Samstag, 17. März 2018

Traumhafte Mexikaner und gigantische Welpen

Um 14 Uhr war ich bei Frau Behrens Torten verabredet, ein Lokal, dass ich unbedingt empfehle, weil es dort die besten Torten der Welt, die bequemsten Stühle und Sofas, vor allem aber den allerbesten Kellner der Welt gibt. 

Ich war schon eine Stunde vorher da, versank zufrieden in den Polstern und aß das beste Bauernfrühstück aller Zeiten. Eine sms kam von meiner Verabredung, sie bringe noch eine Kollegin mit, ob das okay sei. Natürlich, warum nicht, außerdem wusste sie nicht, dass ich wusste, dass sie heute Geburtstag hat und einzig zu diesem Zwecke diesen Termin vereinbart hatte, auch wenn sie ihn als Arbeitstermin postulierte - obwohl wir uns erst zwei Tage zuvor an anderer Stelle trafen  (wo etwas passiert ist, von dem ich nicht ahnte, dass ich bei so etwas im 21. Jahrhundert live dabei sein würde - da sagte nämlich ein Mann, der eine Power Point Präsentation durchklickte "Das ist ein Problem, von dem gleichermaßen Frauen und Menschen betroffen sind." Milde gestimmt lachten wir Tränen, aber sagen wir mal so, das hätte auch leicht in einem Blutbad enden können). 

Als sie kam mit ihrer Kollegin, musste ich meine Empörung verbergen, denn die Kollegin war ein Grippemonster und ich war doch bis jetzt den ganzen Winter verschont geblieben, verdammt. Weshalb bleiben solche Leute nicht im Bett? Was müssen die in Cafés rumkrauchen und die Influenca verbreiten? 

Ich sah sie kritisch an, eigentlich die ganze Zeit und dachte immer nur: Schweig still oder atme woanders hin. Unsereiner hat Verpflichtungen am Wochenende, die keine Schwäche dulden. Dann redete sie dauernd von "Mein Mann" - und sowas geht mir dermaßen an die Nerven, das kann sich kein Mensch vorstellen. Sie erwähnte ihn bestimmt zwanzigmal, einen Vornamen hat er wohl nicht. 

Anyway, als sie ihn mal nicht erwähnte, fing sie an zu rekapitulieren, dass sie von Fischen umgeben ist: "Meine Schwiegermutter hat am 13.3. Geburtstag, Freundin 1 am 4.3., Freundin 2 am 6.3., mein Chef am 17.3. und meine Nichte am 19.3. - ich bin total gestresst." 

Mein Stresslevel stieg auch, denn ich habe Null Toleranz gegenüber Schwachsinnsgesprächen. Da ich sie nur durchdringend und stumm anschaute, um sie zum Schweigen zu bringen, gab sie dem Gespräch Tiefe und berichtete nun von ihren Versuchen, schwanger zu werden. Nun habe ich auch Null Toleranz gegenüber Intimitäten, wenn ich die Person erst eine Stunde kenne. 

Aber ich will nicht meckern, denn der Tag entwickelte noch sehr kommod.

Das lag an dem Kellner, dem ich bei der nächsten Bestellung mitteilte, dass meine Begleitung heute Geburtstag hat, woraufhin er das ganz laut in das Lokal rief und alle anfingen zu klatschen und Happy Birthday zu singen, was meine Begleitung so huldvoll wie bescheiden über sich ergehen ließ. 10 Minuten später kam er wieder an unseren Tisch, mit einem Tortenstück und einer brennenden Wunderkerze drauf, woraufhin noch mal alle applaudierten.

15 Minuten später kam er erneut an unseren Tisch: "Wie wär's denn mit einem Mexikaner, der die ganze Zeit liest?" Immer her damit, sagten wir, denn an unserem Tisch war noch Platz. Er brachte den Mann zu uns. 
„Du siehst aus wie Furio aus den Sopranos
"Ahso, dann bin ich eine schlechte Gängsta?" 
Der Kellner sagte, nein, er ist Schriftsteller. Oh, Schrifsteller finde ich gut. Er winkte bescheiden ab "Ich chabe nur eine ganz kleine Buch geschrieben, iist ganz unwichtig." Bescheidene Schriftsteller sind ja noch besser als normale Schriftsteller. 

Wir quetschten ihn aus, was ihn nach Berlin verschlagen hat. Ein zurückhaltender Mann, sanft und freundlich, hübsch und auf seinem Schoß lag de Sade in französischer Ausgabe, was ihm ein wenig peinlich war. Ein Mexikaner, der französisch, englisch und deutsch spricht und dabei aussieht wie der Mann, der sich in Carmela Soprano verliebt hat.  

Am Nachbartisch setzte sich eine Familie hin, genauer gesagt ein Paar mit einem riesigen Welpen, der mit 11 Wochen schon fast so groß ist wie der Hund der Auftragsmörderin. Allgemeines Ah und Oh, wie süß, kann ich den streicheln? "Sie lieben Hunde?" Und wie, sagte das Geburtstagskind, aber ich kann mir keinen holen, der wäre ja nur allein, es müsste Bürohunde geben. Was stellt sich raus? Er ist der Erfinder der Bürohunde. Er hat extra dafür einen Bundesverband gegründet. Hundetrainer ist er auch und findet Cesar Millan aber nicht gut, weil er dessen propagierte Hierarchie ablehnt. Thomas Rütter verwendet auch unsinninge Methoden, die dem Tier nur Angst einjagen, meint er. Ich kann da letztendlich nicht mitreden, aber es war interessant, ihm zuzuhören. 

Nebenbei hatte ich immer ein Auge auf dem Handy, denn abends war ich zum Doko verabredet, allein, die Location stand noch nicht fest. Es wurde sich dann leider für ein grässliches Lokal in Marienfelde entschieden, ich plädierte für "in der Nähe" meines derzeitigen Aufenthaltsortes, konnte mich aber nicht durchsetzen. Dafür kam aber unsere jüngste Mitspielerin in den Tortenladen, damit ich sie mitnehme. 

Als sie sich zu mir setzte, strahlte der Mexikaner, was kein Wunder ist, denn unser Küken ist ein flirrendes Geschöpf von spezieller Schönheit. Sie kommt bei allen gut an. Der Kellner kam an den Tisch, gerade, als sie mir sagte, dass sie mir was sagen muss "Ich bin schwanger!" Der Kellner freute sich riesig mit und brachte ihr sofort ein kleines Törtchen auf Kosten des Hauses. Das Strahlen des Mexikaners erlosch, ich glaube, er hat sich auf den ersten Blick in sie verliebt. 

Sie hatte ihren Hund dabei, der sich leider sofort daran machte, den Welpen vom Nachbartisch zu zerfleischen, denn es ist ein sanftmütiger, feiger Hund, der sich nur mit Welpen anlegt. Der Hundetrainer blieb ganz gelassen "Das ist sein gutes Recht und meiner muss das lernen." Fabelhafter Mann.

Gegen 19 Uhr brachen wir schweren Herzens auf, ins bescheuerte Marienfelde (oder Mariendorf, ich bring das immer durcheinander). Draußen stürmte es, hauchzarte Schneeverwehungen hatten mein Auto eingehüllt und deshalb war auch gleich überall Stau, wie immer in Berlin, wenn Wetter ist. 

In der Dokorunde saß auch ein Grippemonster am Tisch, das ich streng und durchdringend ansah und wegen dem ich schon zwei Stunden später den Abflug machte. Ich hatte genug Gefahrenmomente heute.




10 Kommentare:

  1. Ich lese ja schon lange still mit, aber ich wollte mich jetzt mal bedanken für deine schönen Texte!
    Ich mag deine Sätze, sie berühren mich, aber ich kann garnicht genau sagen, warum. Jedenfalls las ich es, und ich hatte ein Lächeln auf dem Gesicht, danke dafür!
    Liebe Grüsse aus dem sturmumtosten Küstenflachland , Silke

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    1. Liebe Silke, hab Dank für deine freundlichen Worte. Und hier tobt der Sturm ebenso...

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  2. Verehrteste,

    man sollte Sie fürs Bundesverdienstkreuz vorschlagen.
    Grippeepidemie in Berlin verhindert.
    Ansteckungsgefahr gebannt.
    Nur noch verängstigte, handlungsunfähige Viren dank Ihrer strengen und durchdringenden Blicke.

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  3. Kücken muss Mann/Frau vor Dummheit(Schwangerschaft) schützen.Ich habe meiner Nichte (17) das Implant bezahlt.Jetzt ist sie 3 Jahre sicher vor dieser Dummheit.

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    1. Wie alt ist das Küken denn? Eine Schwangerschaft ist ja nicht generell eine Dummheit.

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  4. Ach allerliebste Borgelfe.
    Du bist immer ein wahrer Lichtblick!

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  5. Du schaffst es einen mitzunehmen wie keine andere, du bringst einen auf deine ganz speziellen Höhen. Wir folgen dir, Meisterin, wohin auch immer. Zur Not nach Mariendorf.

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    1. Ooooh, du machst mich ganz verlegen. Mensch, so ein Lob von dir und der Tag ist mein Freund;)

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