Mittwoch, 1. November 2017

Auch du, Frank Underwood?

Was für eine Karriere da gerade den Bach runtergeht, alle Achtung. Neben all dem anderen Schmerzhaften, was in den letzten Tagen publik wurde, ist dies ein Fall, der mich besonders unangenehm berührt, weil ich ihn so mochte (soweit man eine Person mögen kann, die man nur aus Filmen kennt). 

Harvey Weinstein kann man aus der Ferne höchst unsympathisch finden, falls man sich je Gedanken über ihn gemacht hat, oder sein Gespür für gute Stoffe respektieren, aber Kevin Spacey - neben Robert de Niro einer der wenigen Schauspieler, der einem Wohlgefühl wie auch Unbehagen vermitteln kann, ich also das Gefühl hatte, sie spielen nicht nur sich selbst - jedenfalls Kevin Spacey mochte ich als Underwood ausgesprochen gerne; erst neulich sah ich an einem Wochenende die fünfte Staffel von House of Cards, von der es nun wohl keine sechste Staffel mehr geben wird, weil er der versuchten Kinderfickerei beschuldigt und womöglich auch überführt wurde (zumindest hat er es nicht abgestritten; nur eine Erinnerungslücke hat er geltend gemacht).

Seine hanebüchene Erklärung wurde bereits ausführlich kommentiert (während des ersten Lesens dachte ich, allerhand, man kann also beschließen, man sei ab jetzt schwul?), die "alte Klemmschwester" wurde er genannt und dass man gar nicht so "betrunken und ungeoutet" sein kann, um zu übersehen, dass man gerade im Begriff ist, ein Kind zu missbrauchen.

Wenn das alles stimmt, dann ist sein Absturz genau so überfällig, wie der von Harvey Weinstein.

Ich frage mich, gibt es überhaupt irgendjemanden auf dieser Welt, der oder die unbehelligt geblieben ist? 

Offenbar stehen die Chancen schlecht. Und immer wird gesagt, die meisten Misshandlungen finden in der Familie statt. Das mag stimmen, aber als ob das nicht reichen würde, geschieht einem draußen jedoch auch noch eine ganze Menge. Nur ein Beispiel:

Als ich jung war, verließ ich allein eine Disko (damals hieß das so). Auf dem Weg zu meinem Auto kreisten mich ein paar Männer ein und als ich ziemlich angstfrei Radau machte, sie sollen mich gefälligst in Ruhe lassen, bespuckten sie mich und liefen johlend weiter. Ich komme nicht umhin zu denken, dass ich damals noch recht glimpflich davon gekommen bin.

Ich könnte zig solcher Geschichten erzählen und ich bin mir sicher, dass fast jede Frau, die hier mitliest (und ich schließe nicht aus: womöglich auch fast jeder Mann) ähnliche Geschichten in petto hat. 

Und fast bin ich müde, das alles überhaupt zu thematisieren, weil es nichts ändern wird, all dieses #metoo, dieses teilen entsetzlicher Erlebnisse, außer dem Gefühl, man ist nicht allein, aber die Täter (und Täterinnen) wird es nicht davon abhalten, weiterhin hochgradig traumatisierend zu Werke zu gehen. 

Manchmal gehe ich durch die Straßen und frage mich, was wohl hinter den Fenstern für Tragödien passieren, in diesem Moment. 


Die Dame von Welt hat sich des Themas weitaus tiefsinniger angenommen. Sehr lesenswert. (Danke, Pantoufle, für den Hinweis)

23 Kommentare:

  1. Es ist sicherlich richtig, dass Themen nicht tabuisiert werden. Dass Menschen nicht das Gefühl haben müssen, sie stünden allein da, niemand würde ihnen glauben oder irgend so etwas.
    Aber ich muss gestehen.. Ich bin so müde davon, gefühlt nur noch Nachrichten über Missbrauch, Mord und Totschlag zu lesen.
    Was mir fehlt, sind mehr Nachrichten und Erzählungen über das Positive im Leben. Über die schönen Momente - und damit meine ich nicht so rührselige Stories auf RTL- oder FB-Niveau. Damit will ich gar nicht die Augen vor Realitäten verschließen - mich aber auch nicht immer nur noch mehr auf den Verfall fokussieren.

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    1. Uff. Vermintes Thema. Ich denke, dass eine gewisse Differenzierung und Abstufung der verschiedenen Formen sexualisierten Verhaltens und sexualisierter Gewalt hilfreich und angemessen ist. Nicht, um Täter frei zu sprechen, sondern um insbesondere die Opfer und ihre Traumata besser sehen zu können.

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    2. @ Helma: Ich bin nicht müde davon, dass Menschen davon erzählen. Nur davon, dass sich dadurch nichts änern wird.

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    3. @ Tiker: Ich habe selbst darüber nachgedacht, ob (abgesehen von dem Übergriff auf den 14 jährigen Jungen) die plumpen Annäherungsversuche von Spacey evtl. gar tradierte Vorgehensweisen unter schwulen Männern sind, die - nach allem, was man so hört - einen weitaus schnörkelloseren Weg wählen, sich Entspannung zu verschaffen.

      Aber es ist wahrlich ein weites Feld; ich war nicht dabei und ob das alles stimmt - wer weiß das schon? Ich nicht.

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    4. Das meinte ich eigentlich nicht. Mag sein, dass schwule Männer einen schnörkellosen Umgang mit Sexualität haben, und wie man hört auch einen ausgeprägten Jugendfetisch. Aber das Hörensagen birgt eben auch Gefahren.
      Im Falle von Spacey scheinen ja jetzt noch einige Leute mehr an die Öffentlichkeit zu gehen.
      Worum es mir ging: die unterschiedlichen Formen sexualisrten Verhaltens sollten auch unterschiedlich behandelt werden, und dass ein 25 -Jähriger einen 14 -Jährigen begrapscht, ist zwar anzuprangern, es ist aber nicht gleichzusetzen mit dem Missbrauch eines Kindes.

      Doch ehe ich mich um Kopf und Kragen rede: ich bin etwas rat- und sprachlos, angesichts dieser Lawine, die donnernd ins Tal geht.

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    5. Als ich 26 war...und mich an einen 14jährigen rangewanzt hätte, ich hätte gewusst, dass er ein Kind ist.
      Jeder Übergriff ist der Horror, egal in welchem Alter man ihn erlebt.
      Wenn der 14jähruge in der Lage war, die Situation zu verlassen, dann ist nur aus diesem Grund letztlich keine Vergewaltigung vollzogen worden.

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    6. Ein 14 Jähriger ist ein Jugendlicher und kein Kind. Ich finde diese Unterscheidung nicht unerheblich. Schlimm bleibt schlimm, keine Frage und versteh mich nicht falsch, ich möchte nichts, aber auch gar nichts herunterspielen, ich denke aber, dass Ungleiches nicht gleich behandelt werden sollte.
      Ob es zu einer Vergewaltigung gekommen wäre, hätte der Junge die Situation nicht verlassen können, wissen wir nicht.

      Was ich eigentlich sagen möchte: sexuelle Übergriffe sind ein unverzeihliches Vergehen, aber es gibt eben doch graduelle Unterschiede zwischen widerwärtiger Anmache und Grapschen und Vergewaltigung.

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    7. Ach, liebe Tiker, ein 14 jähriger ist praktisch ein Baby, aus meiner Sicht. Ein Kind allemal.

      Würdest du denn auch so denken, wenn es sich um ein 14 jähriges Mädchen gehandelt hätte?

      Mir wird beispielsweise immer kotzschlecht, wenn Roman Polanski so lauthals bedauert wird, dass er nicht mehr in die USA reisen darf, "nur" weil er damals eine 13 Jährige vergwaltigt hat.

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    8. Aus unserer Sicht ist eine 14jährige ein Kind. Juristisch gesehen ist sie eine Jugendliche. Abr wir wollen hier auch nicht feilschen. Ich halte Generalisierungen für der Sache nicht zuträglich udn insbesondere die Opfer schwersten Missbrauchs werden dabei aus meiner Sicht nicht mehr ausreichend gesehen. Missbrauch im Kindesalter hat verheerendste Auswirkungen auf die Seele der Betroffenen. Im Jugendalter gibt es immerhin schon ein Bewusstsein von Recht udn Unrecht udn, wie in Spaceys Fall, die Möglichkeit zu gehen.
      Ekelhaft bleibt das und Polanski ist ein widerlicher Kerl. Ich glaube wir liegen gar nicht so weit auseinander in unserern Ansichten, liebe Annika.

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  2. "Seine hanebüchene Erklärung wurde bereits ausführlich kommentiert (während des ersten Lesens dachte ich, allerhand, man kann also beschließen, man sei ab jetzt schwul?), die "alte Klemmschwester" wurde er genannt und dass man gar nicht so "betrunken und ungeoutet" sein kann, um zu übersehen, dass man gerade im Begriff ist, ein Kind zu missbrauchen."
    Spacey hat nicht beschlossen, ab jetzt schwul zu sein, sondern offiziell sich als schwul zu bezeichnen.

    "Wenn das alles stimmt, dann ist sein Absturz genau so überfällig, wie der von Harvey Weinstein"
    Ist das so? Nehmen wir erstmal an, dass alle Anschuldigungen gegen W. und gegen S. überhaupt korrekt sind. Will man S. einmalige Tat mit den vielfachen Taten W.s gleichsetzen? Und wie sieht es eigentlich mit der Qualität aus? Hat W. es mit der Ausnutzung der Struktur und seinem systematischen Vorgehen nicht weitaus schlimmer getrieben?
    Andererseits wiegt S. Vergehen imho schwerer, weil es sich eben um einen Minderjährigen handelte.
    Insgesamt hat die Thematik für mich noch viele weitere Probleme. Eins davon wäre, dass die Schauspielerbranche von PR und "sex sells" geradezu lebt.
    Warum können S. und sein damaliges Opfer sich eigentlich nicht mit einem Mediator o.ä. treffen, reden, S. entschuldigt sich und zeigt Reue...Schwierig. Oder soll jetzt zum Halali auf alles und jeden, der vor bis zu 30 Jahren ähnliches getan hat, geblasen werden?

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    1. Ich las „Jetzt habe ich mich entschieden, als schwuler Mann zu leben.“

      So einmalig scheinen die Taten nicht gewesen zu sein, sogar recht systematisch, wenn sie auch evtl. nicht so forcierend waren, wie die von Weinstein. Gleichsetzen möchte ich sie gar nicht; aber bekannt ist, dass es nicht "zum äußersten" kommen muss, damit sich ein Mensch als missbraucht fühlt. Es reicht, Grenzen zu überschreiten. Nicht nur die vollzogene Vergewaltigung hinterlässt Spuren, sondern auch alle Vorstufen.

      "Oder soll jetzt zum Halali auf alles und jeden, der vor bis zu 30 Jahren ähnliches getan hat, geblasen werden?
      Ehrlich? Ja. Es mag eine gesetzliche Verjährungsfrist geben, für das Opfer verjährt es nie.

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  3. Was mich wirklich ärgert bei #Metoo: Da kommen richtig schlimme Dinge zur Sprache, aber die verschwinden zum Teil hinter wirklich lächerlichen Befindlichkeiten. Kate Maltby ist ein gutes Beispiel dafür.

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    1. Ich kenne Kate Maltby nicht, nie von ihr gehört.

      Es mag sein, dass aufmerksamkeitssüchtige Menschen auf den Zug aufspringen, aber "lächerliche Befindlichkeiten" zu diagnostizieren... man sollten schon ernstnehmen, wie sich Menschen in übergriffigen Situationen gefühlt haben. Manchmal sind schon musternde Blicke kaum erträglich, kannste mir glauben.

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    2. Liebe Annika, glaub mir, ich nehme das ernst. Aber ich mache mir auch Sorgen. Denn einerseits habe ich eine Tochter (selbstbewusst, sexy und unerschrocken)und ich möchte natürlich nicht, dass ihr was passiert. Aber ich möchte auch nicht, dass sie irgendwann verängstigt in ihrem Zimmer hockt, weil ihr Feministinnen eingeredet haben, dass hinter jeder Ecke ein gewalttätiger Mann lauert.
      Und ich habe auch einen Sohn und möchte nicht, dass er abgewertet wird, einfach nur weil er weiß und männlich ist. Er wird vermutlich beruflich diskriminiert werden, weil er soziale Arbeit studieren möchte (oder glaubst du, das er (als Mann) mit kleinen Kindern arbeiten könnte, wenn er das will?).
      Und ich will auch nicht, dass er an der Uni ohne Chance auf ein faires Verfahren sozial hingerichtet wird, weil es z.B. einer jungen Dame im Nachhinein einfällt, dass besoffen rumvögeln irgendwie doch nicht zu ihrem Selbstbild passt.

      Kate Maltby: Eine britische Theaterkritikerin, die versucht, einen Staatssekretär in die Pfanne zu hauen. Die Vorwürfe: Er habe einmal flüchtig ihr Knie berührt und außerdem versucht, sie zu einem Date einzuladen.

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    3. "Aber ich möchte auch nicht, dass sie irgendwann verängstigt in ihrem Zimmer hockt, weil ihr Feministinnen eingeredet haben, dass hinter jeder Ecke ein gewalttätiger Mann lauert."

      Wenn deine Tochter eines Tages verängstigt in ihrem Zimmer hockt, was hoffentlich nie passieren wird, dann wird das nicht an Feministinnen liegen, glaub mir. Fast jede Frau hat übergriffige Situationen erlebt und sie werden wahrscheinlich auch nicht deiner Tochter erspart bleiben, so schauerlich das ist.

      "Und ich habe auch einen Sohn und möchte nicht, dass er abgewertet wird, einfach nur weil er weiß und männlich ist."
      Die wenigsten weißen Männer werden abgewertet, außer sie heißen Trump oder haben Scheiße auf ähnlichen oder anderen Gebieten gebaut.

      Mir scheint, dass du "#me too" als Verallgemeinerung empfindest, bzw. Männer angegriffen siehst, die gar nicht angegriffen werden. Es geht hier nur um Erlebnisse, die geteilt werden.

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    4. Nein, ich glaube nicht, dass es "nur" um Erlebnisse geht. Es geht eher um Deutungshoheit: Das nämlich das Gefühl der Frauen (und nur der Frauen)der Maßstab dafür sein soll, was erlaubt ist und was nicht. Wenn aber halbwegs erkennbare und objektive Maßstäbe fehlen, wird der Willkür Tür und Tor geöffnet.

      "Die wenigsten weißen Männer werden abgewertet, außer sie heißen Trump oder haben Scheiße auf ähnlichen oder anderen Gebieten gebaut."
      Wie gesagt, mein Sohn will soziale Arbeit studieren. Und du meinst, er könnte tatsächlich - als Mann - z.B. Kindergärtner werden? Und du hast noch nie einen Zeitungsartikel gelesen, der meine Peergroup (alt, weiß, hetero) pauschal abwertet?

      "Mir scheint, dass du "#me too" als Verallgemeinerung empfindest, bzw. Männer angegriffen siehst, die gar nicht angegriffen werden. Es geht hier nur um Erlebnisse, die geteilt werden."

      Und ja, z.T. empfinde ich das als Verallgemeinerung. Da erschien so mancher Artikel, der sich belehrend an "die Männer" richtete. Z.B. auf Zeit.de (finde leider gerade den Link nicht).

      Was meine Tochter angeht: Da wir in einer Großstadt wohnen, habe ich nicht die Illusion, dass meinen Kindern übergriffige Situationen erspart bleiben werden. Halte ich für (leider) unvermeidlich, weil bei den unzähligen Sozialkontakten unmöglich JEDER IMMER den richtigen Ton treffen wird. Schwere Gewalttaten gegen Leib und Leben stehen allerdings auf einem ganz anderen Blatt.

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  4. "Ich frage mich, gibt es überhaupt irgendjemanden auf dieser Welt, der oder die unbehelligt geblieben ist?"

    Ich wollte gerade "hier" schreien – da fiel mir ein, dass eine Kollegin meiner Mutter mir mal besoffen an der Hose herumgefummelt hat, als ich 15 war. True Story. Kevin Spacey wäre mir lieber gewesen, kanste glauben. #ICKEOOCH!

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    1. Kolleginnen können so schrecklich sein...

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    2. Ich fühle mich unbehelligt, weil ich einschlägige Vorfälle immer unter "versuchter Verführung" abgelegt habe. Allerdings wäre der härteste Vorfall unter umgekehrten Vorzeichen wohl eher eine versuchte Vergewaltigung gewesen: Nach der Geburtstagsfeier bei einer Kollegin hatte ich bei denen im Gästezimmer übernachtet. Kaum war morgens der Mann aus dem Haus, kam die Kollegin im Nachthemd ins Zimmer spaziert, legte sich ungefragt zu mir ins Bett, zog das Nachthemd hoch und drückte mir ihre nackte ***** ans Bein. Ich war gerade frisch verheiratet und bin vor Schreck zwei Meter hoch gesprungen. Heute würde meine Reaktion allerdings vermutlich anders ausfallen. *GG*

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    3. Der Unterschied ist (und damit will ich Frauen nicht entschuldigen; sie sind oft genug Mitwissende und werden dadurch zu Mittätern), aber der Unterschied ist, dass jeder erwachsene Mann einer Frau fast immer körperlich überlegen ist; er also jederzeit aus der Situation fliehen kann.

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    4. ja, dass ist definitiv ein gewichtiger Unterschied.

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  5. Kevin Spacey ist ein so glaubwürdiger Schauspieler, dass wir Zuschauer tatsächlich glauben, ihn auch als Privatmensch zu kennen, und sind dann bestürzt, dass er doch nicht der gute Mensch ist, der schlechte Kerle nur spielt.

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    1. Nicht dass ich je gedacht hätte, ihn privat zu kennen, aber meine Bestürzung ist dennoch groß.
      Und mit House of Cards ist's jetzt auch hinüber.

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