Mittwoch, 15. November 2017

Singe wem Gesang gegeben

Vor einiger Zeit feierte die Dezemberaffaire Geburtstag. Sie lud zu meinem Schrecken in eine Karaoke Bar und so fand ich mich wieder im Berliner Nachtleben, dem ich mich eigentlich längst entwachsen fühle. 

Ich hatte meine Momente, time passes by, und seit längerer Zeit buche ich mit Freunden teure Ferienhäuser und dort wird gefuttert und gesoffen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit und wenn wir keine Häuser an Küsten buchen, dann besuchen wir uns, zur gehobenen Nahrungsaufnahme oder gehen woanders essen.

Nur unser Altersstarrsinn bringt noch ein bissel Pep in die Bude. Sobald ein geopolitisches Thema gestriffen wird, hauen wir uns die Köppe ein und wenn es ganz intim wird, gestehen wir uns Neurosen und Zwangshandlungen, die wir trotz all der Jahre nicht voneinander vermutet haben. Also, die Frauen machen Geständnisse und die Männer entwickeln zunehmend ein Blockwart-Syndrom und keifen falsch fahrende Radfahrer an.

Naja, nun aber bahnte ich mir meinen Weg durch die Bar, alles dicht besetzt von ausgelassenen Menschen, die sangen, lachten und applaudierten. Auf diese Bühne würde ich mich für kein Geld der Welt stellen.

Hinter der Theke ein Barkeeper und eine Frau, die die Musikanlage bediente. Eine außergewöhnlich hübsche, mit Beinen bis in den Himmel, langen blonden Haaren und, wie mir schien, völlig fehl am Platz. 

Was macht so eine Frau in so einer Bar? Und dann noch in der Privatlounge, wo doch schon aus pekuniären Gründen nur ältere Semester in der Lage sind, die Bude für einen ganzen Abend zu mieten und dann wahrscheinlich nur "Atemlos" brüllen. Sie sah dementsprechend gelangweilt aus, fast arrogant, aber das waren nur wieder die Spiegelneuronen oder sonstige Vorannahmen, die sie in kürzester Zeit Lügen strafte.

Erstmal standen wir so rum und redeten, soweit das ging bei der Lautstärke und keiner sang. Später griff die Dezemberaffaire zum Mikro und machte den Anfang. Ich als Skeptikerin sah mir das an, nicht mal besonders amüsiert und mir war klar, ich stell mich in diesem Leben nicht auf die Bühne.

Es opferten sich einige mehr am Mikrofon und die Frau an der Anlage begleitete das mit außerordentlich trockenem Humor und jeder Menge Wortwitz. Sie war warmherzig, aber so richtig von Grund auf warmherzig. Und weise. Klasse Kombination, findet man selten. Wenn ein Mann so einer Frau begegnet, kann ich nur raten, zugreifen und nicht denken, es kommt vielleicht noch was Besseres. Kommt nicht, garantiere ich. 

Was soll ich sagen, zwei Stunden später war ich kaum noch von der Bühne runterzukriegen und das wie immer im stocknüchternem Zustand, natürlich nicht alleine, immer im Verbund, soweit ging's dann doch nicht; dennoch, ich kann das nur jedem empfehlen. 
 

4 Kommentare:

  1. Was hast du gesungen? (Ich hätte vor einem Jahrzehnt auf einer Firmenweihnachtsfeier gerne "I got you Babe" mit einem Kollegen gesungen, aber das hatten sie nicht.)

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    1. Als Chorschwester weiß ich natürlich, was sich gut singen lässt (Mann, war das peinlich, als drei Leute "Die immer lacht" gesungen haben, die haben vielleicht aus der Wäsche geguckt). Also ich war mit Griechischer Wein und den Caprifischern dabei, unter anderem. Ein Träumchen.

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  2. Von Grunde auf warmherzig, weise und mit jeder Menge Wortwitz? Soso. Nun ja, in manchen Blogs findet man durchaus solche Frauen, nicht wahr, liebe Annika?^^

    [Sollte der Holzhammer eine Beule hinterlassen haben, was durchaus im Rahmen des Möglichen liegt, schicke ich dir ein Coldpack rüber.]

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