbar nie gefallen, da noch immer in Ost und West eingeteilt wird, es nach 30 Jahren noch immer so gravierende regional begründete Unterschiede gibt.

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    1. Ja, mir als Wessi war das überhaupt nicht klar, dass solche Unterschiede gemacht werden von Frauen, die nach 1989 geboren wurden. Das war wie in einer anderen Welt, kann ich dir sagen.

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  3. Ich bin begeistert von den klugen Frauen, besonders von der Iranerin. Diesen Einwand werde ich bei Gelegenheit auch bei den nachgewachsenen Heimatvertriebenen anbringen.

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    1. Ja, die Iranerin war schon lustig. Leider fand die Angesprochene das nicht lustig und rettete sich überheblich in die dööfste Antwort aller Zeiten "Es tut mir leid, wenn ich Sie verletzt habe, bla bla..."

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  4. So lange es noch immer Ost- und Westtarife gibt, so lange gibt es keine wirkliche Inklusion.

    Dennoch traurig, dass hier wichtiger ist, wer von wo kommt, als mal zusammen an einem Strang zu ziehen gegen noch immer existente Ungerechtigkeiten.

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  5. "Dennoch traurig, dass hier wichtiger ist, wer von wo kommt,..."

    Falls du mit "hier" diesen Blog meinst, habe ich mich wohl nicht deutlich genug ausgedrückt: mir persönlich ist schnurzegal, wo jmd. herkommt. Meine Irritation gilt dem Umstand, dass es offenbar vielen äußerst wichtig ist, woher sie kommen.

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